«Unsere Drohnen ähneln ihren Vorbildern in der Natur, aber sind in Bezug auf Aussehen und Funktionen stark vereinfacht», sagt Dario Floreano, der das Labor für Intelligente Systeme der École Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL) leitet. Denn die Natur ist komplex. Das Biomechanik-Projekt der EPFL verwendet, was technisch sinnvoll und möglich ist. Das Ziel: Eine Drohne, die fliegen und landen kann wie ein Habicht.

Anfangs dienten Insekten als Inspiration. Um ihre Mikrodrohnen in Schwärmen und autonom fliegen zu lassen, statteten die Forschenden sie mit Facettenaugen und einem elektronischen Gehirn aus, sodass sie Hindernissen ausweichen konnten, ohne dass ein menschlicher Pilot eingreifen musste.

«Aber wir stellten schnell fest, dass es selbst mit dem besten visuellen System zu Kollisionen kam», sagt Floreano, der auch das Nationale Kompetenzzentrum (NCCR) Robotik leitet. Auch echte Insekten und Vögel kollidieren manchmal. Diese Crashs führen aber selten zu Abstürzen, da ihre Körper Stösse absorbieren können. Speziell die Exoskelette und Flügel von Insekten seien sehr flexibel, so der Robotik-Professor.

Faltbare Schwingen

Dario Floreano und sein Team konzentrierten sich daher auf den Baustoff. Die Entwicklung flexibler Materialien ist ohnehin eine der grossen Herausforderungen in der Robotik, nicht nur bei Drohnen. Zum Beispiel wird eine Hand aus Metall wohl nie in der Lage sein, mit Objekten oder Personen so präzise und geschmeidig zu interagieren wie eine menschliche Hand.

Ab 2018 kamen Vögel als Inspirationsquelle hinzu, insbesondere ein Raubvogel: Der Habicht. Die daraus entstandene Drohne ist eines der Hauptprojekte des Labors. Sie besteht aus ultraleichten Materialien, ihre Flügel sind sehr flexibel: Sie falten und neigen sich im Flug wie die Schwingen echter Vögel.

Die Maschinen werden zuerst im Keller des Labors getestet. Es ist ein Raum, der so hoch wie eine Turnhalle und so gross wie ein halbes Basketballfeld ist. Bewegliche Netze bilden einen grossen Käfig, und an den Wänden sind Sensoren angebracht – der Raum wirkt wie eine Voliere in einem Hollywood-Studio. In einer Ecke der Halle befindet sich zudem ein Windkanal, der fast alle Bedingungen simulieren kann, die man draussen vorfindet.

Propeller am Schnabel

Die Flügel bilden das Kernstück der Drohne. «Wir verwenden keine echten Federn», sagt Dario Floreano. Und die Drohnen können auch nicht mit ihren Flügeln schlagen. Denn die Muskeln, die den tierischen Vorbildern den Flügelschlag ermöglichen, gehören zu den effizientesten und komplextesten, die es in der Natur gibt. Die EPFL-Drohne verwendet stattdessen einen Propeller für den Vorwärtsschub, der am Schnabel angebaut ist. Das funktioniere sehr gut und sei effizienter, erklärt Floreano. Und das System sei so auch auf andere «gefiederte» Drohnen und Flugzeuge anwendbar.

Die Drohne kann aber ihre Flügel und ihren Schwanz während des Fluges verändern. Das mache sie wendiger als andere geflügelte Drohnen und sorge im Vergleich zu herkömmlichen Helikopterdrohnen mit demselben Gewicht zu einer rund doppelt so grossen Reichweite.

Die nächste Herausforderung, an der Dario Floreano und sein Team nun arbeiten, ist das Fliegen bei ungünstigen Wetterbedingungen. «Einige Vögel sind in der Lage, auch bei starkem Wind in der Luft zu bleiben, indem sie die Flügelform anpassen. Unsere aktuelle Forschung zielt darauf ab, die Drohnen mit einem intelligenten Kontrollsystem auszustatten, so dass sie unter Bedingungen fliegen können, an denen andere Drohnen scheitern würden», so Floreano.

Macht eine gute Figur: Die EPFL-Vogeldrohne hat einen windschnittigen schwarzen Rumpf und rote Federn.

Künstliche Intelligenz soll helfen

Der nächste logische Schritt ist das Landen und die Fortbewegung am Boden. Das Labor hat bereits mit der Entwicklung von robotischen Klauen begonnen, die sowohl gestreckt als auch gekrümmt werden können, sodass die Vogel-Drohne am Boden «laufen» und Objekte greifen kann. 

Und das ist noch nicht alles. «Mit diesen Klauen wird die Drohne zum Beispiel auf Ästen landen können», sagt Postdoktorand William Stewart. «In einem nächsten Schritt wollen wir ihr beibringen, auf Stromdrähten einen Stopp einzulegen, damit sie ihren Akku aufladen kann.» Im Moment stelle das aber noch eine Herausforderung dar. «Die Krallen funktionieren noch nicht, wie wir möchten. Aber das ist normal, schliesslich befinden wir uns noch in der Forschungsphase», so Stewart.

In ihrer Forschung sei nicht nur das Baumaterial, sondern auch die Software entscheidend. «Das alles ist sehr komplex: Flügel und Schwanz können sich derart vielfältig ausrichten, hinzu kommt die ganze Navigation. Künstliche Intelligenz wird uns helfen», ergänzt Floreano.

Falke im Einsatz

Aber wofür soll die Falkendrohne dereinst eingesetzt werden? «Sicherlich in der Landwirtschaft und Umweltüberwachung», antwortet Floreano. «Vielleicht irgendwann auch im Fernverkehr.» 

Frühere Modelle haben längst das Labor verlassen: 2009 gründeten Forschende des EPFL-Labors die Firma SenseFly, die sich zu einem der weltweit führenden Anbieter von Aufklärungs- und Kartierungsdrohnen entwickelte und heute zum US-Konzern AgEagle gehört. 2014 wurde dann Flyability gegründet, das sich ebenfalls zu einem Marktführer gemausert hat. Das Unternehmen bietet Drohnen an, die in enge und komplexe Räume vordringen können, zum Beispiel Tanks, Röhren oder Höhlen.

Eine Drohne von Flyability erkundet eine Gletscherspalte in Zermatt
Dieser Text erschien zuerst bei swissinfo.
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