Das musst du wissen

  • Forschende haben die Temperaturen der letzten 12 000 Jahre – des sogenannten Holozäns – neu rekonstruiert.
  • Sie zeigen, dass sich das Klima bis vor rund hundert Jahren wenig veränderte und bestätigen damit Modellsimulationen.
  • Damit sind die aktuellen Jahresmitteltemperaturen die höchsten des gesamten Holozäns.
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Für Klimaskeptiker war es ein gefundenes Fressen: Wie sich die Temperaturen in den letzten 12 000 Jahren entwickelten, war bisher nicht eindeutig geklärt. Rekonstruktionen anhand von geologischen Archiven deuteten darauf hin, dass es vor ungefähr 7000 Jahren auf der Erde wärmer wurde und anschliessend wieder kühler. Im Gegensatz dazu berechneten Computersimulationen eine kontinuierliche Erwärmung. Dieser Unterschied stellte Klimaforscher vor ein Rätsel. Doch nun hat ein Team amerikanischer Forschender herausgefunden, wieso die beiden Kurven nicht zusammenpassten. Die Ergebnisse wurden im Fachmagazin Nature publiziert.

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Studie: Seasonal origin of the thermal maxima at the Holocene and the last interglacialKommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsDie Ergebnisse sind sehr zuverlässig. Eine Einschränkung ist, dass nur Daten zwischen 40 Grad Nord und 40 Grad Süd miteinbezogen wurden. Auch basiert die Studie auf lediglich zwei Temperatur-Proxies aus marinen Sedimenten. Damit ist noch nicht klar, ob sich die Temperaturen über Landgebieten gleich entwickelt haben. Die Resultate müssen durch die Analysen anderer Temperatur-Proxies noch bestätigt werden.Mehr Infos zu dieser Studie...

Jahreszeiten als Störfaktor

Für ihre Studie arbeiteten die Forschenden mit sogenannten Klima-Proxies. Das sind Daten, die indirekt anzeigen, wie warm es früher einmal war. Beispielsweise misst man Sauerstoffisotope in den Schalen von marinen Mikroorganismen, die in Meeressedimenten ablagert wurden. Da die Isotope von der Wassertemperatur abhängig sind, können Forschende so herausfinden, welche Temperaturen zu der Zeit herrschten, als die Tierchen noch lebten. Andere Beispiele sind etwa die Dichte und Dicke von Baumringen oder die Ausdehnung von Gletschern. Diese beiden Beispiele illustrieren jedoch eines der Probleme, die Proxy-Daten oft haben: Bäume wachsen nur im Sommer, während Gletscher dann schmelzen. Damit widerspiegeln die rekonstruierten Temperaturen saisonale statt mittlere jährliche Temperaturen.

Schon länger vermuteten Forschende daher, dass dies das Rätsel um die divergierenden Temperaturkurven der Proxies und der Modelle erklären könnte. Doch erst jetzt gelang es, die saisonale Verzerrung in den Rekonstruktionen genau zu bestimmen und anschliessend aus den Daten herauszurechnen. Dafür wählten die amerikanischen Forschenden Datensätze von Meeressedimenten aus dem Holozän und übersetzten die saisonalen Temperaturen in Jahresmitteltemperaturen. Die umgewandelten Daten zeigen nun: Das Klima erwärmt sich seit dem frühen Holozän kontinuierlich. Die vom Störfaktor Jahreszeit korrigierten Daten zeigen also dasselbe, wie die Computersimulationen.

Ein Grad wärmer in Tausenden Jahren

In der Vergangenheit habe es immer wieder Beispiele gegeben, wo sich Modellberechnungen als zuverlässiger erwiesen als Daten, sagt Reto Knutti, Klimaphysiker an der ETH Zürich. «Stimmen Messdaten und Modelle nicht überein, heisst es immer sofort, dass die Modelle falsch sind». Dabei gehe aber vergessen, dass Daten wie etwa die Proxies nur indirekte Messungen sind, die – genau wie Modelle – auf verschiedenen Annahmen beruhen. Damit könnten die Unstimmigkeiten sowohl bei den Modellen als auch bei den Proxies entstehen. Falsch seien die bisherigen Rekonstruktionen aber nicht gewesen, ergänzt der Forscher. «Man hat nur lange nicht gemerkt, dass man da nicht die gleichen Temperaturen, also quasi Äpfel mit Birnen, verglich».

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Was die Studie nun auch zeigt: Vor 8000 Jahren war es nicht so warm, wie Klimaforscher bisher dachten. Die bisherigen Proxy-Rekonstruktionen deuteten auf Temperaturen hin, die noch weit über den heutigen lagen. Darauf gib es jetzt keine Hinweise mehr. Im Gegenteil: Die neuen Daten zeigen, dass es in den vergangenen 10 000 Jahren noch nie so heiss war wie heute. Und, dass das Holozän vor Beginn der Industrialisierung insgesamt sehr stabil war: In mehreren Tausend Jahren stieg die Temperatur um weniger als ein Grad Celsius. Der Temperaturanstieg um mehr als ein weiteres Grad seit der industriellen Revolution hingegen dauerte nur ein Jahrhundert.

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