Alex Reichmuth für die «Basler Zeitung», 6. Juli 2018

Beat Glogger – der Name wird vielen Fernsehzuschauern noch in Erinnerung sein: Zwölf Jahre lang moderierte der diplomierte Mikrobiologe in den 80er- und 90er-Jahren die Sendung «Menschen, Technik, Wissenschaft MTW» des Schweizer Fernsehens, das Vorgängermagazin des heutigen Formats «Einstein». Glogger, der die zuständige Redaktion auch sechs Jahre lang leitete, war «Mister MTW». 1999 verabschiedete er sich von der Sendung. Er ging für drei Jahre als Korrespondent nach Costa Rica.

Auch wenn er heute nicht mehr am Bildschirm Forschungsresultate präsentiert, Beat Glogger ist Wissenschaftsjournalist geblieben – durch und durch. Wir treffen ihn in Winterthur in den Büros seiner Firma Scitec-Media, die für Wissenschaftsjournalismus und Wissenschaftskommunikation steht. Er hat das Unternehmen 2003 nach seiner Rückkehr in die Schweiz gegründet. Der sportliche 58-Jährige sprüht Elan aus. Und dieser Elan gilt, wie eh und je, der Vermittlung von Forschung.

«Wissenschaft bildet die Basis unserer Gesellschaft», argumentiert Glogger. «Fast alles in der modernen Welt beruht auf Forschungsresultaten und Innovation.» Er macht einen Bogen von der Erfindung des Buchdrucks bis zur modernen Handytechnologie. Für ihn als Journalisten gebe es «nichts ausser Wissenschaft», das ihn wirklich fasziniere. Und dieses Interesse teile er mit einem beachtlichen Teil der Bevölkerung, betont Glogger. Er zitiert eine Umfrage, die vor der Abstimmung über die No-Billag-Initiative über die thematischen Präferenzen der SRF-Zuschauer durchgeführt wurde: Demnach misst das Publikum Wissenschaftssendungen die vierthöchste Priorität zu. Zudem sei die Schweiz als Wirtschaftsstandort besonders auf einen hohen Bildungsstand ihrer Bevölkerung angewiesen.

Interesse ist da, aber Geld fehlt

Die Vermittlung von Forschung müsste also weit oben auf der Agenda von Zeitungen und Sendern stehen. Die Realität ist aber ganz anders: Zeitungshäuser und Sendeanstalten sparen bei den Spartenredaktionen, wenn sie finanziell unter Druck geraten, also auch bei der Wissenschaft. Und finanzieller Druck ist wegen wegbrechender Inserate-Einnahmen derzeit der Normalfall bei den Medien. Das Ergebnis ist, dass es heute in den Schweizer Medien nur noch wenig eigene, seriöse Berichterstattung über Forschung gibt.

Beat Glogger hat zwar Verständnis für die angespannte Situation vieler Medienhäuser. Er hält es aber für eine schlechte Entwicklung, dass die Wissenschaft immer zuerst weichen muss. Gemäss seinen Erfahrungen fehlt es weniger am Verständnis von Chefredaktoren: «Diese zeigen durchaus Interesse an Angeboten.» Solange man sie ihnen gratis anbiete. Dafür bezahlen wollen die Verleger aber nicht, wie Glogger erfahren musste.

In den letzten Jahren hat der ehemalige MTW-Mann zusammen mit seinem Team mehrere Anläufe unternommen, um den Wissenschaftsjournalismus neu zu beleben. Ab 2009 belieferte Gloggers Scitec-Media die Pendlerzeitung 20 Minuten wöchentlich mit einer fertig produzierten Doppelseite zu Wissenschaftsthemen – zum Nulltarif. Finanziert wurde das Angebot von den Stiftungen Mercator und Gebert Rüf. Sie gaben im Schnitt 340 000 Franken pro Jahr dafür aus. Doch Ende 2015, nach sechs Jahren, lief das Engagement der Stiftungen aus. Und selber finanzieren wollte oder konnte 20 Minuten die Wissenschaftsseiten von Scitec-Media nicht.

