Das musst du wissen

  • Tropische Nächte, die auf den Klimawandel zurückgehen, sorgen weltweit dafür, dass wir weniger schlafen.
  • Vor allem das Einschlafen fällt uns schwer – weil es für den Körper schwieriger ist, bei Hitze Wärme abzugeben.
  • Eine Schlafforscherin sagt, warum eine lauwarme Dusche mehr bringt als eine kalte – und was sonst noch hilft.
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Sie sind die unbeliebte Kehrseite von heissen Sommertagen: Tropische Nächte, in denen wir uns schlaflos zwischen den Laken wälzen. Bis wir endlich einschlafen, dauert es nicht nur gefühlt eine Ewigkeit, und am Morgen danach fühlen wir uns ausgelaugt und übermüdet. Und das immer häufiger: Denn mit dem Klimawandel nimmt auch in der Schweiz die Zahl der Tropennächte zu. Weil wir in solchen Nächten schlechter und weniger schlafen, fehlen uns weltweit betrachtet bereits jetzt durchschnittlich 44 Stunden Schlaf pro Person und Jahr. Bis zum Ende des Jahrhunderts könnten es bereits 58 Stunden Schlafmangel sein. Dies haben Forschende der Universität Kopenhagen kürzlich berechnet: In einer gross angelegten Studie werteten sie über den Zeitraum von zwei Jahren hinweg Daten von Sportuhren zur Schlaferkennung von 48 000 Personen aus fast siebzig Ländern aus.

Science-Check ✓

Studie: Rising temperatures erode human sleep globallyKommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsDie Studie stützt sich auf einen überdurchschnittlich grossen Datensatz aus Ländern weltweit, was eine grosse Stärke der Untersuchung ist. Eine Einschränkung betrifft die Methodik: Der Schlaf der Probanden wurde anhand von Fitnessuhren bewertet, welche die Teilnehmenden im Schlaf am Handgelenk trugen. Diese erfassen laut Schlafforscherin Christine Blume jedoch nur Bewegung und Ruhe – geben also vor allem Auskunft über die Zeit, die ruhig im Bett verbracht wurde, statt über die effektive Schlafdauer. Um die Schlafdauer oder auch Schlafunterbrüche zu erfassen, wären Messungen der Hirnströme (EEG) erforderlich. Daher würden die hitzebedingten Schlafprobleme in der Studie möglicherweise unterschätzt, sagt Christine Blume.Mehr Infos zu dieser Studie...

Drei Prozent weniger Schlaf pro Nacht 

Das Resultat der Studie – 44 Stunden hitzebedingter Schlafmangel pro Person und Jahr – muss laut Schlafforscherin Christine Blume vom Zentrum für Chronobiologie der Universität Basel in einen Kontext gesetzt werden. Im ersten Moment klinge das nach sehr viel, aber: Aussagekräftiger sei der Schlafmangel pro Nacht. Dieser liegt in der genannten Studie im Schnitt bei bis zu knapp einer Viertelstunde. «Wenn wir das auf eine Nacht mit acht Stunden Schlaf hochrechnen, sind wir bei einem Verlust von etwa drei Prozent», skizziert Blume. «Und wir sprechen hier von sehr warmen Nächten, also solchen über dreissig Grad». Anschaulicher sei das Zahlenbeispiel auf eine Population von 100 000 Erwachsenen hochgerechnet. Dann würde eine nächtliche Minimaltemperatur von über 25 Grad dazu führen, dass 4600 Personen weniger als sieben Stunden Schlaf bekommen. In der Schweiz mit aktuell vielleicht zehn Tropennächten pro Jahr sei dies noch tolerierbar, findet Christine Blume. Akuter sei die Situation natürlich für Menschen in wärmeren Klimazonen, die laut der Studie auch stärker betroffen sind: Ein Grad Temperaturanstieg in der Nacht fällt bei einer generell höheren Ausgangstemperatur viel stärker ins Gewicht als bei tieferen Temperaturen.

