Das musst du wissen

  • Die Organisation Zewo prüft die Vertrauenswürdigkeit von Spendenorganisationen in der Schweiz.
  • In unübersichtlichen Situationen wie einem Krieg sind Spenden bei etablierten Hilfswerken am besten aufgehoben.
  • Geldspenden helfen Wohlfahrtsorganisationen im Moment mehr als Sachspenden, da sie flexibler einsetzbar sind.

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Die Invasion der Ukraine durch das russische Militär schockiert Menschen in ganz Europa. Angesichts der dramatischen Lage wollen auch viele Menschen in der Schweiz helfen, den Betroffenen in der Ukraine Schutz und Sicherheit zu bieten. «Die Solidarität in der Schweiz ist momentan riesig», sagt Martina Ziegerer. Sie ist Geschäftsleiterin von Zewo, der Zertifizierungsstelle von Wohlfahrtsorganisationen in der Schweiz. Hier können Hilfswerke ein Qualitätssiegel beantragen, welches die Vertrauenswürdigkeit belegen soll. «In so einer Krisensituation wie jetzt ist es nicht einfach, den Überblick zu behalten, wie man selbst den Menschen in der betroffenen Region am besten helfen kann», sagt sie. Deshalb hat die Zewo eine Übersicht mit seriösen Schweizer Hilfswerken erstellt, die derzeit in der Ukraine und im Grenzgebiet im Einsatz sind. Darauf finden hauptsächlich etablierte, grosse Hilfswerke mit internationalem Netzwerk wie Caritas, das Rote Kreuz und die Heilsarmee. «Gerade bei einer humanitären Katastrophe ist Kompetenz bei den Hilfswerken enorm wichtig – die Organisationen sollten Erfahrung in Kriegsgebieten haben und vor Ort vernetzt sein, um sinnvoll helfen zu können», so Ziegerer.

Integre Hilfswerke legen ihre Finanzen offen

Doch bei der aktuell hohen Hilfsbereitschaft bitten auch zahlreiche kleine, nicht zertifizierte Organisationen in Spendenaufrufen, Kettenbriefen und Petitionen um Unterstützung. Wie erkenne ich, ob mein Geld bei diesen Hilfswerken gut aufgehoben ist? «Auch wenn Transparenz und Evaluation im Moment, wenn schnell geholfen werden muss, nicht an oberster Stelle stehen, sollte man sich ein Bild verschaffen, was das Hilfswerk bisher gemacht hat», erklärt Martina Ziegerer. Gut auffindbare Tätigkeitsberichte und Jahresrechnungen sind Anhaltspunkte, um in Erfahrung zu bringen, wie viel Geld wirklich dort ankommt, wo geholfen werden soll. Die Zewo bezeichnet ein Hilfswerk als effizient, wenn 65 Prozent des Aufwands in die Projektarbeit fliessen – also nicht zu viel in Administration.

Es gibt aber durchaus auch einige «Red Flags», auf die Spendende achten sollen – also Warnsignale, dass dem Spendenaufruf lieber nicht getraut werden soll:

  • Wenn nicht ersichtlich ist, wer überhaupt hinter dem Spendenaufruf steckt – wenn der Aufruf also keinen klaren Absender hat.
  • Wenn keine oder kaum Fakten zur bisherigen Tätigkeit in Form von Tätigkeitsberichten oder Jahresrechnungen auffindbar sind.
  • Wenn die Appelle übertrieben emotional sind – seriöse Hilfsorganisationen werben nicht mit den absolut dramatischsten Bildern von Krieg, Leid und Tod.
  • Wenn die Appelle besonders dringlich sind – eine Spende will gut überlegt sein und die Hilfswerke brauchen auch in einigen Wochen noch Unterstützung.

Zudem führt die Zewo eine Liste mit Organisationen, die aus ihrer Sicht nicht vertrauenswürdig sind und gewisse Standards nicht erfüllen.

Kann man privaten Initiativen trauen?

Aktuell gehen viele Spendenaufrufe auch von privaten Initiativen aus. «Es kann durchaus sinnvoll sein, solche Initiativen zu unterstützen, wenn diese Menschen Kontakt in die Konfliktregion haben und so genau wissen, welche Güter gebraucht werden», sagt die Zewo-Geschäftsführerin Martina Ziegerer. Private Initiativen zu überprüfen ist allerdings schwierig, da es keine Rechenschaftsberichte über die Tätigkeiten gibt. Also muss man wissen, dass den entsprechenden Personen vertraut werden kann und dass sie auch die Kompetenz haben, zum Beispiel Kleidung, Hygieneartikel oder Medikamente in das Kriegsgebiet zu liefern. «Es gibt viele Spendenaufrufe, die gut gemeint sind. Doch Sachspenden sortieren, lagern, transportieren und an einem sicheren Ort zu übergeben, ohne sich selbst zu gefährden, benötigt mehr als guten Willen», sagt Ziegerer.

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Lieber Geld- als Sachspenden

Vor solchen Aktionen will sie dennoch nicht abraten: «Aber man sollte sich die Frage stellen, ob man wirklich Ressourcen, Kompetenz, Kontakte, Zeit und Ausdauer dafür hat. Spontan sammeln und dann einfach mal für ein Wochenende in ein Kriegsgebiet fahren ist definitiv nicht der richtige Ansatz.» Dabei sollte man generell überlegen, wie sinnvoll Sachspenden im Moment sind. Grosse Hilfswerke nehmen diese momentan gar nicht an, wie Ziegerer weiss: «Es ist zeit- und kostenaufwendig, diese transportieren zu müssen. Gerade in den Grenzregionen ist es oft nicht das Problem, die Artikel aufzutreiben, die gerade gebraucht werden – und Geldspenden können von den Hilfswerken flexibler eingesetzt werden.»

«Wir raten davon ab, Spenden breit zu streuen – besser ist es, sich gut über einzelnen Hilfswerke zu informieren und diesen Treue zu halten.»Martina Ziegerer, Geschäftsleiterin Zewo

Dennoch haben viele Menschen das Bedürfnis, auch mit Sachspenden in Krisenregionen zu helfen. Gewissermassen ist es wie mit Geschenken: Es fühlt sich besser an, etwas Handfestes zu verschenken als einfach nur Geld. So formulierte auch der Ökonom Paul Niehaus die Theorie, dass Spendenbereitschaft mehr vom Gewissen, etwas Gutes getan zu haben, abhängt, als von der Gewissheit, wie wirkungsvoll und effizient die Spende wirklich ist.

Dabei sollten die Bedürfnisse der Bedürftigen aber nicht vergessen gehen. Deshalb rät Martina Ziegerer auch dazu, sich gut zu überlegen, wohin man spenden will: «Wir raten davon ab, Spenden breit zu streuen – besser ist es, sich gut über einzelnen Hilfswerke zu informieren und diesen Treue zu halten.» Und was auch nicht vergessen gehen darf, ist, dass Krisen nicht enden, wenn der mediale Fokus sich verschiebt. Bei Naturkatastrophen und Kriegen dauert es oft Jahre, bis die Infrastruktur wieder aufgebaut ist – ganz zu schweigen von der Gesellschaft. Also dürfen Helfende bei aller Solidarität im Moment der Not nicht aus den Augen verlieren, dass die Hilfsbedürftigkeit in der Ukraine auch nach dem Krieg weiter bestehen wird.

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