Das musst du wissen

  • Teslas haben viele Kameras und Sensoren, die Probleme für die Privatsphäre mit sich bringen.
  • In der Datenschutzerklärung räumt sich Tesla weitgehende Rechte ein, Daten zu sammeln.
  • Diese Praxis ist mit dem Schweizer Recht nicht vereinbar.
Den Text vorlesen lassen:

Eine Tiefgarage im Kanton St Gallen. Darin neuerdings Zuhause: ein Tesla. Der stolze Besitzer des US-amerikanischen Elektrofahrzeugs informiert seine Nachbarn per Informationsschreiben, sein neues Gefährt habe nach aussen gerichtete Kameras. Diese filmten automatisch, sobald jemand dem Fahrzeug zu nahe komme. Doch die Nachbarn fragen sich: Stimmt das? Und wenn ja: Ist das überhaupt rechtens?

In der Tat sind die Modelle des US-amerikanischen Fahrzeugherstellers Tesla mit vielerlei Sensoren und Kameras ausgestattet. Diese überwachen teilweise den Fahrer selbst und protokollieren dessen Fahrstil. Aber es gibt auch insgesamt acht Kameras, die nach aussen gerichtet sind. Diese nehmen den Verkehr, Ampeln und die Infrastruktur auf und sind auch im Hinblick auf künftiges autonomes Fahren relevant. Schliesslich soll das Auto aus all diesen Informationen schliessen, wo es fahren darf, in welchem Tempo und wie die Verkehrslage ist. Teslas bieten ausserdem die Funktion einer Dashcam an, einer Kamera, die permanent das Umfeld im Strassenverkehr filmt. Auf diese Weise könnte der Fahrer Unfall-Vorgänge rekonstruieren und belegen, wenn sich andere Verkehrsteilnehmer nicht an die Verkehrsregeln halten.

Doch die Funktion, die der St. Gallener Autobesitzer wohl meinte, hat nichts mit der Funktion im Strassenverkehr zu tun: Sie heisst «Sentry-Mode» – zu deutsch Wächtermodus – und dient als Schutz vor Diebstahl und Vandalismus. Ist sie aktiviert, springt eine Kamera an, sobald sich jemand dem Fahrzeug auf eine gewisse Distanz nähert und filmt das Geschehen. Nach Recherchen des Tagesanzeigers werden diese Bilder sogar direkt in die Tesla-Zentrale geschickt, wenn der Halter das wünscht.

Ein Auto darf keine Unbeteiligten filmen

Dass ein Auto Passanten oder andere Verkehrsteilnehmende filme, sei grundsätzlich verboten, sagt der Schweizer Datenschutzexperte Bruno Baeriswyl, der einst als Datenschutzbeauftragter des Kanton Zürichs amtete. «Es gibt hier kein überwiegendes privates Interesse, weshalb solche Aufnahmen in der Öffentlichkeit ohne Einwilligung rechtswidrig sind.» Auch Dashcams sind untersagt, wie verschiedene Gerichte bereits geurteilt haben. Rechtlich hilft da auch die Datenschutzerklärung von Tesla nicht, denn in diese kann lediglich der Halter selbst einwilligen, aber nicht unbeteiligte Personen, deren Rechte hier eventuell verletzt werden.

Offenbar ist das aber bei vielen Tesla-Besitzern noch nicht angekommen. Wer müsste gegen eine solche Praxis intervenieren – sei es eine Dashcam oder das beschriebene Feature gegen Diebstahl? Die Betroffenen selbst könnten sich bei den Datenschutzbehörden beschweren, wenn sie von einem solchen Fahrzeug gefilmt werden, erklärt der Datenschutzexperte. An sich liege es aber am Fahrzeughalter selbst, dies zu verhindern, sagt Baeriswyl. Die entsprechende Funktion sollte er nicht aktivieren. Gegen die automatische Datenübertragung sollte ein Tesla-Besitzer gegenüber Tesla Widerspruch einlegen, wenn er rechtlich auf der sicheren Seite sein will.

