Das musst du wissen

  • Mit 5G wird das mobile Internet viel schneller und Tausende Geräte und Menschen können in Echtzeit vernetzt sein.
  • Doch der Aufbau von 5G wird ausgebremst von den gültigen Grenzwerten, die mit den neuen Antennen nicht umgehen können.
  • Denn diese strahlen nicht mehr grossflächig, sondern zielgerichtet und nur dann, wenn sie gebraucht werden.

Schon bald startet die Versteigerung der Konzessionen für die neuen Hochfrequenz-Bandbreiten für den Mobilfunk – darunter auch diejenigen Frequenzen, die für das neue 5G-Netz nötig sind. Vor allem um diese streiten sich die Anbieter Swisscom, Salt und Sunrise. Wobei, so ganz genau weiss man das nicht, denn welche Unternehmen überhaupt mitbieten, ist noch geheim. Erst in einigen Wochen, wenn die Gant vorbei ist, wird die Eidgenössische Kommunikationskommission ComCom die Besitzer der neuen Frequenzbänder bekannt geben.

Werden alle Frequenzen zu ihrem Tiefstpreis versteigert, nimmt der Bund damit 220 Millionen Franken ein. Es kann gut auch mehr sein. So viel Geld zahlen die Netzbetreiber nicht von ungefähr. Denn 5G ist nicht einfach nur der Nachfolger des 4G-Netzes, sondern eine kleine Revolution im Datenverkehr. Zum Vergleich: 4G erreicht eine Downloadgeschwindigkeit von 150 bis 1000 Megabit pro Sekunde. Mit 5G geht es mindestens zehnmal schneller, bis zu 10 Gigabit pro Sekunde. So lädt man einen hochauflösenden Spielfilm in 4K innerhalb von wenigen Sekunden herunter. Und Videotelefonie wird mit 5G reibungslos ablaufen, ohne «jetzt habe ich dich grad nicht mehr gehört»-Aussetzer. Die ersten 5G-fähigen Smartphones sollen ab dem Frühling erhältlich sein.

Den ersten Prototyp eines 5G-Handys hat Swisscom schon vorgestellt – noch etwas klobig. Die kommerziell erhältlichen Geräte dürften dann deutlich schlanker sein.Swisscom

Den ersten Prototyp eines 5G-Handys hat Swisscom schon vorgestellt – noch etwas klobig. Die kommerziell erhältlichen Geräte dürften dann deutlich schlanker sein.

Doch viel wichtiger als für Privatpersonen ist die rasche Einführung der neuen Technologie für Firmen. Denn mit dem blitzschnellen Internet wird das vielbeschworene Internet of Things in Echtzeit möglich – eine Vernetzung von Tausenden von Geräten. «Das wünschen sich viele Unternehmen, weil sie damit ihre Produktion vollständig automatisieren können», sagt Matthias Jungen, 5G-Innovationsmanager bei Swisscom. Kürzlich haben Jungen und seine Kollegen einen ersten Pilotversuch zusammen mit der Firma Ypsomed, einem Hersteller von medizinischen Geräten, abgeschlossen.

Blick in eine Zukunft mit 5G


Was wird mit 5G in Zukunft möglich? Einen ersten Einblick gibt ein Pilotversuch von Swisscom zusammen mit dem Burgdorfer Hersteller von medizinischen Geräten Ypsomed. Die Firma stellt zum Beispiel Stifte her, mit welchen Diabetes-Patienten sich selbst Insulin spritzen können. Um zu erproben, wie eine vollautomatisierte Produktion in Zukunft aussehen könnte, baute Swisscom ein lokales 5G-Mobilfunknetz für Ypsomed auf, mit Antennen, welche in den Produktionshallen Maschinen, Sensoren, Computer, Tablets und Augmented-Reality-Brillen vernetzten. Über das 5G-Netz liessen sich die Maschinen und Geräte laufend überwachen. Gekoppelt mit bestimmten Algorithmen, war es sogar möglich, maschinelle Störungen vorauszusehen und rechtzeitig darauf zu reagieren.

