Das musst du wissen

  • Eine unabhängige Kontrolle in Schweizer Ikea-Filialen ergab: Das Holz einiger Möbel ist nicht richtig deklariert.
  • Die Sorge ist, dass mangelhaft deklariertes Holz die Herkunft aus eigentlich geschützten Wäldern verbergen soll.
  • Der Bund eröffnete ein Verfahren gegen das Möbelhaus. Dieses weist die Vorwürfe zurück.

«Herkunft: unbekannt.» Die schwarze Inschrift auf gelbem Grund erscheint auf der Rückseite des Etiketts von «Ingolf», einem spartanischen, aber hübschen weissen Holzstuhl aus einem Schweizer Ikea-Möbelhaus. Problem: In der Schweiz muss seit dem Inkrafttreten der Verordnung über die Deklaration von Holz und Holzprodukten 2013 die Herkunft eines jeden Artikels angegeben werden. Nach einer Anzeige leitete das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) ein Strafverfahren gegen den schwedischen Möbelgiganten ein.

Warum das wichtig ist. Die Firma mit dem gelb-blauen Logo ist der weltweit grösste Holzverbraucher und wird schon seit langem wegen mangelnder Transparenz bei der Herkunft ihres Holzes kritisiert. Doch in dem aktuellen Fall sieht sich das Möbelhaus einer Anzeige ausgesetzt. Es droht eine Geldstrafe. Es gibt zwei Vermutungen, wie es zu der fehlerhaften Herkunftsdeklaration des Ikea-Möbels kommt:

  • Es geht um Holz, das aus geschützten Wäldern stammt, was gegen internationale Naturschutzgesetze verstösst.
  • Es geht um Holz aus nicht nachhaltigen Quellen. Dies ist zwar legal, stellt allerdings ein «Greenwashing» dar. Dies wäre ein Problem für ein Unternehmen, das sehr auf die Nachhaltigkeit seines Holzes pocht.

Die Fakten. Alles begann im vergangenen Juni, als die Sendung «Kassensturz» auf der Grundlage eines Berichts der britischen NGO «Earthsight» und eigener Recherchen die zweifelhafte Herkunft einiger Ikea-Möbel aufdeckte. Die rumänische Firma Plimob zum Beispiel, von der bekannt ist, dass sie weite Teile des geschützten Karpatenwaldes in der Ukraine abgeholzt hat, stellt mindestens zehn Produkte her, die von Ikea in der Schweiz verkauft werden. Die Kontrollbehörden in der Ukraine und in Rumänien, wo illegaler Holzeinschlag weit verbreitet ist, erweisen sich als unzulänglich.

Aufgrund dieser Verdachtsmomente hat der Bruno-Manser-Fonds (BMF), der sich seit zwei Jahren nicht nur für die Tropenwälder, sondern auch für den Schutz der europäischen Urwälder einsetzt, Schweizer Ikea-Filialen untersucht und in einem Bericht zahlreiche Kennzeichnungsmängel aufgedeckt:

  • In 40 Fällen gab es keine Erklärung über die Art und Herkunft des Holzes, was illegal ist.
  • In 42 Fällen wurden über die Herkunft von Kiefern-, Buchen- oder Birkenholz nur unzureichende Angaben gemacht: Es wurden mehrere Herkunftsländer genannt. «Wenn das Holz aus mehr als fünf Ländern stammt, erlaubt es das Gesetz, dass nur die geographische Region genannt wird. Aber dies muss eine Ausnahme sein. Und Ikea macht diese Ausnahme zur allgemeinen Regel», sagt Jonas Schälle, Leiter Forschung und Kampagnen beim BMF und Mitautor des Berichts.
  • In einem Fall gab es sogar eine fehlerhafte Aussage. Es handelt sich um einen Stuhl, der den Angaben zufolge aus «Nordamerika, Südamerika, Europa, Indien und Ozeanien» stamme. Tatsächlich stammt das Holz des Stuhls jedoch vom einzigen nicht erwähnten Kontinent, nämlich aus der Region Irkutsk in Russland, 3000 Kilometer östlich der Grenze zwischen Europa und Asien.