Die Basler Polizei und ihre Teslas

Ein ähnliches Problem hatte die Basler Polizei vor zwei Jahren. Diese hatte sich Fahrzeuge der Marke Tesla als Einsatzfahrzeuge angeschafft – was ihnen eine Kontrolle des damaligen Datenschutzbeauftragten Basel-Stadt, Beat Rudin, einbrachte. Dieser untersuchte die Fahrzeuge und insbesondere den Datenverkehr in die USA detailliert und nannte schliesslich Empfehlungen, die die Polizei befolgen sollte, um die Fahrzeuge datenschutzkonform nutzen zu können. Er fand unter anderem heraus, dass Videodaten generell zwar nur kurz gespeichert würden. Geschieht jedoch ein Unfall, werden die Aufnahmen wenige Sekunden vor dem Vorfall gespeichert und automatisch an den Hersteller übermittelt. Einen heftigen Aufprall beispielsweise erkennt das Fahrzeug mittels seiner Sensoren. Rudin empfahl der Polizei zu prüfen, ob sich diese Funktion abschalten lasse.

Blau-Gelber Polizei-TeslaKeystone-SDA/Georgios Kefalas

Ein Tesla X 100D der Kantonspolizei Basel-Stadt.

Die Dashcam-Funktion nutzte die Polizei laut Bericht nicht. Einige andere Funktionen – wie das Senden von Daten zum Fahrverhalten – beanstandete der Datenschutzbeauftragte nicht direkt, weil sich die Daten nicht auf einzelne Personen beziehen lassen. Schliesslich wird ein Streifenwagen von mehreren verschiedenen Beamten genutzt.

Tesla sammelt weitreichende Daten

Das ist in der Regel anders bei der privaten Nutzung eines Teslas. Das stört den deutschen Datenschutzexperten Malte Engeler. Ein Blick in die Datenschutzerklärung von Tesla zeige: «Wenn irgendein Sensor im Auto etwas erfasst, so weiss es auch Tesla. Von Videoaufnahmen der Autopilot-Kameras über Zugriff auf die im Bordcomputer gespeicherten Kontakte bis zur Weitergabe der genutzten Strassen an Kooperationspartner: Tesla scheint sich das Recht zum Zugriff auf so ziemlich jedes Bit und Byte im Auto vorzubehalten.» Besonders erschreckend findet er den Umgang mit den Videodaten von Unfällen: «Damit sagt Tesla im Grunde, dass sie jederzeit Fernzugriff auf die Kameras haben.» Er wolle Tesla zwar nicht unterstellen, dass sich ein gelangweilter Mitarbeiter den ganzen Tag durch die Kamerafeeds der Teslaflotte klicke. «Möglich wäre es aber und vor allem auf Anordnung entsprechender staatlicher Stelle auch kaum zu verhindern.» So würden aus den eleganten Stromern plötzlich «fahrende Überwachungssysteme» werden, die kombiniert mit einer guten Gesichtserkennung und anderen Möglichkeiten der Datenerhebung «die analogen Rückzugsräume in der Öffentlichkeit noch kleiner werden lassen.»

Rechtlich sei das fragwürdig, sagt der Datenschutzrechtler. Zudem seien die Kontakte in einem Adressbuch wohl kaum relevant für die Wartung. Inwiefern die weiteren erhobenen Daten wirklich für die Wartung relevant seien, sei zudem unklar, so Engeler. Formulierungen wie «Daten über alle Probleme, die den Betrieb Ihres Fahrzeugs ernsthaft beeinträchtigen könnten» seien schliesslich «mehr als vage».

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Sein Fazit: «Tesla-Fahrerinnen erkaufen sich den Fahrspass mit der faktischen Aufgabe unbeobachteter Beweglichkeit.» Das alles sei natürlich kein reines Tesla-Problem, sondern greife mit der zunehmenden Automatisierung bis hin zum autonomen Fahren weiter um sich, so der Experte. «In zehn Jahren wird auch der Gebrauchtwagen um die Ecke entsprechende Technologien beinhalten.»