Bevölkerung bremst 5G aus

Doch in der Schweiz ist der Weg zu 5G ein steiniger. Entsprechende Antennen gibt es erst an einzelnen Standorten – etwa in Burgdorf im Kanton Bern oder in den Städten Bern, Basel und Zürich. Andere Länder sind da weiter. Beispielsweise in Japan oder den USA wollen einige Provider schon in diesem Jahr 5G kommerziell anbieten.

5G: Was wird anders?

  • 5G bedient sich teilweise höherer Frequenzen als die bisherigen Mobilfunkstandards 3G und 4G sowie grösserer Frequenzblöcke.
  • Zudem nutzt der neue Standard die Frequenzen effizienter. So lassen sich wesentlich mehr Daten auf einmal senden: Verglichen mit den verschiedenen 4G-Standards steigt mit 5G die Geschwindigkeit der Übertragung schon mit der Einführung um das Doppelte bis Dreifache, in Zukunft um das 10- bis 70-fache.
  • Ebenfalls entscheidend ist die Zeit, die verstreicht, bis eine Verbindung aufgebaut ist. Diese Reaktionszeit beträgt heute in der Schweiz 25 bis 35 Millisekunden. Mit 5G soll es nur noch eine Millisekunde sein. Erst diese tiefe Reaktionszeit, die sogenannte Latenz, macht beispielsweise autonom fahrende Autos möglich. Denn angenommen, 300 Meter weiter vorne auf der Strasse passiert ein Zusammenstoss, dann müssen die Autos diese Information in Echtzeit an weiter hinten fahrende Autos senden können. Auch sind Kameras etwa an einem autonom fahrenden Bus nur dann wirklich zuverlässig, wenn sie ihre Bilder in Echtzeit versenden können.
  • Mit 5G steigt auch die Kapazität des Netzes: in Zukunft bis zu 1000-fach verglichen mit heute. Das heisst, man wird viel mehr Dinge – Geräte, Sensoren, Menschen – gleichzeitig miteinander vernetzen können. Ebenfalls eine Voraussetzung für automatisierte Verkehrsmittel und für das Internet of Things.
  • Ein weiterer Vorteil: Vom 5G-Netz lässt sich eine Portion abzwacken, das nennt sich Network-Slicing. Dieser Teil des Netzes steht dann ausschliesslich für eine einzige Anwendung zur Verfügung. Ob für die Überwachung eines Produktionsprozesses in der Industrie oder für die Sicherheits- und Rettungskräfte an einem Fussballmatch. Dieser abgezwackte Teil wird auch dann nicht beeinträchtigt, wenn in der Nähe gleichzeitig Tausende von Menschen ihr Smartphone benutzen. Die Kapazität, Geschwindigkeit und Zuverlässigkeit des Netzes sind stets gleich hoch.

Die Netzbetreiber würden den Ausbau des Netzes gerne forcieren, können das aber bisher nur beschränkt. Das liegt an den Grenzwerten für Mobilfunkstrahlung. Diese würden neue 5G-Antennen vielfach überschreiten. Aber nicht, weil die 5G-Strahlung so viel stärker wäre als bisherige Handystrahlen, sondern weil die bisher gültigen Grenzwerte schlicht nicht geeignet sind, um die Strahlung der neuen Antennen zu beurteilen. Denn für das 5G-Netz kommen neue, sogenannte adaptive Antennen zum Einsatz, und diese funktionieren ganz anders als die bisherigen Mobilfunkantennen: Die neuen Antennen senden keine konstant hohe und andauernde Strahlung mehr aus, sondern strahlen nur dann, wenn sie tatsächlich gebraucht werden. Wenn also beispielsweise jemand eine App öffnet und sein Gerät der Antenne meldet, dass eine Verbindung gewünscht ist. Dafür steht die Verbindung dann richtig schnell, innerhalb von einer Millisekunde.

So strahlen die bisherigen Antennen: Das Netz wird konstant aufrecht erhalten und ist fast überall. Romain Bonjour, ETH Zürich

So strahlen die bisherigen Antennen: Das Netz wird konstant aufrecht erhalten und ist fast überall.