Der Körper muss abkühlen, damit wir einschlafen

Doch warum schlafen wir an heissen Tagen eigentlich schlechter? Christine Blume erklärt: Wenn die Temperaturen nachts nicht zurückgehen und die Luftfeuchtigkeit eventuell zusätzlich noch hoch ist, funktionieren die Kühlungsmechanismen des Körpers nicht mehr richtig. Die Körpertemperatur muss aber in der Nacht zwingend absinken, damit wir überhaupt einschlafen können. Diese Wärmeabgabe funktioniert unter anderem über die Hände und Füsse, die eine grosse Fläche bieten und in denen ein feines Geflecht an Blutgefässen nah an der Oberfläche liegt. Das Hormon Melatonin, das in der Dunkelheit ausgeschüttet wird, weitet die Blutgefässe in Händen und Füssen, damit der Körper Wärme abgeben kann und macht uns wohl dadurch auch müde. Wichtig zu wissen: Unsere Körpertemperatur passt sich der Temperatur der Umgebung in ihrem Tag- und Nacht-Rhythmus an. Tagsüber liegt sie im Schnitt bei 37,5 Grad, nachts bei rund 36,5 Grad. Diese Anpassung macht Sinn: Denn bei geringer Temperaturdifferenz zwischen dem Innen und dem Aussen muss der Körper am wenigsten Arbeit leisten, um den Unterschied zu kompensieren. Nach heissen Sommertagen aber machen es hohe Umgebungstemperaturen dem Körper schwerer, abzukühlen, um in den Schlafmodus zu kommen. Folglich haben wir vor allem Probleme beim Einschlafen.

«Im Gegensatz zu mehr Hitzetoten im Sommer wird die Klimaerwärmung mit den Schlafproblemen die breite Masse treffen – also jeden einzelnen von uns.»

Besonders betroffen von diesem Problem sind – nebst Menschen in wärmeren Klimazonen – Frauen und ältere Personen. Warum der biologische Unterschied? Das kann die erwähnte Studie nicht klären. Doch Frauen haben mehr unter der Haut liegendes, sogenannt subkutanes Fettgewebe, sind also durch diese Fettschicht besser natürlich isoliert. Deswegen können sie Wärme im Körper schlechter abgeben. «Männer tun sich damit, anatomisch bedingt, meist leichter», sagt Christine Blume. Und ältere Menschen hätten tendenziell ebenfalls ein eher höheres Durchschnittsgewicht und seien dadurch vielleicht ähnlich benachteiligt wie Frauen. «Es ist aber so, dass Frauen und ältere Menschen grundsätzlich schlechter schlafen – sie sind generell häufiger von Schlafstörungen betroffen», betont die Schlafforscherin. Bei diesen Personengruppen sei der Schlaf anfälliger gegenüber ganz verschiedenen Einflüssen – psychischen oder auch körperlichen. Gut möglich also, dass sie deswegen auch empfindlicher auf hohe Temperaturen reagieren.

Besser lauwarm als kalt duschen 

Was aber können Hitzegeplagte tun, damit sie auch im Hochsommer zum wohlverdienten Schlaf finden? Ein Geheimrezept hat auch Schlafforscherin Christine Blume nicht: «Grundsätzlich hilft alles, was die Wärmeabgabe des Körpers erleichtert», sagt sie. Hilfreich und vor allem in südlichen Ländern verbreitet sind Deckenventilatoren, die einen konstanten Luftstrom erzeugen. Dieser sorgt dafür, dass Wärme vom Körper abtransportiert wird. Die ideale Umgebungstemperatur zum Schlafen beträgt übrigens zwischen 16 und 18 Grad. Ob man dies mit spätabendlichem Lüften, Schlafen bei offenem Fenster oder einer Klimaanlage erreicht, ist letztlich von den persönlichen Vorlieben abhängig. Kühlend ist laut Christine Blume auch eine lauwarme Dusche vor dem Zubettgehen – besser als eine eiskalte, denn sonst fange der Körper an, zu kompensieren und produziere wiederum Wärme. Auch etwas Simples wie ein kühlendes Fussbad ist zu empfehlen. Oder man hält Hände und Unterarme für ein paar Minuten in ein kühles Wasserbecken.