Das Problem sieht auch Baeriswyl: «Autonomes Fahren in Zukunft wird nicht ohne Daten auskommen», sagt er. Denn die Fahrzeuge müssen Sensoren und Kameras nutzen, unter anderem auch, um sich mit der Verkehrsinfrastruktur zu verbinden, also beispielsweise Ampeln. Diese werden vermutlich in Zukunft Signale direkt an selbstfahrende Autos schicken, und auch untereinander werden die Fahrzeuge mehr und mehr Daten austauschen. Doch das müsse genau geregelt werden, sagt der Datenschützer. Er war beteiligt an einer Studie der Stiftung für Technologiefolgenabschätzung, die Implikationen künftiger selbstfahrender Autos unter anderem für den Datenschutz untersucht. «Die Vernetzung der Fahrzeuge untereinander sowie mit anderen Verkehrsteilnehmenden und der Infrastruktur wird sowohl vom Bund wie auch vom europäischen Umfeld als wesentliche Voraussetzung angesehen, um die Potenziale des automatisierten Fahrens zu nutzen», heisst es in der Studie. Der damit verbundene intensive Datenaustausch eröffne aber auch Möglichkeiten, «umfassende Bewegungsprofile anzulegen».

Science-Check ✓

Studie: Automatisiertes Fahren in der Schweiz: Das Steuer aus der Hand geben?KommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsDie Autorinnen und Autoren haben Laien, Expertinnen und Experten sowie Stakeholder befragt und drei verschiedene Szenarien für das autonome Fahren der Zukunft miteinander verglichen und schliesslich Schlussfolgerungen in Bezug auf Sicherheit, Datenmanagement, Chancen und Risiken sowie Regulierung getroffen. Es handelt sich eher um ein Whitepaper, also einen Bericht, der Übersicht schafft, als um eine wissenschaftliche Studie.Mehr Infos zu dieser Studie...

Nicht mit dem Datenschutzrecht vereinbar

Das sei aus datenschutzrechtlichen Überlegungen problematisch. Laut europäischen Datenschutz- und vergleichbaren Regelungen der Schweiz müssten Verkehrsteilnehmende wissen, welche persönlichen Daten gesammelt werden, und sie sollten selber bestimmen können, ob und wie diese Daten verwendet werden. «Für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten braucht es eine Einwilligung der Betroffenen. Um diese Daten für die Verkehrssteuerung trotzdem nutzen zu können, müssen Lösungen gesucht werden», so die Studie. Das Recht muss also angepasst werden an die künftige Situation, um zu regeln, welche Daten autonome Fahrzeuge nutzen dürfen – und wie und wofür.

Datenschutzexperte Baeriswyl hofft hier auf eine starke gesetzliche Regelung für die Zukunft des autonomen und automatisierten Fahrens. Es müsse klar geregelt werden, dass die Daten nur zu diesem Zweck verwendet werden dürfen. Wenn sich ein Tesla mit der Verkehrsinfrastruktur wie Ampeln austausche, müssten diese Daten nicht an das Unternehmen gehen, «sondern bei der Verkehrsinfrastruktur bleiben.» Allerdings bleibe die Frage, ob der Staat stark genug sei, das durchzusetzen – «oder ob es eher die Fahrzeughersteller sind, die hier Tatsachen schaffen, wie wir es derzeit mit den sozialen Netzwerken sehen.» Denn: Datenschutzbehörden könnten zwar von Amts wegen aktiv werden gegen die Praxis des US-Konzerns, «allerdings sind die meist überlastet», sagt Baeriswyl.

Die Datenschutzerklärung von Tesla klingt eher nach Zweiterem. Insbesondere die Klausel, die es den Autobesitzern erlaubt, der Datennutzung zu widersprechen: Im Gegenzug droht Tesla, dass dann auch keine Software-Updates mehr eingespielt werden könnten. «Dies kann dazu führen, dass bei Ihrem Fahrzeug eine lediglich eingeschränkte Funktionalität, ernsthafte Schäden oder Funktionsunfähigkeit eintreten.» Das dürfte die meisten Besitzerinnen und Besitzer daran hindern, die Datennutzung abzulehnen.

Es zeige sich mal wieder, dass es in Sachen Datenverarbeitung nicht nur um persönliche Freiheiten gehe, betont Datenschutzexperte Engeler: «Die allgegenwärtige Erfassung von Daten hat früher oder später für uns alle Folgen: Unbeobachtete Mobilität wird zu einem immer weiter schwindenden Freiheitsraum.»

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