2016 setzte Glogger darum auf Inserate, um die Wissenschaftsseiten weiter zu finanzieren. Seine Scitec-Media beauftragte eine professionelle Agentur mit der Akquisition von Werbung. Geholfen hat es wenig: Es sind lediglich zwanzig Prozent der nötigen Werbeeinnahmen zusammengekommen. Glogger gab nicht auf: Er konnte die Gebert-Rüf-Stiftung erneut für ein finanzielles Engagement überzeugen – mit einem neuen Konzept: Es sollten künftig mehrere Zeitungen statt nur eine einzige mit den Wissenschafts-Inhalten beliefert werden. Glogger konnte unter anderem die Südostschweiz, die Aargauer Zeitung, die Berner Zeitung, die Freiburger Nachrichten und später auch den Blick am Abend als Abnehmer gewinnen. Die Hoffnung war, dass die Verleger nach einer anfänglichen Gratisphase bereit wären, sich an der Finanzierung der Seiten zu beteiligen, wenn sie jeweils nur einen Teil der Produktionskosten zu tragen hätten.

Das Engagement der Gebert-Rüf-Stiftung läuft Ende 2018 aus. Die Verleger aber wollen partout nicht für Gloggers Wissenschaftsseiten in die Tasche greifen, selbst dann nicht, wenn sie das nur wenige Tausend Franken pro Jahr kosten würde.

Doch vorausschauend, wie Beat Glogger ist, hat er erneut ein Ersatzprojekt aufgegleist, damit seine Wissenschaftsseiten weiterexistieren: Das neue Projekt heisst «higgs» – benannt nach dem sagenumwobenen Elementarteilchen, das für Gravitation verantwortlich sein soll. «Higgs» ist im letzten Januar online gegangen und bietet laut Glogger «Wissensangebote für jedes Publikum, unabhängig vom Alter und Bildungsgrad». Die Plattform bringt täglich Neues aus der Forschungswelt. Erklärt wird etwa, warum Dinosaurier extrem unbewegliche Zungen hatten, wie die Schweizer Flagge entstanden ist, oder was hinter Vorurteilen gegenüber Atheisten steckt.

Reichweite gegen Finanzierung

Die Idee von «higgs» sei aber weit mehr als eine Webplattform, betont Glogger. «Denn wir verschenken weiterhin unsere Inhalte an Zeitungen, die diese abdrucken wollen. So bringen wir Wissen in jeden Winkel der Schweiz.»

Finanzieren will Beat Glogger diese neue Idee nicht mehr durch Verleger oder Inserenten, sondern durch eine neue Stiftung: «Wissen für alle». Diese soll von Gönnern alimentiert werden, die ein Interesse an Wissenschaftsvermittlung haben. Glogger nennt in diesem Zusammenhang Hochschulen, staatliche Behörden (wie das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation), den Nationalfonds, Wissenschaftsakademien, andere Stiftungen und Unternehmen. Ein Stiftungsrat soll sicherstellen, dass die Geldgeber keinen Einfluss auf die Berichterstattung nehmen können.

«Das Konzept heisst ‹Reichweite gegen Finanzierung›», erklärt Beat Glogger. In der Tat erreichen die Printtitel, die er mit Wissenschaftsinhalten beliefern kann, schon heute über eine Million Leser – und es sollen noch mehr werden. Geplant ist unter anderem eine Erweiterung in die französischsprachige Schweiz.

Gesichert ist das Projekt aber noch nicht. Glogger steht vor der Herkulesaufgabe, genügend Sponsoren und Stiftungsmitglieder zusammenzutrommeln, um «higgs» dauerhaft zu finanzieren. Kommt aber genügend Geld für die Stiftung «Wissen für alle» zusammen, arbeiten in den Büros von Scitec-Media wohl bald einige Wissenschaftsjournalisten mehr als heute.

«Eigentlich», sagt Beat Glogger, «will ich ja nichts mit Geld zu tun haben, viel mehr liegt mir die Wissenschaft am Herzen.» Derzeit wendet er dennoch den grössten Teil seiner Zeit auf, um Geldgeber für «higgs» und die neue Stiftung zu gewinnen. Seiner Leidenschaft für Wissenschaft ordnet Glogger eben alles unter.

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