Das musst du wissen

  • Am 20. April 2010 explodierte im Golf von Mexiko die Ölbohrplattform Deepwater Horizon.
  • 800 Millionen Liter Öl flossen insgesamt während rund 12 Wochen aus dem Leck am Bohrloch.
  • Die Folgen sind heute noch sichtbar: Fische enthalten noch immer erhebliche Mengen an giftigen Erdölbestandteilen.

Als die Ölbohrplattform Deepwater Horizon am 20. April 2010 explodierte, setzte sich eine der fatalsten, menschgemachten Umweltkatastrophen der Geschichte in Gang. Elf Menschen starben auf der Plattform, die von Transocean im Auftrag des Ölkonzerns BP betrieben wurde. Rund 800 Millionen Liter Öl traten in 1522 Metern Tiefe aus und vergifteten den Golf von Mexiko – denn das Leck war aussergewöhnlich schwierig zu stopfen. Die schwarze Masse bedeckte eine Meeresoberfläche von rund 149 000 Quadratkilometern. Das ist mehr als dreimal die Fläche der Schweiz. Zudem traten 250 000 Tonnen Gas aus, vor allem extrem klimaschädliches Methan.
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Die unmittelbaren Folgen für die Natur waren immens: Über 10 000 Braunpelikane verendeten, Schildkröten und Delfine spülte es zu Hunderten tot an die Strände, Korallenriffe darbten dahin. Das Öl schadete verschiedensten Organismen, führte zu höherer Sterblichkeit, zu Krankheiten, geringerem Wachstum und reduzierter Fortpflanzung. Manche Arten, wie Shrimps, vermehrten sich hingegen. Manche Ökosysteme erholten sich wieder, andere noch nicht. Was die Unmengen von Öl aber tatsächlich alles in Gang setzten, welche Organismen welche Schäden davontrugen, ist immer noch Gegenstand der Forschung.

Science-Check ✓

Studie: A First Comprehensive Baseline of Hydrocarbon Pollution in Gulf of Mexico FishesKommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsDie Forschenden haben über Jahre hinweg Proben gesammelt. Aussagen über einzelne Arten können sie nicht machen, da hier die Grössen der Stichproben zu klein sind. Auch können sie nicht sagen, wie die giftigen Erdölbestandteile in die Tiere gekommen sind. Sie messen lediglich, wie hoch die Werte sind. Ob die Bestandteile von dem Öl von Deepwater Horizon oder aus anderen Quellen stammt, können sie ebenfalls nicht sagen. Die Studie dient denn auch primär einer Bestandsaufnahme, wie viele der giftigen Stoffe derzeit in den Fischen existieren.Mehr Infos zu dieser Studie...

Noch lange ist das Ausmass der Konsequenzen nicht ausreichend geklärt. Das Hauptproblem: Es fehlen Vergleichswerte aus der Zeit vor der Ölkatastrophe. Erschwert wird die Forschung dadurch, dass es im Golf von Mexiko etliche natürliche Risse im Meeresboden gibt, aus denen Öl austritt. Nicht alles Öl, das im Meer schwimmt, stammt also von Deepwater Horizon oder anderen Ölkatastrophen. Denn Deepwater Horizon ist bei weitem nicht der einzige Zwischenfall: Allein zwischen 1964 und 2012 kam es zu 343 Ölaustritten entlang dem sogenannten «Outer Continental Shelf», dem Festlandsockel in Küstennähe. Jährlich soll es in amerikanischen Gewässern zudem Tausende kleine Ölaustritte geben.

Wissenschaftler haben nun, nach zehn Jahren Forschung, ermittelt, dass die Fischbestände im Golf von Mexiko auch heute noch erhebliche Mengen von giftigen Ölbestandteilen in sich tragen. 2 503 Fische wurden auf polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) hin untersucht, die giftige Bestandteile von Erdöl sind.

Die Forschenden untersuchten vor allem Lebergewebe und den Gallensaft der Tiere. Am stärksten belastet sind heute noch Gelbflossen-Thunfische, Ziegelbarsche und Rote Trommler – aber in allen Tieren fanden sich PAKs. Die Fische sind zwar immer noch essbar, denn die Konzentrationen sind für den Menschen nicht bedrohlich. Der Fischgesundheit aber schaden sie.

Roter Trommler wird untersuchtUniversity of South Florida

Der Rote Trommler gehört zu den Fischarten, die von der Ölkatastrophe besonders betroffen sind.

So zeigt eine weitere Studie aus den USA aus dem Jahr 2018, dass in der Nähe des Unfallortes zwischen 40 bis 70 Prozent der Populationen verschiedener Arten verschwanden. Am härtesten traf es Fischarten, die in Bodennähe oder in den Korallenriffen leben. Und vor allem: Es starben überwiegend Fischlarven und Babyfische. So wurde quasi eine ganze Generation von Fischen ausgelöscht – die Folgen davon könnten erst noch auf uns zukommen: «Obwohl das nun acht Jahre her ist, haben wir noch nicht die letzten aller Konsequenzen gesehen», sagte der Hauptautor Cameron Ainsworth, Professor für Meereswissenschaften an der Universität South Florida, damals in einer Mitteilung.

Dass die Ölkatastrophe noch Jahrzehnte nachwirken wird, liegt auch daran, dass beträchtliche Mengen des Erdöls auf dem Meeresgrund lagern: Experten gehen von bis zu 15 Prozent des ausgelaufenen Öls aus. Dieses wird immer wieder aufgewühlt und gelangt so neu in den Nahrungskreislauf – was sich in schwankenden PAK-Werten in Fischen niederschlägt. Ob dies eine Folge des grosszügigen Einsatzes von Chemikalien während der Ölkatastrophe ist, bleibt umstritten. Klar ist: Rund eine Million Liter des Gemisches Corexit 9500 und 9527 wurden tief unter Wasser und an der Oberfläche ausgesprüht, um das Öl zu dispergieren, also in kleine Tröpfchen zu spalten und so die Vergrösserung des Ölteppichs zu verhindern. Die kleinen Tröpfchen stiegen nicht an die Wasseroberfläche auf, sondern verblieben in tiefen Wasserschichten. Ausserdem sollte das Dispergieren den Abbau durch Bakterien beschleunigen. Um den Ölteppich vom Festland fernzuhalten, wurde zudem Öl verbrannt – allerdings nur rund 1600 Liter. Auch sollte der Ölteppich durch Schranken eingezäunt und abgesaugt werden, was wegen hohem Wellengang nur beschränkt gelang. Das konnte nicht verhindern, dass 2100 Kilometer Küste verschmutzt wurden.

Einige Monate später war das Öl im Meer nicht mehr sichtbar. Es war verdunstet, abgesunken – oder von Bakterien zersetzt worden. Die Flora und Fauna aber hat sich bis heute nicht erholt. Rund um das Bohrloch bleibt die Artenvielfalt bisher reduziert.

Gelernt hat die Industrie von der grössten Ölkatastrophe der amerikanischen Geschichte allem Anschein nach nur wenig: Im nördlichen Golf von Mexiko waren 2018 rund 100 000 Ölbohrplattformen in Betrieb. Und eine neue Recherche der New York Times zeigt: Die USA sind heute sicherheitstechnisch kaum besser auf eine solche Katastrophe vorbereitet, als 2010. Die Branche weist diesen Vorwurf allerdings zurück.

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