Das musst du wissen

  • Stammzellen entwickeln sich bei Laborversuchen unter dem Einfluss der Schwerkraft nur zweidimensional.
  • Wo die Gravitation nicht wirkt, entstehen aus ihnen dreidimensionale Zellstrukturen, wie zum Beispiel Knochengewebe.
  • Im All könnte künftig menschliches Gewebe für medizinische Behandlungen gezüchtet werden.

Am 6. März startete die Rakete SpaceX CRS-20 ihre Reise zur Internationalen Raumstation ISS. Nebst Sauerstoff, Frischwasser und Lebensmitteln waren auch 250 Teströhrchen an Bord, gefüllt mit menschlichen Stammzellen. Aus ihnen sollen Knorpel-, Knochen- und Organgewebe wachsen. Projektleiter Oliver Ullrich und Cora Thiel vom Space Hub der Universität Zürich testen damit eine neue Methode, die zukünftig in Bereichen wie der Transplantationsmedizin angewendet werden könnte. Das Projekt ist eine Zusammenarbeit zwischen der Universität Zürich und der Division Raumfahrttechnik des Flugzeugherstellers Airbus.

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Die Forschenden testen, ob menschliches Gewebe im All tatsächlich gezüchtet werden kann. Denn anders als auf der Erde herrscht im Erdorbit Schwerelosigkeit. Bei Versuchen im Labor bewirkt die Erdanziehungskraft, dass die Stammzellen in der Lösung absinken, Gewebestrukturen bilden sich dabei höchstens in seltenen Fällen. Eine dreidimensionale Struktur lässt sich zwar bewirken, indem den Zellen ein Wachstumsgerüst vorgegeben wird. Um einiges effizienter läuft die räumliche Entwicklung der Stammzellen jedoch in der Schwerelosigkeit ab.

Die Stammzellen in der Internationalen Raumstation vermehren sich bei konstanter Temperatur in einem sterilen Mini-Labor. Durch die Zugabe von verschiedenen Wachstumsfaktoren in Form von Proteinen können die Forschenden steuern, in welches Gewebe sich die Zellen am Ende verwandeln sollen. Einen Monat lang sollen sie wachsen. Dann folgt die Analyse.

Das Mini-Labor «CubeLab» an Bord der ISS.

Etwa ein halbes Jahr lang werden die Forschenden laut Oliver Ullrich, Professor für Anatomie an der Universität Zürich und Direktor des UZH Space Hub, mit der Analyse der Ergebnisse beschäftigt sein. Wenn der Versuch erfolgreich verläuft, wird als nächstes die Herstellung von menschlichem Gewebe in grösseren Mengen getestet.

Die Forschenden wollen so nebst der Transplantations- auch die sogenannte Präzisionsmedizin voranbringen. Die Vision: Die Stammzellen von einzelnen Patienten könnten im schwerelosen Raum zum gewünschten Gewebe herangezüchtet werden. An diesem Gewebe würden dann Medikamentenart, -kombination und -dosis so optimiert, dass sie ideal auf den Patienten abgestimmt sind. So kann die Behandlung an individuelle Bedürfnisse und genomischen Bedingungen angepasst werden. Ausserdem bieten Tests mit derartig produziertem Gewebe eine Alternative zu Tierversuchen.

Die grösste Herausforderung für das Projekt sehen die Leitenden in der ungewissen Zukunft der Internationalen Raumstation. «Es steht und fällt mit dem Zugang zur Schwerelosigkeit auf der ISS». Doch Ullrich ist sich in jedem Fall sicher: «Der Mensch wird in wenigen Jahrzehnten den erdnahen Weltraum mit seinen spezifischen Eigenschaften als Forschungs-, Entwicklungs- und Produktionsort nutzen».

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