Das musst du wissen
- Um das Ende einer Lebensphase zu analysieren, haben Psychologinnen das Konzept eines abgerundeten Endes entwickelt.
- Gemeint ist ein Abschied, bei dem wir das Gefühl haben, in vollem Umfang mit etwas abgeschlossen zu haben.
- Bei einem solchen Ende fällt es uns leichter, nach vorn zu blicken, zeigen verschiedene Experimente.
«Why do all good things come to an end?», haucht die portugiesisch-kanadische Sängerin Nelly Furtado melancholisch ins Mikrofon – eine fast schon philosophische Frage. Flammen werden zu Staub, Liebende zu Freunden, Lebensphasen gehen zu Ende. In unserem Alltag gibt es immer wieder Momente, in denen wir uns von Menschen oder Situationen verabschieden, Beziehungen oder Jobs beenden und zu neuen Ufern aufbrechen. Nach vorn schauen, lauten dann gut gemeinte Ratschläge. Nicht immer funktioniert das gleich gut. Manchmal fällt uns das Weitergehen leichter, manchmal kämpfen wir richtiggehend damit, dass ein Kapitel zu Ende geht. Woran liegt das?
Dieser Frage hat sich ein Team von Psychologinnen von den Universitäten Hamburg und Bielefeld gewidmet. Ihre Studie zum Thema Abschied nehmen und loslassen haben sie im Fachmagazin Motivation Science publiziert. Für ihre Untersuchung führten sie das Konzept eines abgerundeten Endes ein. Gemeint ist ein Ende, das uns ein Gefühl des Abschlusses gibt – im Gegensatz zu einer unfertigen, noch nicht zu Ende empfundenen Lebensphase. «Hilft uns Ersteres beim Übergang zu einem neuen Kapitel?», fragten sich die Forscherinnen. Und stellten die Hypothese auf, dass ein solch «erfolgreicher» Abschluss für die Betroffenen mit weniger Bedauern verbunden sei. Unterm Strich lasse dies eher positive statt negative Gefühle zurück. Zudem vermuteten sie, dass ein abgerundetes Ende uns einfacher ein neues Wegstück beschreiten lasse. Denn psychologisch unvollständige Erfahrungen bleiben laut Forschungen auch eher in unserem Gedächtnis haften als Ereignisse oder Phasen, die wir als abgeschlossen empfinden.
Science-Check ✓
Studie: Saying Goodbye and Saying It Well: Consequences of a (Not) Well-Rounded EndingKommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsDie Studie stützt sich auf einen grösseren Datensatz von rund 1200 Personen und beinhaltet mehrere Experimente, was sie aussagekräftig macht. Inhaltlich ist anzumerken, dass die Ergebnisse auf Selbsteinschätzungen der Teilnehmenden basieren. Ausserdem könnten die abgerundeten Enden der bewerteten Situationen per se positivere Schlussstriche widerspiegeln.Mehr Infos zu dieser Studie...Bedauern oder Leichtigkeit – was dominiert?
Insgesamt sieben Experimente mit rund 1200 Personen führten die Psychologinnen durch, um ihre Fragen zu beantworten und ihre Hypothesen zu testen. So befragten sie Studierende, die an einem internationalen Austauschprogramm teilgenommen hatten, mit welchem Gefühl sie ihren Auslandsaufenthalt beendet hatten – und welche Folgen dies in ihrer nächsten Lebensphase hatte. Gleiches galt für Studierende, die frisch ihren Schulabschluss in der Tasche hatten. Auch über individuell bedeutende Phasen wie das Ende einer Schwangerschaft berichteten die Teilnehmenden. Weiter bekamen sie Texte mit fiktiven Lebensgeschichten zu lesen: zum Beispiel über eine Person, die für eine neue Arbeitsstelle aus ihrer Heimatstadt weggezogen war. Die Geschichte zeigte entweder ein plausibles oder ein weniger einleuchtendes Ende. Die Freiwilligen bewerteten, wie stark sich bei ihnen jeweils ein Gefühl des Bedauerns respektive der Leichtigkeit einstellte. Ausserdem nahmen sie an Gesprächssituationen teil, die entweder schlüssig oder abrupt endeten. Auch hier liessen die Forscherinnen die Personen das Erlebte bewerten.
Die Ergebnisse sind eindeutig: Wer nach dem Schlussstrich einer prägenden Phase den Eindruck hat, alles getan zu haben, was er tun konnte, und alle losen Enden verknüpft zu haben, kann leichter Abschied nehmen und nach vorn blicken. Dies unabhängig davon, ob ein Ende selbst gewählt ist – zum Beispiel die Entscheidung, den Partner oder die Partnerin zu verlassen – oder von aussen auferlegt wird – etwa beim Ende des Studiums oder Schulabschlusses. Wer das Gefühl hat, etwas in vollem Umfang abgeschlossen zu haben, kann einfacher mit einem positivem Blick weitergehen und «unbelastet» in eine neue Phase aufbrechen, schlussfolgern die Psychologinnen.
Gekämpft – bis zum Schluss
Was heisst das nun für unser persönliches Abschiednehmen von higgs? Auch hier können wir wohl von einem abgerundeten Ende sprechen. Wir haben bis zuletzt gekämpft – ums Überleben, um finanzielle Unterstützung, darum, weitermachen zu dürfen. Dass diese Reise nun trotzdem zu Ende geht, lag letztlich nicht in unseren Händen. Das hilft uns, loszulassen und neue Wege einzuschlagen. In diesem Sinne blicken wir nach vorn und sagen schweren Herzens Adieu. Danke, dass du uns gelesen hast.