Das musst du wissen
- Der Verlust der Biodiversität und die Erderwärmung hängen zusammen.
- In der Schweizer Politik sind die Themen aber Gegenstand von zwei verschiedenen nationalen Strategien.
- Ein Lösungsvorschlag ist es, eine ausserparlamentarische Bundeskommission zu bilden, die sich beiden Themen widmet.
Warum es wichtig ist. Sowohl an der Klima- als auch an der Biodiversitätskrise ist der Mensch schuld: Er holzt beispielsweise Wälder ab, degradiert den Boden, verschmutzt Luft und Gewässer. Darüber hinaus neigen beide Krisen dazu, sich gegenseitig zu verstärken. Und trotzdem sind beide Themen in der Forschung und auf politischer Ebene – zumindest in der Schweiz – Gegenstand getrennter Strategien.
Die Feststellung. Die beiden Krisen folgen der gleichen Dynamik, sagte Florian Altermatt, Präsident des Forums Biodiversität Schweiz Anfang Februar 2021 auf dem Online-Kongress des Swiss Forum on Conservation Biology Swifcob. Beide Situationen resultieren nach der Meninung des Biologen aus der intensiven Ausbeutung der Natur, ohne dass die tatsächlichen Kosten der Umweltzerstörung auf die Wirtschaft abgewälzt werden.
Gleichzeitig verändert der Klimawandel die Ökosysteme in einem solchen Ausmass, dass viele Tiere und Pflanzen Mühe haben, sich daran anzupassen. Einem Bericht des Weltbiodiversitätsrats IPBES aus dem Jahr 2019 zufolge, ist der Klimawandel damit einer der Hauptursachen für den Verlust der biologischen Artenvielfalt. So geht beispielsweise auch die Entwicklung bestimmter erneuerbaren Energien wie Wind- und Wasserkraft einer Verschlechterung der Ökosysteme und der Artenvielfalt einher.
Mögliche Synergien. Doch die Biodiversität könne ein Trumpf im Kampf gegen die globale Erwärmung sein, sagte Markus Fischer, Direktor des Instituts für Pflanzenwissenschaften in Bern und Mitglied des IPBES-Expertenrats an der Swifcob-Konferenz. Es plädierte dafür, die Ökosysteme wiederherzustellen und zu schützen. Denn diese schaffen und erhalten natürliche Kohlenstoffsenken und tragen dazu bei, den CO₂-Gehalt in der Atmosphäre zu reduzieren, indem sie Kohlenstoff aus der Biosphäre binden. Darüber hinaus schlug er vor, beim Bau natürliche Materialien wie Holz gegenüber Zement und Beton zu bevorzugen und unsere Essgewohnheiten zu ändern, um die Auswirkungen der Landwirtschaft zu begrenzen.
Fischers Vorschläge sind nur vorläufige Ideen: Denn die Annäherung zwischen den Bereichen Klima und Biodiversität steckt auf institutioneller Ebene noch in den Kinderschuhen. Einige militante Bewegungen hingegen, die flexibler und in einer oppositionellen Rolle sind, haben die Notwendigkeit, Klima- und Biodiversitätsfrage zu mischen, aber bereits erkannt. Dies ist etwa bei Gruppen wie Extinction Rebellion, Fridays for Future oder auch bei lokalen Initiativen der Fall. Ein Beispiel ist das sogenannte Orchideenkollektiv, eine Gruppe von Umweltaktivisten, die auf dem Hügel von Mormont in Eclepens eine Barrikade eingerichtet hat. Sie wollen damit sowohl das Ökosystem des vom Steinbruch des Zementherstellers Lafarge-Holcim bedrohten Geländes verteidigen als auch die Klimaauswirkungen der Betonindustrie anprangern.
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Was fehlt. Sowohl auf wissenschaftlicher Ebene als auch auf Regierungsebene braucht es eine Koordination der beiden Themen: Um die bestmöglichen Lösungen genau zu definieren, um sicherzustellen, dass Entscheidungen auf kohärente Weise getroffen werden und um systemische Antworten zu geben. Beides fehlt nach Meinung der Experten, die an der Swifcob-Konferenz teilgenommen haben:
- Klima- und Biodiversitätsforschung arbeiten noch zu unabhängig voneinander. Auch die Sozial-, Rechts- und Wirtschaftswissenschaften sollten sich an der Diskussion beteiligen, um einen Disziplinen übergreifenden Ansatz zu erreichen.
- Auf der politischen Ebene werden die beiden Themen zu oft getrennt voneinander behandelt. Obwohl beide Themen in der Zuständigkeit des Bundesamts für Umwelt liegen, ist jedes Thema Gegenstand einer eigenen nationalen Strategie. Klima taucht regelmässig in der Biodiversitätsstrategie auf, umgekehrt kommt diese in der Klimastrategie aber fast nicht vor.
Während der Konferenz schlug Stella Jegher, Leiterin der Abteilung Politik und Internationales von Pro Natura, eine mögliche Lösung vor: Die Einrichtung einer ausserparlamentarischen Bundeskommission, die sich sowohl dem Klima als auch der Biodiversität widmet, wie es sie auch gegen Rassismus oder für die Rechte der Frauen gibt.