Das musst du wissen

  • Der Einsatz von Kunstherzen ist inzwischen ein Routineeingriff.
  • Heute überleben rund achtzig Prozent der Betroffenen die ersten zwei Jahre mit einem künstlichen Herz.
  • Das Kunstherz hat aber noch zu viele Nachteile, als dass es eine Transplantation eines echten Herzens ersetzen könnte.
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Es ist noch keine vierzig Jahre her: Am 1. Dezember 1982 wurde der US-Amerikaner Barney Clark zum ersten Menschen, der ein künstliches Herz erhielt. Mit einem echten Herzen hatte das wenig gemeinsam: Um zu funktionieren, musste das implantierte Kunstherz permanent an eine grosse externe Pumpe angeschlossen sein. Als er nach der Operation erwachte, feierte die Welt dies als medizinischen Meilenstein. Doch der 61-Jährige konnte die Freude kaum teilen: Für ihn war die lebensverlängernde Massnahme kaum mehr als eine Qual. Mehrfach soll Clark darum gebeten haben, sein Leben zu beenden, ehe er nach 112 Tagen starb.

Das Kunstherz als Zwischenlösung

Seitdem hat die Medizin gewaltige Fortschritte gemacht: Der Einsatz künstlicher Herzen ist heute ein Routineeingriff. Die implantierten Geräte sind viel kleiner geworden, die Operationen damit einfacher. Mit einem natürlichen Herz hat das Kunstherz jedoch noch immer nicht viel zu tun – es ist eine kleine Pumpe aus körperverträglichem Titan, die ähnlich funktioniert wie eine handelsübliche Aquarienpumpe. Dabei ersetzt dieses Kunstherz das zu schwache natürliche Herz nicht vollständig, sondern übernimmt lediglich dessen Pumpfunktion. Doch häufig ist ein Kunstherz nur eine Überbrückung. «Die Wartezeit auf ein Spenderherz beträgt in der Schweiz im Schnitt etwa ein Jahr», weiss Markus Wilhelm, leitender Arzt an der Klinik für Herzchirurgie des Universitätsspitals und Professor an der Universität Zürich. «Aber viele Menschen auf der Warteliste sind so krank, dass sie das nicht überleben würden.» Dank einem Kunstherz als Zwischenlösung überleben etwa drei Viertel der Wartenden bis zur Transplantation – ohne Kunstherz wäre es weniger als die Hälfte, sagt Wilhelm. Aber besser wäre es natürlich, wenn mehr Spenderorgane zur Verfügung stünden und der Zwischenschritt somit nicht mehr nötig wäre, betont der Herzchirurg.

Doch nicht für alle Menschen kommt eine Transplantation in Frage, beispielsweise für Krebskranke, deren Immunsystem aktiv Krebszellen bekämpfen muss: Die nach einer Transplantation nötigen Medikamente würden die Krebsentwicklung noch beschleunigen. Für sie kann ein künstliches Herz zwar das echte nicht gleichwertig aber immerhin langfristig ersetzen. Bei den heute verbreiteten Kunstherzen stehen die Überlebenschancen gut – rund achtzig Prozent überleben die ersten zwei Jahre. Schon mit einem Modell der Vorgängergeneration lebte der Patient Uwe S. im Jahr 2015 zehn Jahre lang. «Die Sterblichkeit ist inzwischen vergleichbar mit jener von Menschen mit einem transplantierten Herz», erklärt Markus Wilhelm.

Nachteile überwiegen Vorteile

Trotzdem bleiben Transplantationen die bevorzugte Langzeittherapie für Personen mit weit fortgeschrittener Herzschwäche. Denn noch immer haben Kunstherzen einige entscheidende Nachteile – allen voran die Stromversorgung. Denn auch bei den heute üblichen Modellen sind die Batterien noch nicht so ausgereift, als dass man sie im Körper implantieren könnte. Wer ein Kunstherz hat, muss daher stets eine kleine Tasche mit sich tragen, in der Steuerung und Stromversorgung untergebracht sind. Nach 17 Stunden müssen die Batterien an die Steckdose. Das bedeutet auch: Die Batterie in der Tasche ist über ein Kabel in der Bauchregion mit der Herzpumpe verbunden. Der Kabelzugang ist anfällig für Infektionen – eine problematische Schwachstelle, erklärt Wilhelm.

Röntgenbild eines implantierten Kunstherzens mit Kabeln.Wikimedia Commons / 7asmin

Röntgenaufnahme von einem Kunstherz nach der Implantation (rechts unten): Die runde Pumpe ist an die Herzadern angeschlossen.

Das zweite Gesundheitsrisiko ist die Funktionsweise der Pumpe selbst: Im Gegensatz zum natürlichen Herz, das sich beim Pumpen zusammenzieht, treibt im Kunstherz ein Motor eine Pumpe an. Auch wenn die Technik zu früheren Generationen grosse Fortschritte gemacht hat: Das mechanische Herz pumpt brachialer. Das schädigt die Blutkörperchen, was wiederum das Risiko für gefährliche Blutgerinnsel – Verstopfungen der Adern – erhöht und schlimmstenfalls einen Schlaganfall verursachen kann. Menschen mit künstlichem Herzen sind daher Zeit ihres Lebens auf blutverdünnende Medikamente angewiesen.

