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Wenn man in Google den Namen Gavin McInnes in das Suchfeld eingibt, vervollständigt der Algorithmus selbständig «Autor». Okay, das ist also ein Schriftsteller. Sagt schliesslich Google. Doch das ist eine Fehlinformation, befindet eine Studie, die im März veröffentlicht worden ist.

Denn der Herr ist Gründer der neofaschistischen Organisation Proud Boys – eine Hassgruppe in den Vereinigten Staaten, die wesentlich am Sturm auf das Capitol beteiligt war und in Kanada als terroristische Organisation gilt.

Die Forschenden des Disinformation Project an der kanadischen Simon Fraser University haben die Untertitel untersucht, die Google automatisch für 37 bekannte Verschwörungstheoretiker vorschlägt. Ihr Befund: In keinem Fall deutet der Untertitel von Google auf das verschwörerische Verhalten des Akteurs hin.

Wer ein Monopol bei Suchmaschinen hat, trägt auch eine Verantwortung.

Sogar der extremistische Verschwörungstheoretiker Alex Jones gilt in Google als «amerikanischer Radiomoderator». Und Jerad Miller, ein weisser Nationalist, der für eine Schiesserei in Las Vegas im Jahr 2014 verantwortlich ist, wird als «amerikanischer Performer» aufgeführt, obwohl die Mehrheit der nachfolgenden Suchergebnisse ihn als Massenmörder ausweist.

Die Forschenden fanden heraus, dass die Bezeichnungen von Google in allen Fällen entweder neutral oder positiv sind – in erster Linie spiegeln sie die bevorzugte Beschreibung oder den Beruf der Person wider – aber niemals negativ.

Nach Angaben von Google werden die Untertitel automatisch durch komplexe Algorithmen generiert, und die Maschine kann keine benutzerdefinierten Untertitel akzeptieren oder erstellen.

Wir haben die Probe im deutschsprachigen Raum gemacht.

Resultate: Auch auf Deutsch werden einige der einflussreichsten Schwurbler wie Ken Jebsen oder Attila Hildmann als Journalisten oder Autoren bezeichnet. Autorin ist auch Eva Herman, die ehemalige Tagesschau-Journalistin, die jetzt einen Desinformationskanal betreibt. Daniele Ganser ist Historiker. Bei Nicolas Rimoldi, dem Gründer der libertären Bewegung Mass-Voll, Michael Bubendorf von den Freunden der Verfassung, oder dem Corona-Verharmloser Daniel Stricker gibt es keine automatische Vervollständigung. Immerhin kein Schönfärben.

Und wir haben die Suche erweitert, indem wir nicht nur nach Verschwörungstheoretikern gesucht haben, sondern auch nach Diktatoren, Massenmördern und Kriegsverbrechern: Josef Stalin, Augusto Pinochet, Benito Mussolini, Kim Jong-un, Mao Zedong, Pol Pot, Baschar al-Assad, Slobodan Milosevic und Radovan Karadzic. Auf deren Konto gehen Hundertausende bis Millionen von Toten. Auf Google sind sie alle «Staatschefs oder Präsidenten».

Interessanterweise gibt es keine automatischen Vorgaben bei Grössen des Nazi-Regimes:

Adolf Hitler, Joseph Goebbels, Hermann Göhring, Josef Mengele, Adolf Eichmann, Rudolf Hess, Heinrich Himmler, Albert Speer und so weiter. Nur Erwin Rommel ist «Kriegskommandeur» und Eva Braun die «Ehefrau von Adolf Hitler».

Demgegenüber werden aber «private Serienmörder» (wenn ich dem so sagen darf), konsequent als Serienmörder bezeichnet: Ted Bundy, Charles Manson, Zodiac-Killer, Jeffrey Dahmer, Ed Gein, Jack the Ripper.

Ausnahme: Anders Breivik, der 2011 in Norwegen 77 zumeist Schulkinder ermordet hat und immer wieder rechten Attentätern als Vorbild dient.

Die Studie folgert, dass diese Untertitel von Google angesichts der starken Abhängigkeit der Internetnutzer von dieser Suchmaschine eine Bedrohung darstellen. Denn sie «normalisieren Personen, die Verschwörungstheorien verbreiten, Zwietracht und Misstrauen in Institutionen säen und Minderheitengruppen und gefährdeten Personen Schaden zufügen», sagt Nicole Stewart, Dozentin für Kommunikation Disinformation Project.

Weiter befürchtet die Studie: Die Vorlieben und das Informationsverständnis von Personen, die Google nutzen, können durch die Suchergebnisse manipuliert werden, so dass diese Bezeichnungen weithin akzeptiert werden, anstatt ein vollständiges Bild des Schadens zu vermitteln, den ihre Ideologien und ihr Glaube verursachen.

Darum muss Google dringend die Untertitel von Verschwörungstheoretikern, Terroristen und Massenmördern überprüfen, um die Öffentlichkeit besser über den negativen Charakter dieser Akteure zu informieren. Wer ein Monopol bei Suchmaschinen hat, trägt auch eine Verantwortung.

Der Faktist

Der Faktist schaut ganz genau hin. Im Dschungel der wissenschaftlichen Studienresultate behält er den Überblick. Zeigt, was zusammenhängt. Und was einfach nicht aufgeht. Der Faktist ist Beat Glogger, Gründer und Chefredaktor von higgs. Jeden Dienstag als Sendung auf Radio 1 und als Video auf higgs.
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