Das musst du wissen
- Pazifische Lachse werden in Alaskas Flüssen geboren, wandern zum Wachsen aufs Meer und kehren zur Vermehrung zurück.
- Doch die Rückkehrer sind in den letzten 60 Jahren immer jünger und kleiner geworden. Die Populationen schrumpfen.
- Das ist ein Problem für Alaskas Fischindustrie. Und mit den Lachsen fehlen im Süsswasser Nährstoffe für andere Arten.
Die Bestände von vier der fünf Arten des Pazifischen Lachses, die sich in den Flüssen Alaskas fortpflanzen, sind in den letzten 60 Jahren stark geschrumpft. Das hat mit der Grösse der Fische zu tun, die wiederum vom Alter abhängt: Die Lachse, die in die Flüsse zurückkehren, in denen sie geboren wurden, sind immer jünger. Zu den Ursachen gehören: Klimawandel und verstärkte Konkurrenz um Nahrungsressourcen.
Warum das wichtig ist. Die Auswirkungen dieser Abnahme sind spürbar. In Alaska sind Lachse lebenswichtig. Sie sind eine wertvolle natürliche Ressource im Hinblick auf Ernährungssicherheit, Subsistenzwirtschaft, sowie Handel und Kultur. So brachte der Handel den Fischern von Bristol Bay im Jahr 2017 schätzungsweise über 214 Millionen Dollar ein.
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Lachse sind Schlüsselkomponenten von Ökosystemen. Sie werden im Süsswasser geboren und wandern als Jungfische in den Ozean, um sich dort zu ernähren. Bis zu sieben Jahre verbringen etwa Königslachse auf See. Dort, im offenen Meer, legen die Lachse den grössten Teil ihres Gewichts zu. Dank ihres Geruchssinns und ihrer Empfindlichkeit gegenüber Magnetfeldern kehren sie dann ins Süsswasser zurück, wo sie sich fortpflanzen und sterben. Dieser Lebenszyklus hat eine wichtige ökologische Funktion. Die Ergebnisse sind Teil einer Studie, die in Nature Communications veröffentlicht wurde. Darin analysierten die Forschenden Daten von 12,5 Millionen Lachsen, die zwischen 1957 und 2018 in Alaska gefangen wurden.
Krista Oke, Hauptautorin der Studie, von der Universität von Alaska Fairbanks erklärt:
«Lachse führen dem Süsswasser, den Auwäldern und dem Land Nährstoffe aus dem Ozean zu. Diese werden von Raubtieren wie Bären und Adlern, aber auch von anderen Fischen, Sperlingen und Baumarten genutzt.»
Eine Studie, die 2001 in der Zeitschrift Ecology veröffentlicht wurde, zeigte, dass Bäume, die an von Lachsen frequentierten Ufern wachsen, dank des von den Fischen gelieferten Stickstoffs grösser sind als andere.
Was die Studie zeigt. Das Team von der Universität von Alaska Fairbanks und der Universität von Kalifornien fand heraus, dass der in Alaska gefangene Königslachs (Oncorhynchus tshawytscha) in 60 Jahren immer kleiner wurde, seine Grösse nahm um acht Prozent ab. Es folgen
- Silberlachs (Oncorhynchus kisutch): – 3 Prozent,
- Ketalachs (Oncorhynchus keta): – 2,4 Prozent,
- und Rotlachs (Oncorhynchus nerka): – 2,1 Prozent.
Diese Zahlen bestätigen, was die Einheimischen vor Ort seit Jahren beobachten. Und das Phänomen scheint sich seit den 2000er Jahren noch zu beschleunigen.
Die Folgen. Die Autoren haben die Auswirkungen dieser Abnahme der Körpergrösse auf Ökosysteme und menschliche Aktivitäten abgeschätzt. Bei Königslachs entspricht eine Verringerung der Grösse um acht Prozent:
- einer Verringerung der Fischei-Produktion um 15 Prozent,
- einer Verringerung des Wertes der kommerziellen Fischerei um 25 Prozent,
- einer Verringerung der Mahlzeiten, die zur Verfügung gestellt werden können um 26 Prozent,
- einer Verringerung der durch das Wasser transportierten Nährstoffe um 28 Prozent.
Krista Oke fasst es zusammen:
«In Bezug auf die Produktivität einer Population ist nicht nur unbedingt die Anzahl der Lachse wichtig, sondern auch ihre individuellen Eigenschaften.»