Riskante Herztransplantation

Doch auch transplantierte Herzen bergen Risiken: Um eine Abstossung des Organs zu verhindern, muss das Immunsystem unterdrückt, also supprimiert, werden. «Diese Immunsuppression ist nicht zu unterschätzen», betont Wilhelm: Die Medikamentenvergabe nach der Transplantation gleiche oft einer Gratwanderung. Denn Immunsuppressiva erhöhen das Risiko von Krebs, Lungenentzündungen und anderen Infektionskrankheiten. Ist der Effekt hingegen zu gering, stösst der Körper das Spenderorgan ab. Bei künstlichen Herzen ist die Immunsuppression hingegen nicht notwendig. Für Menschen, deren Immunsystem bereits angegriffen ist, sind Kunstherzen daher besser geeignet.

Auch wenn die Immuntherapie anspruchsvoll ist: Die Transplantation bleibt bislang die bevorzugte Behandlungsmethode: Die Lebensqualität mit einem echten Herzen – ohne lebenslang auf eine Batterietasche angewiesen zu sein – bleibt insgesamt höher als bei einem Kunstherz. Heute spielen daher beide Therapien – Kunstherz und Transplantation – eine wichtige Rolle. «Wer älter als 65 Jahre alt ist und ein neues Herz braucht, bekommt in der Regel ein Kunstherz», sagt Wilhelm. Einerseits steigt mit dem Alter das Risiko einer Herztransplantation, da ältere Patienten häufiger mehr Begleiterkrankungen haben, die eine Herztransplantation und ihre Nachbehandlung risikoreicher machen als die Implantation eines Kunstherzens. Dass Kunstherzen häufig eingesetzt werden, liegt auch am Mangel an Spenderorganen: «Wir versorgen lieber die jüngeren Patienten, die noch eine höhere Lebenserwartung haben, mit Spenderherzen», sagt der Transplantationsspezialist.

Leber, Lunge, Niere: Ein weiter Weg zum Kunstorgan

Das Herz liegt in der Schweiz nur auf Rang vier der häufigsten Transplantationen: 2021 erhielten 33 Menschen ein Spenderherz. Häufiger transplantiert wurden Lunge (42), Leber (151) und Niere (362). Diese Organe unterscheiden sich grundsätzlich vom Herzen: Während das Herz als Pumpe vor allem eine mechanische Funktion hat, sind Lunge, Leber und Niere Stoffwechselorgane. Damit sind auch die Herausforderungen für derartige künstliche Organe völlig anderer Art. Insgesamt ist die Entwicklung implantierbarer Kunstorgane deutlich weniger weit fortgeschritten als beim Herzen – noch häufiger als beim Kunstherz bleibt es eine Brückentherapie, um die Wartezeit auf ein Spenderorgan zu überbrücken.

Die Funktion der Niere wurde als erstes künstlich ersetzt: Bereits 1924 begann die Entwicklung der Dialyse. Bis heute sind Dialysemaschinen jedoch sperrig – Betroffene müssen sich zur Behandlung an ein Gerät anschliessen. In den USA befindet sich eine implantierbare künstliche Niere in Entwicklung, doch die Studien befinden sich noch in der Frühphase.

Die Funktion der Leber kann analog zur Niere durch die Leberdialyse ersetzt werden. Auch hierbei handelt es sich bislang um grössere Geräte – eine implantierbare Kunstleber ist nicht in Aussicht. Dafür kann die Leberdialyse in manchen Fällen eine Transplantation umgehen: Mit genügend Zeit, sich zu regenerieren, kann sich das Organ manchmal erholen.

Auch die Lunge kann durch Maschinen ersetzt werden. Diese sind jedoch ebenfalls deutlich zu gross für eine Implantation und eigenen sich daher nicht für eine dauerhafte Nutzung. In Deutschland beschäftigt sich daher ein Forschungsprojekt mit einer dauerhaft implantierbaren künstlichen Lunge . Die Entwicklung befindet sich noch in der Frühphase. Bis zur Marktreife könnte es noch zwanzig Jahre dauern.

Eine Zukunft ohne Transplantation?

Eines Tages soll die Technik so weit sein, dass gar keine Spenderorgane mehr benötigt werden. Daran wird unter anderem in Zürich geforscht: Im Rahmen des Projekts Zurich Heart arbeiten Forschende von ETH und Universität Zürich aus verschiedensten Disziplinen daran, die Schwächen der aktuellen Systeme auszumerzen: Die Verbindung vom Innenraum des Körpers zum Gerät ausserhalb soll wegfallen, indem man eine Batterie nahe dem Kunstherz unter der Haut platziert. Kunstherzen sollen zudem näher an das Leistungsniveau von natürlichen Herzen kommen. Und neue Oberflächen für die Pumpe sollen das Risiko der Bildung von Blutgerinnseln verringern.

Damit würde das Kunstherz zur echten Alternative zur Transplantation. Doch wann es so weit ist, wagt Herzchirurg Markus Wilhelm nicht zu vorauszusagen: «Vor zehn Jahren dachte man, es wäre bald so weit Heute ist aber immer noch kein derartiges Gerät in für den Einsatz bei den Erkrankten in Sichtweite.» Denn noch immer sind die technischen Herausforderungen dafür ungenügend gelöst. Ein Kunstherz, das ohne externe Geräte auskommt, wäre ein grosser Schritt, betont Wilhelm. Bis es so weit ist, bleibt die Transplantation jedoch unentbehrlich.

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