Das musst du wissen

  • Aus dem unterirdisch wachsenden Teil von gewissen Pilzen lassen sich lederähnliche Materialien herstellen.
  • Dieses Pilzleder ist umweltfreundlicher als tierisches Leder oder Kunstleder.
  • Über zehn Pilzleder-Patente sind bereits angemeldet und erste Anlagen stehen in den USA, Italien und Indonesien.
Den Text vorlesen lassen:

Das Leder unserer Schuhe, Jacken und Sofas stammt von den Tieren, die wir essen: Über 77 Milliarden Tiere werden weltweit jährlich geschlachtet – und als Nebenprodukt fällt die Tierhaut an. Diese Haut wird durch Gerbung haltbar gemacht und als Leder weiterverarbeitet – mit Ausnahme einiger Tierhäute, die dafür zu dünn sind oder zu Fellen verarbeitet werden. Doch die Produktion der gegerbten Tierhaut gilt als umweltschädigend. Vor allem die Chemikalien, die bei der Gerbung eingesetzt werden, belasten das Ökosystem. Umweltverträglicher wäre Kunstleder. Aber hier ist die Entsorgung des nicht abbaubaren Kunststoffes problematisch. Eine umweltfreundlichere Alternative ist Leder aus Pilzen. Dieses ist nicht nur gleich stabil wie tierisches Leder – sondern auch noch ökologisch.

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Dabei kommen ganz verschiedene Pilzarten zum Zug, wie etwa Schimmelpilze oder der in der chinesischen Medizin eingesetzte Pilz Reishi. Bereits über zehn Pilzleder-Patente sind angemeldet und erste Anlagen stehen in den USA, Italien und Indonesien. Ein internationales Forscherteam um Alexander Bismark, Professor für Synthetische Materialchemie an der Universität Wien, hat nun eine Übersichtsstudie in «Nature Sustainability» veröffentlicht, welche die Nachhaltigkeit von tierischem Leder und Kunstleder vergleicht und das Potenzial der Variante aus Pilzen analysiert.

Science-Check ✓

Studie: Leather-like material biofabrication using fungiKommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsEs handelt sich um eine Übersichtsstudie, welche verschiedene Forschungsergebnisse zu Pilzleder vereint. Einer der Autoren war angestellt bei Firmen, die im Bereich Pilzleder-Technologie tätig sind, das könnte in einer Befangenheit resultieren, muss aber nicht.Mehr Infos zu dieser Studie...

Um das Leder herzustellen, wird nur der unterirdisch wachsende Teil der Pilze genutzt, das so genannte Myzel. Den normalerweise sichtbaren Teil des Pilzes braucht es für die Herstellung nicht. Damit der Pilz keinen Fruchtkörper, also keinen Stil und Hut, bildet, muss die Produktion des Wurzelgeflechts unter Ausschluss von Luft erfolgen. Was mittels zwei unterschiedlicher Techniken möglich ist: Entweder wächst das Myzel in Fässern, die mit Flüssigkeit wie dem landwirtschaftlichen Abfallprodukt Melasse gefüllt sind. Oder der Pilz gedeiht auf Betten aus Sägemehl unter Begasung mit Kohlendioxid. Bei seinem Wachstum nutzt der Pilz somit kostengünstige Ressourcen und zersetzt diese. Übrig bleibt eine chitinhaltige Biomasse, die geerntet wird. Das Material wird dann gepresst, getrocknet und mittels chemischer Behandlung werden die einzelnen Pilzfäden vernetzt. Es entsteht ein lederartiges Material.

Dessen Stabilität verdankt das biologisch abbaubare Pilzleder dem darin enthaltenen Chitin. Es hat die gleiche Rissfestigkeit wie herkömmliches Leder, ist aber formbarer. Die grösste Herausforderung ist, ein gleichmässiges Wachstum der Wurzelgeflechte zu erreichen, damit das Leder überall gleich dick wird. Das gelingt durch gezielte Begasung mit Kohlendioxid. Und: Eine gleichmässige Dicke ist auch bei der tierischen Variante nicht immer einfach zu erzielen. Um hochwertiges Leder herzustellen, muss die Haut der Tiere sorgfältig abgezogen und gegerbt werden. Heute machen das nur noch zwei Firmen in der Schweiz, die Gerbereien Graber und Zeller in Bern. Der Rest des Leders wird importiert.

Ebenfalls eingeführt wird in der Schweiz Kunstleder. Wieviel weiss auch die Eidgenössischen Zollverwaltung nicht, da es keine eigene Erhebung dafür gibt. Dies macht eine Einschätzung der Marktentwicklung schwer. Global soll der Kunstledermarkt aber wachsen. Es wird geschätzt, dass er innerhalb von zehn Jahren bis 2025 um fast 27 Prozent auf rund 28 Milliarden US-Dollar anwachsen wird. Einen Teil dazu könnte Leder aus Pilzen beitragen.

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