Selbsterklärend sei ein dünnes Laken statt der dicken Daunendecke, sagt die Schlafforscherin – wer es mag, kann auch ganz darauf verzichten. Wobei sich viele Menschen vielleicht «geschützter» fühlen, wenn sie sich mit etwas zudecken können. Ähnlich verhält es sich mit dem Pyjama. Wer trotzdem lieber das Laken direkt auf der Haut hat, dem sei empfohlen, ein T-Shirt zumindest griffbereit zu haben. Denn sonst fangen wir laut Christine Blume in den frühen Morgenstunden gerne an zu frieren – gegen drei, vier Uhr morgens – weil dann die Körpertemperatur am tiefsten ist und langsam wieder ansteigt. Gut eignen sich übrigens Pyjamas aus feinster Merinowolle: Dieses Material nimmt zum einen Feuchtigkeit auf, wenn wir nachts schwitzen, und trocknet schnell. Zum anderen hat Merino eine temperaturregulierende Eigenschaft – in beide Richtungen: Es wärmt, kühlt aber auch. Unterm Strich empfiehlt Christine Blume, bei all diesen Tipps nicht zu dogmatisch vorzugehen, sondern am besten auf seinen Körper zu hören: Was tut mir gut, worauf habe ich Lust? «Wenn das ein eiskaltes Mineralwasser aus dem Kühlschrank ist, darf einem auch mal egal sein, ob das jetzt gemeinhin empfohlen wird oder nicht», sagt sie schmunzelnd.

Eine Frau sitzt auf dem Bett vor einem Ventilator und trinkt ein Glas Wasser.Shutterstock/antoniodiaz

Damit wir einschlafen können, muss unsere Körpertemperatur zwingend abkühlen.

Dem Klimawandel können wir nicht entfliehen

Dass die Menschen wegen der klimabedingten Erwärmung weltweit weniger schlafen, sollte uns nachdenklich machen, sagt Christine Blume: «Es zeigt, wie sehr die Herausforderung Klimawandel uns alle und in Zukunft immer mehr betreffen wird – auf ganz verschiedenen Ebenen.» Der Schlaf sei nur eine von vielen negativen Auswirkungen. Vor allem eine, der sich niemand entziehen könne. «Im Gegensatz zu mehr Hitzetoten im Sommer wird die Klimaerwärmung mit den Schlafproblemen die breite Masse treffen – also jeden einzelnen von uns», sagt sie.

Dass Menschen zunehmend schlechter schlafen – aus ganz verschiedenen Gründen – zeichnet sich schon länger ab, schildert Christine Blume. Zu beobachten sei diese Entwicklung seit mindestens zwanzig Jahren. Zwar sind wir heute sensibilisierter und gehen bei Schlaf- und damit oft verbundenen psychischen Problemen eher zum Arzt als früher, sagt die Schlafforscherin. «Nicht zuletzt, weil dies auch gesellschaftlich akzeptierter ist.» Zugenommen hat die Zahl der Menschen mit Schlafproblemen zuletzt während der Corona-Pandemie. Hier seien verschiedene Belastungsfaktoren zusammengekommen, sagt Christine Blume: Existenzängste, Stress, gesundheitliche Sorgen, und so weiter. «Dies wirkt sich natürlich auf die Schlafqualität aus.» Einen Einfluss hätten aber auch andere Faktoren wie die ständige Erreichbarkeit, die unsere Gesellschaft zunehmend verlange. «Das fördert Schlafprobleme», weiss Christine Blume. «Und wir verbringen tendenziell zu viel Zeit in geschlossenen, vielleicht sogar abgedunkelten Räumen.» Letzteres tut unserer inneren Uhr nicht gut – denn die möchte möglichst grosse Kontraste zwischen den Lichtverhältnissen von Tag und Nacht. «Wenn sich alles mehr oder weniger auf der gleichen Ebene abspielt, fehlt diese natürliche Amplitude», sagt die Schlafforscherin. «Der Körper ist verwirrt, wenn er zu wenig Tageslicht bekommt. Denn unsere innere Uhr hat sich unter freiem Himmel entwickelt – und nicht in Büros unter Kunstlicht.»

Am besten gehst du nach dem Lesen dieses Artikels also kurz im Freien spazieren und tankst viel Sonne und Tageslicht. Abends dann ein Fussbad, gut lüften, und ab ins Bett. higgs wünscht angenehme Träume!

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