Das musst du wissen

  • Viele Entscheidungen beinhalten eine Risikoabschätzung – aber nicht immer ist die Wahrscheinlichkeit bekannt.
  • Daher sind wir oft auf unsere Intuition angewiesen, welche bei der Entscheidungsfindung sehr hilfreich ist.
  • Mehr ist nicht immer besser: Die erstbeste Entscheidung ist manchmal besser als die bestmögliche.

Soll ich den Job wechseln? Wohin soll der Wochenendauflug gehen? Was esse ich zu Mittag? Tagtäglich treffen wir eine Unmenge an Entscheidungen – manchen Forschenden zufolge schätzungsweise bis zu 35 000. Kein Wunder also, wenn uns da die eine oder andere Entscheidung schwerfällt. Den Prozess besser zu verstehen kann dabei helfen, sich schneller und besser zu entscheiden.

Risiko oder Unsicherheit?

Eine erste wichtige Erkenntnis ist: Nicht jede Entscheidung ist gleich bedeutsam. Denn ob ich nun Pasta oder doch ein Sandwich zu Mittag esse, spielt langfristig kaum eine Rolle. Bei der Auswahl des Mittagessens weiss ich normalerweise auch direkt, was ich bekomme, und die Entscheidung hat keine schwerwiegenden Konsequenzen. «Bei diesem Beispiel handelt es sich um eine präferenzielle Entscheidung», erklärt Sebastian Horn, Wissenschaftler am Psychologischen Institut der Universität Zürich. Viele Entscheidungen bergen aber ein Risiko, sei es noch so gering, und sind damit mit einer Risikoabschätzung verbunden. Wer sich diesen Abwägungsprozess klar macht, kann damit die eigene Entscheidungsfindung positiv beeinflussen.

«Wenn ich die möglichen Ausgänge aber nicht kenne oder wenig Zeit habe, muss ich eine Entscheidung unter Unsicherheit fällen. Dann muss ich mich auf mein Bauchgefühl verlassen.»Sebastian Horn, Psychologe

Manchmal ist das Risiko bekannt: Wer sich beispielsweise beim Roulette für schwarz entscheidet, kann die Wahrscheinlichkeiten ganz genau berechnen. Auch bei der Entscheidung für eine Impfung stehen statistische Daten zur Verfügung. Doch oftmals ist das Risiko völlig ungewiss, beispielsweise bei der Frage nach dem richtigen Job oder einer geeigneten Person für eine Partnerschaft. Wir kennen weder alle möglichen Ausgänge noch die damit verbundenen Wahrscheinlichkeiten. Hierbei spricht die Wissenschaft nicht von Entscheidungen unter Risiko, sondern von Entscheidungen unter Unsicherheit.

Verschiedene Strategien für verschiedene Entscheidungen

Das Wissen, wie die Risiken oder Unsicherheiten einer Entscheidung aussehen, ist für eine gute Entscheidungsfindung essenziell. Es lohne sich also, bei einer schwierigen Entscheidung einige Fragen zur Situation stellen, erklärt Sebastian Horn. Mit welcher Art von Entscheidung habe ich es zu tun? Welche Informationen stehen mir zur Verfügung? Wie viel Zeit habe ich? Damit kann man sich dann die richtigen Strategien überlegen: «Wenn ich viel Zeit habe und weiss, dass ich die Wahrscheinlichkeiten der möglichen Ausgänge gut einschätzen kann, kann ich in Ruhe auch alle Möglichkeiten auflisten, um einen Weg zu finden, der am ehesten zum Ziel führt», erklärt Horn. «Wenn ich die möglichen Ausgänge aber nicht kenne oder wenig Zeit habe, muss ich eine Entscheidung unter Unsicherheit fällen. Dann muss ich mich auf mein Bauchgefühl verlassen.»

Sich auf das Bauchgefühl zu verlassen bedeutet keinesfalls, dass man eine Entscheidung dem Zufall überlässt. Wenn nicht alle relevanten Informationen zur Verfügung stehen, nutzt man sein begrenztes Wissen um dennoch zu einer Entscheidung zu kommen. Wir alle nutzen – bewusst oder unbewusst – diese Strategien, die die Wissenschaft als «Heuristiken» kennt. «Diese intuitiven Entscheidungen führen oft zu erstaunlich guten Ergebnissen», bemerkt Sebastian Horn. Und: «Mit wachsender Erfahrung lernen wir, wann es sich lohnt, sich auf das Bauchgefühl zu verlassen». Dies konnte der Entscheidungsforscher in einer Studie zeigen, in der er den Einfluss von Lernprozessen auf Heuristiken untersuchte. Anscheinend schärfen wir unsere Intuition mit jeder Entscheidung, ob gut oder schlecht.

Nicht zu lange grübeln

Doch gerade bei den besonders schweren Entscheidungen tendieren wir dazu, diese immer wieder zu überdenken. Wir versuchen, alle Risikofaktoren miteinzubeziehen und die bestmögliche Entscheidung zu finden. Diese Strategie wird «Maximizing» genannt. Aber oftmals führt eine andere Strategie, das «Satisficing», zu einem besseren Resultat: «Satisficing» bedeutet, dass man sich mit der ersten Lösung begnügt, die ein genügend gutes Resultat liefert. «Leute, die beispielsweise bei der Partnerwahl die Satisficing-Strategie einsetzen, sind oftmals zufriedener als solche, die ewig lange nach der optimalen Person suchen», sagt der Experte. Denn gerade wenn ein Entscheidungsprozess lange dauert, koste das viel Energie. Hilfreicher wäre dann häufig eine Entscheidung, die vielleicht nicht perfekt, dafür aber schneller getroffen ist. Schnell heisst dabei nicht überhastet.

Auch die aktuelle Gefühlslage beeinflusst unser Entscheidungsvermögen und unsere Intuition. Wenn wir beispielsweise wütend sind, schätzen wir Risiken optimistischer ein – Angst hingegen führt zu einem pessimistischeren Risikoverhalten. Wer müde, erschöpft oder in einem Motivations-Tief ist, dessen Wahrnehmung sei ebenfalls beeinflusst, ergänzt Horn: «Es ist wichtig, zu bedenken, in welchem Zustand man eine Entscheidung trifft.» Noch einmal über eine Entscheidung zu schlafen, wie es schon der Volksmund empfiehlt, kann also tatsächlich hilfreich sein.

Science-Check ✓

Studie: Fear, Anger and RiskKommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsDie Stude, die auf vier Experimenten basiert, erschien bereits vor zwanzig Jahren, sie wird jedoch bis heute wissenschaftlich zitiert, was bedeutet, dass die Erkenntnisse nach wie vor gelten. Mit dem Fokus auf Angst und Wut beschränkt sie sich auf einen kleinen Teilbereich der Emotionen. Untersucht wurden dabei lediglich Studierende und damit keine für die Gesamtbevölkerung repräsentative Gruppe.Mehr Infos zu dieser Studie...

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