Kleinere Jungtiere. Durch Modellierung haben die Wissenschaftler gezeigt, dass diese Grössenabnahme in erster Linie das Ergebnis einer Veränderung des Reifealters ist. Die Lachse scheinen weniger Zeit für die Futtersuche im Ozean zu verbringen und sie kehren jünger zurück, um sich zu vermehren.
Dass die Rückkehrer jünger sind, kann viele mögliche Ursachen haben. Krista Oke fährt fort:
«Der Ozean ist möglicherweise gefährlicher geworden, bis zu dem Punkt, an dem die Sterblichkeit der Lachse zugenommen hat und sie sterben, bevor sie ausgewachsen sind. Oder vielleicht haben es Raubtiere auf die grösseren und älteren Lachse abgesehen. Es ist auch möglich, dass die Frühreife eine evolutionäre Reaktion auf verschiedene Umweltbedingungen, einschliesslich hoher Sterblichkeit, ist.
Schliesslich können Umweltfaktoren es den Lachsen ermöglichen, schneller zu reifen, so dass sie jünger ins Süsswasser zurückkehren können. All diese Phänomene schliessen sich nicht gegenseitig aus.»
Klima und Wettbewerb. In der Studie wurden jedoch zwei Variablen identifiziert, die recht eindeutig mit dem Schrumpfen des Alaska-Lachses weltweit zusammenhängen:
- Der Klimawandel,
- der Lachsreichtum im Pazifik, insbesondere des Buckellachs (Oncorhynchus gorbuscha).
Krista Oke:
«Klimaschwankungen können die Grösse verändern, indem sie entweder den Stoffwechsel der Lachse oder die Verfügbarkeit und Qualität ihrer Beute beeinflussen. Und Wettbewerb kann die Grösse beeinflussen, denn wenn es nicht genug Nahrung gibt, kann das Wachstum abnehmen und die Sterblichkeit steigen.»
In den letzten Jahren war der Nordpazifik sehr reich an Lachsen. Diese stammen sowohl aus Zuchtanlagen, in denen jedes Jahr mehrere Milliarden Individuen ausgesetzt werden, als auch aus einigen grossen Wildpopulationen von Keta-, Rot- und Buckellachs. Letztere sind bekannt dafür, dass sie besonders wettbewerbsfähig sind.
Wahrscheinlich spielen auch andere Faktoren eine Rolle. Wie zum Beispiel selektiver kommerzieller Fischfang, der die Grösse des Lachses in einigen Gebieten je nach verwendetem Fanggerät beeinflussen kann. Oder die Raubzüge von Killerwalen und Lachshaien. Krista Oke weist darauf hin: «Es ist immer möglich, dass andere Faktoren, die wir noch nicht berücksichtigt haben, die eine oder andere Lachsart begünstigen.»
Die Einschätzung des Experten. Mathieu Buoro, Forschungsbeauftragter in der ECOBIOP-Einheit des französischen nationalen Forschungsinstituts für Ernährung, Landwirtschaft und Umwelt (INRAe), Experte der Gruppe «Atlantischer Lachs» für den Internationalen Rat für Meeresforschung (ICES):
«Diese Studie ist beeindruckend, sowohl wegen ihres beachtlichen Datensatzes als auch wegen der Tatsache, dass sie dazu beiträgt ähnliche Prozesse besser zu verstehen. Etwa solche, die beim Atlantischen Lachs beobachtete werden. Was noch besser verstanden werden muss, sind die zugrunde liegenden Mechanismen, die sich nur schwer entwirren lassen. Zwischen Veränderungen in der Produktivität der Ozeane, den direkten Auswirkungen der Umweltbedingungen und genetischen Veränderungen ist es schwierig, die Beiträge der einzelnen Faktoren voneinander zu trennen, zum Teil deshalb, weil es schwierig ist, die Lachse im Ozean zu verfolgen: Im Allgemeinen werden nur Süsswasser-Überlebende beobachtet. Die Informationen sind also unvollständig.
Die laufenden Arbeiten zum Atlantischen Lachs am INRA werden zumindest teilweise Antworten auf diese Fragen liefern. Die langfristige Überwachung der Populationen und die Beschaffung von Proben wie zum Beispiel Schuppen wird es ermöglichen, die Wachstumsbedingungen auf See zu untersuchen und festzustellen, ob genetische Veränderungen im Zusammenhang mit dem Klima im Gange sind. Ein besseres Verständnis der Funktionsweise von Populationen und der Versuch, Vorhersagen über sie zu treffen, ist eine grosse Herausforderung.»