Das musst du wissen

  • Die Schweiz ist immer nur noch eingeschränkt Teil von Horizon Europe.
  • Nun haben die Initianten der Kampagne «Stick to Science» einen Brief an die EU-Kommissionspräsidentin geschickt.
  • Darin betonen sie: Mit Blick auf Herausforderungen wie den Klimawandel müssten die Forschenden zusammenarbeiten.

Im Februar 2022 startete die Spitze der schweizerischen Bildungs-, Forschungs- und Innovationslandschaft eine ehrgeizige Kampagne. Diese trägt den Namen «Stick to Science» und soll die europäischen Behörden davon überzeugen, die Schweiz und Grossbritannien wieder in Horizon Europe – das Rahmenprogramm der EU für Forschung und Innovation – aufzunehmen. Am 22. Juni schalteten die Initianten der Kampagne einen Gang zurück und forderten die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, in einem offenen Brief auf, «dringend in dieser entscheidenden Frage zu intervenieren».

Warum die Situation festgefahren ist. Grossbritannien und die Schweiz sind von Horizon Europe ausgeschlossen – im ersten Fall wegen des Brexit, im zweiten Fall wegen des Scheiterns der Verhandlungen über das Rahmenabkommen. Zwar gleicht Bern die von Schweizer Teams verlorenen EU-Fördermittel aus. Doch zwischen Kooperation und Wettbewerb ist die Forschung ein kollektives Unterfangen, wie Antoine Petit, Direktor des CNRS (Frankreich), im Februar betont: «Niemand kann Champion werden, wenn er allein spielt». Wenn die Schweizer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu Hause isoliert sind, besteht die Gefahr, dass sie aus der Forschungswelt ausgeschlossen werden.

Die Folgen sind bereits spürbar: Eine am 21. Juni veröffentlichte Umfrage des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation (Sefri) zeigt, dass sich die Situation im Vergleich zur vorherigen Periode verschlechtert hat. Die befragten Forschenden sprachen zum Beispiel davon, dass sie von bestimmten, strategisch wichtigen Bereichen von Horizon Europe ausgeschlossen wurden. Oder dass sie aktuell nicht in der Lage sind, Projekte zu koordinieren. Zudem sei es schwierig, Zugang zu Projekten zu erhalten, die eine Zusammenarbeit mit anderen europäischen wissenschaftlichen Einrichtungen bedeuten.

… und warum sich das ändern könnte. Mit dem Krieg in der Ukraine hat sich der Kontext geändert. Die Schweiz hat sich trotz ihres heiligen Neutralitätsprinzips den europäischen Sanktionen gegen Russland angeschlossen.

«Niemand kann Champion werden, wenn er allein spielt.»

In dem Brief schreiben Michael Hengartner (Präsident des ETH-Rats), Jeremy Farrar (Direktor des Wellcome Trust), Joël Mesot (Präsident der ETH Zürich), Adrian Smith (Präsident der Royal Society), Martin Vetterli (Präsident der EPFL) und Steve West (Vorsitzender von Universities UK):

«Die Assoziierung des Vereinigten Königreichs und der Schweiz mit Horizon Europe ist derzeit mit weitergehenden politischen Fragen verknüpft. Diese sind zwar von grosser Bedeutung, haben aber nichts mit der Wissenschaft zu tun. Während wir mit dem sehr realen und drängenden Risiko konfrontiert sind, dass Horizon Europe ohne zwei seiner engagiertesten Partner weitergeführt werden könnte, betonen wir, dass die Zusammenarbeit in der Forschung für uns alle von Vorteil ist.»

Die Erbsünde. Rechtlich gesehen hat der Ausschluss der Schweiz von Horizon Europe nichts mit dem Scheitern der Verhandlungen über das Rahmenabkommen zu tun. Tatsächlich hat die Schweiz bereits in der Vergangenheit vom Status eines mit Horizon Europe assoziierten Landes profitiert – wenn man von einer stürmischen Zeit zwischen 2014 und 2016 absieht, als der Zugang der Schweiz zum vorherigen Forschungsprogramm (Horizon 2020) eingeschränkt wurde.

Doch in diesem Fall wurde die Wissenschaft zur Geisel der Politik. Denn die Schweiz ist zwar nicht Mitglied der EU, hat aber bislang zum Kohäsionsbudget des europäischen Blocks beigetragen. Die EU-Forschungskommissarin Mariya Gabriel erinnerte gegenüber dem Fachmedium Science Business an die Bedingungen, die Brüssel stellte, um seine Haltung zu einem Schweizer Verein zu überdenken:

  • Die Schweiz muss sich finanziell an der EU-Kohäsionspolitik beteiligen. Dies ein Beitrag, den das Schweizer Parlament 2019 blockiert hatte, nachdem die Kommission EU-Banken und -Brokern den Handel an der Schweizer Börse verboten hatte.
  • Die Schweiz muss sich ihrem Binnenmarkt anpassen,
  • und sie muss die Freizügigkeit von Personen in der EU ermöglichen.

Längst nicht alle diese Punkte sind in den bilateralen Beziehungen zwischen der Schweiz und ihrem europäischen Nachbarn geregelt. Livia Leu, die Chefunterhändlerin des EDA bei der Europäischen Union, hat im Februar ein Paket vorgelegt und auf die Forderungen Brüssels nach Klarstellungen reagiert. Der Bundesrat muss nun die Gespräche im Hinblick auf eine mögliche Wiederaufnahme der Verhandlungen intensivieren. Die Gespräche über Horizon Europe sind seit letztem Jahr ins Stocken geraten, stellt Science Business fest.

Dieser Beitrag wurde erstmals auf Heidi.news veröffentlicht. Er wurde von unserer Redaktorin Ramona Nock aus dem Französischen übersetzt.

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Hier gibt es Wissenswertes aus der Westschweiz. Die Beiträge stammen von unserem Partner-Portal Heidi.news, wir haben sie aus dem Französischen übersetzt. Heidi.news ist ein Online-Portal, das im Mai 2019 lanciert wurde und das sich unter anderem auf die Berichterstattung über Wissen und Gesundheit spezialisiert. Die Partnerschaft zwischen Heidi.news und higgs ist durch eine Kooperation mit dem Schweizerischen Nationalfonds SNF entstanden.
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