Romain Bonjour, ETH Zürich

Dagegen sind die neuen Antennen für 5G adaptiv. Das heisst, sie strahlen zielgerichtet und nur dann, wenn sie tatsächlich gebraucht werden.

Und: Die Strahlen werden nicht wie im heute gängigen Netz breit gestreut, sondern zielgerichtet aufgebaut, auf einer vergleichsweise kleinen Fläche. Darum spricht der Physiker Jürg Leuthold, Professor für Photonik an der ETH Zürich, von sogenannten «Pencilstrahlen». Pencil, das englische Wort für Bleistift, steht dabei für die Präzision, mit der die adaptiven Antennen ein Smartphone ins 5G-Netz einbinden. Das heisst, eine Netzverbindung und somit Strahlung gibt es bei 5G nur in einem lokalen Bereich um das besagte Handy mit der offenen App herum.

Diese gebündelte Strahlung berücksichtigt die aktuelle Regelung jedoch nicht: Sie ist für konstante Strahlung und breite Streuung ausgelegt. «Momentan ist rechtlich noch nicht geklärt, wie mit den neuen, adaptiven Antennen umgegangen werden soll», sagt Urs Walker, der beim Bundesamt für Umwelt Bafu die Abteilung leitet, die sich mit Mobilfunkstrahlung befasst. Darum werden die adaptiven Antennen manchmal noch so behandelt, als würden sie in alle Richtungen mit der maximalen Intensität strahlen. So ist die 5G-Strahlung stark überbewertet, und sprengt in vielen Fällen die Grenzwerte, vor allem dann, wenn es am selben Standort oder in der Nähe schon 4G-Antennen hat. Mit dem Resultat, dass heute 90 Prozent des Gebiets in Städten nicht mit 5G aufgerüstet werden können. «Wir können schlicht nicht in dem Tempo ausbauen, in dem wir möchten», sagt 5G-Innovationsmanager Matthias Jungen von Swisscom.

Die mächtige Angst vor Handystrahlen

Dabei schaut die Politik nicht etwa untätig zu. Gleich zwei Vorstösse im Parlament verlangten eine Lockerung der Grenzwerte, um eine rasche Einführung von 5G zu ermöglichen. Beide wurden im Nationalrat angenommen, jedoch im Ständerat abgelehnt – beide Male aufgrund einer einzigen Gegnerstimme mehr.

«Diese Zerrissenheit im Parlament ist auch ein Abbild der Verunsicherung in der Gesellschaft gegenüber Handystrahlen», sagt dazu Urs Walker vom Bafu. Tatsächlich verzeichnet das Umweltamt in jüngster Zeit einen Anstieg von Zuschriften von besorgten Bürgern und Bürgerbewegungen gegen 5G. Offenbar befürchten viele Menschen gesundheitliche Auswirkungen durch die Mobilfunkstrahlen und immer wieder erheben Anwohner Einsprache gegen neue Antennen. Auch der mächtige Hauseigentümerverband (HEV) ist gegen eine Lockerung der Grenzwerte für 5G, weil Antennen an einer Liegenschaft deren Wert vermindern, und weil die Auswirkung der Antennenstrahlung auf die Gesundheit nicht geklärt sei, so steht es im entsprechenden Positionspapier des HEV.

Ist die Verunsicherung begründet? Nein, sagt ETH-Physiker Jürg Leuthold. «Seit 15 Jahren untersucht man, ob Mobilfunkstrahlen die Gesundheit auf irgendeine Art beeinträchtigen.» Die Studienlage sei klar: «Keine grossangelegte, unabhängige Studie hat einen negativen Effekt von Handystrahlung auf die Gesundheit gefunden.» Dennoch verspüren offenbar viele Menschen ein Unbehagen und so wird der Ausbau des 5G-Netzes zurzeit ausgebremst.

Immerhin, auf politischer Ebene geht es vorwärts. Zurzeit ist eine Verordnungsrevision in Arbeit, welche die gesetzlichen Lücken schliessen soll – und hoffentlich einen Weg findet, mit den neuen, adaptiven Antennen umzugehen. Etwa Mitte des Jahres soll sie in Kraft treten – und so die Basis schaffen, um 5G noch dieses Jahr zu forcieren.

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