Das musst du wissen

  • Hohe Feinstaubbelastungen sind weltweit ein gesundheitliches Problem.
  • Zum ersten Mal überhaupt hat eine Studie untersucht, wie viel Feinstaub aus welchen Quellen stammt.
  • Hauptquellen sind das Heizen mit Holz und Kohle sowie der Verkehr.
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Saubere Luft ist ein rares Gut: Rund 99 Prozent der Weltbevölkerung leben an Orten, an denen die Richtwerte der Weltgesundheitsorganisation WHO zur Luftqualität nicht eingehalten werden. Das ist fatal, denn Schätzungen zufolge ist allein Feinstaub für jährlich rund sieben Millionen vorzeitige Todesfälle verantwortlich. Die einfache Lösung für dieses Problem: die Feinstaubbelastung zu verringern. Doch für gezielte Massnahmen müssen erst deren Ursprung bekannt sein – etwas, das bisher aber weitgehend fehlte. Nun hat ein internationales Team von Forschenden eine Europakarte der Luftverschmutzung erstellt und erstmals die genauen Quellen aufgeschlüsselt. Die Resultate sind im Fachmagazin Environment International erschienen.

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Studie: European aerosol phenomenology − 8: Harmonised source apportionment of organic aerosol using 22 Year-long ACSM/AMS datasetsKommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsDie Studie stellt ein neues Protokoll vor, mit dem sich erstmals auch zeitliche Unterschiede in Aerosolkonzentrationen bestimmen lassen. Sie basiert dabei auf sehr genauen Messungen, was sie zuverlässig macht. Insgesamt waren solche intensiven Messungen aber nur für 22 Orte in Europa verfügbar.Mehr Infos zu dieser Studie...

Insgesamt werteten die Forschenden unter der Leitung des Paul Scherrer Instituts PSI Daten von 22 Messstationen aus 14 europäischen Ländern aus. Dafür entwickelten sie ein standardisiertes Analyseprotokoll, um die einzelnen Orte miteinander vergleichen zu können. Danach schlüsselten sie den gesamten dort gemessenen Feinstaub in seine verschiedenen Bestandteile auf. Dazu gehören verschiedenste organische Aerosole, Russ aber auch Nitrat, Sulfat, Ammonium oder Chlorid. Sie kommen zum Schluss, dass in Europa zu allen Jahreszeiten sauerstoffhaltige organische Aerosole dominieren. Auch die Verbrennung fester Brennmaterialien wie Holz oder Kohle für das Heizen von Wohngebäuden ist an den meisten europäischen Standorten eine bedeutende Quelle für Feinstaub, insbesondere im Winter – etwa auch in den Schweizer Bergen. Und: Sowohl in städtischen als auch urbanen Gebieten trägt der Verkehr konstant und massgeblich zur Belastung bei.

Quellen wirken sich unterschiedlich auf Gesundheit aus

«Dass sowohl der Verkehr als auch das Verbrennen von Holz gesundheitlich problematisch sind, ist bekannt», sagt Kees de Hoogh, Umweltwissenschaftler am Schweizerischen Tropen- und Public Health-Institut in Basel, der sich in seiner Forschung selbst mit der Feinstaubproblematik beschäftigt, an der Studie aber nicht beteiligt war. Nur: Quantifizieren konnte man die Effekte auf die Gesundheit bisher nicht. Genau das sei mit der neuen Studie nun aber möglich, sagt de Hoogh. «Bisher nutzen wir in unseren Modellen immer die Gesamtfraktion an Feinstaub, wie stark verschiedene Quellen zu dieser beitragen, war aber nicht bekannt». Gerade das sei aber wichtig, weil die verschiedenen Quellen unterschiedliche Effekte auf die Gesundheit haben.

Und genau um solche Effekte aufzuspüren, seien die neuen Daten ein grosser Schritt nach vorn, meint de Hoogh. Konkret heisst das: Die Studie liefert sehr genaue Werte, um Modelle zur Luftqualität zu verfeinern und daraus Feinstaubkonzentrationen für ganz Europa zu berechnen. Diese detaillierten Karten lassen sich dann mit sogenannten Kohortenstudien verknüpfen, die Daten zum Gesundheitszustand vieler Menschen enthalten – etwa zur Mortalität, Erkrankungen der Atemwege, Lungenkrebs oder Herzkrankheiten. Legt man diese beiden Datensätze – die Konzentrationen und die Erkrankungen – übereinander, lassen sich so gesundheitliche Effekte der Luftverschmutzung feststellen. Insbesondere, wenn man das für ganz Europa machen könne, sagt de Hoogh. Denn schaue man sich nur kleinere Gebiete an, etwa nur die Schweiz, variieren die Konzentrationen meist nur gering, so dass es schwierig ist, Unterschiede herauszupicken. Je grösser jedoch das Gebiet und damit die Unterschiede, desto wahrscheinlicher sei es, die Nadel im Heuhaufen zu finden.

Grundlage für sinnvolle Massnahmen

Mit den neuen Daten lässt sich also bestimmen, welche Aerosolquellen die grösste Gefahr für die Gesundheit darstellen. Das dürfte insbesondere auch für die Behörden interessant sein, denn so lassen sich zielgerichtete Massnahmen zur Verbesserung der Luftqualität treffen, die auf diese schädlichsten Bestandteile abzielen, meint der Umweltwissenschaftler de Hoogh. Auch in dem Sinne sei die Studie bedeutend. Eine Einschränkung sei, dass es über ganz Europa nur 22 Messstellen sind, was nicht viel sei. «Angesichts dessen, dass solche Messungen aber sehr kompliziert und auch sehr teuer sind, ist der Datensatz aber dennoch sehr eindrücklich.»

Eindrücklich sei die Studie auch, weil so viele Forschende aus ganz Europa beteiligt waren – insgesamt siebzig Personen aus 14 Ländern. Das verdeutliche, wie wichtig europaweite Projekte sind, sagt de Hoogh. «Die Schweiz muss darum unbedingt Teil der europäischen Forschungsgemeinschaft bleiben.» Etwas, das gerade in Bezug auf Horizon Europe nicht mehr vollumfänglich der Fall ist. Das sei ein Problem, so der Forscher, denn alleine lassen sich solche Riesenprojekte unmöglich stemmen.

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