Die Mängel wurden in fünf Schweizer Filialen festgestellt, darunter in Vernier (GE) und Aubonne (VD). Sie betreffen hauptsächlich Stühle und Tische mit den schönen Namen «Markerad», «Omtänskam» oder «Jokkmokk». Bei einem von vier Massivholztischen kann die Herkunft des Holzes nicht zurückverfolgt werden.

Ein noch nie dagewesenes Verfahren. Am 31. August meldete der BMF diese Verstösse gegen die Deklarationsverordnung des Bundes dem zuständigen Bundesrat Guy Parmelin. Auf Grundlage dieser Informationen eröffnet das WBF ein Strafverfahren. Es ist das erste Mal seit Inkrafttreten der Verordnung, dass eine Untersuchung eingeleitet wurde.

Seit 2012 hat das Eidgenössische Büro für Konsumentenfragen (BFK) schon 21 Untersuchungen bei Ikea durchgeführt. Bei nur drei von ihnen wurden keine Mängel aufgedeckt. Allerdings hat keine dieser Untersuchungen bisher zu einem WBF-Verfahren geführt. «Das Problem ist seit langem bekannt, hatte aber nie irgendwelche Konsequenzen», sagt Jonas Schälle.

«Bis jetzt haben wir Fälle immer gütlich beigelegt, mit der Priorität, die Unternehmen wieder auf den richtigen Weg zu bringen», erklärt Evelyn Kobelt, Sprecherin des WBF. Das WBF hat Untersuchungs- und Entscheidungsbefugnisse, und wenn sich ein Verdacht bestätigt, kann es eine Geldstrafe von bis zu 10 000 Franken verhängen.

Gegenwärtig gilt jedoch die Unschuldsvermutung. «Das WBF gibt Ikea Zeit, auf diesen Verdacht zu reagieren und wird dann entscheiden, ob das Verfahren fortgesetzt wird oder nicht», fuhr die Sprecherin fort.

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Was Ikea dazu sagt. Die schwedische Firma, die 2019 einen Umsatz von 41 Milliarden Franken erzielte, erklärt die Mängel bei er Herkunftsdeklarierung mit ihrem manuellen Etikettierungssystem. Nach Angaben des Unternehmens sind die 80 bis 100 Etiketten, die jeden Tag nach einem Verlust ersetzt werden müssen, die Ursache für die Mängel oder Fehler. Jonas Schälle vom BMF ist von dieser Erklärung nicht überzeugt: «Wenn die Deklaration generell fehlt oder missbräuchlich ist, handelt es sich nicht um ein Kennzeichnungsproblem. Dies ist ein systematisches Problem.»

Ikea-Sprecher Aurel Hosennen versichert, dass das Unternehmen über die Informationen zur Herkunft verfügt, unabhängig vom Kennzeichnungssystem: «Wir kennen jedes Produkt, jeden Lieferanten, das von ihm verwendete Holz und seine Herkunft. Die Deklarationen sind seit Jahren auf der Website verfügbar. Ikea hat keinen Grund, etwas zu verbergen oder zu verstecken.»

Entscheidungshilfe Wissenschaft? Wenn Ikea im Verdacht steht, Holz aus geschützten Urwäldern zu verkaufen, dann liessen sich doch die in der Schweiz verkauften Möbel wissenschaftlich testen, oder? «Das ist möglich», sagt Jonas Schälle. «Man nennt das einen Isotopentest. Allerdings ist die Referenzdatenbank im Moment nicht vollständig genug, so dass man nicht mit Sicherheit sagen kann, ob das geprüfte Holz aus diesem oder jenem Land stammt. Aber es besteht grosse Hoffnung für diese Art von Test in der Zukunft.»

Dieser Beitrag wurde erstmals auf Heidi.news veröffentlicht. Unsere Autorin Cornelia Eisenach hat ihn aus dem Französischen übersetzt.

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Hier gibt es Wissenswertes aus der Westschweiz. Die Beiträge stammen von unserem Partner-Portal Heidi.news, wir haben sie aus dem Französischen übersetzt. Heidi.news ist ein Online-Portal, das im Mai 2019 lanciert wurde und das sich unter anderem auf die Berichterstattung über Wissen und Gesundheit spezialisiert. Die Partnerschaft zwischen Heidi.news und higgs ist durch eine Kooperation mit dem Schweizerischen Nationalfonds SNF entstanden.
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