Das musst du wissen

  • Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden wir in den kommenden fünf Jahren das heisseste Jahr aller Zeiten erleben.
  • Die Chancen, dass in fünf Jahren die 1,5-Grad-Schwelle bereits erstmals überschritten wurde, stehen fünfzig zu fünfzig.
  • Daher sei jetzt der Moment zu handeln, mahnt Klimaforscher Reto Knutti.
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Die Hiobsbotschaften zum Klimawandel reissen nicht ab: In den vergangenen Monaten hat bereits der Weltklimarat IPCC neue ernüchternde Prognosen zur langfristigen Entwicklung des Klimas präsentiert. Jetzt doppelt die Weltwetterorganisation WMO in ihrem neuen Jahresbericht nach: In den nächsten fünf Jahren werden wir mit höchster Wahrscheinlichkeit das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen erleben.

Ganze 93 Prozent beträgt gemäss der WMO die Wahrscheinlichkeit, dass der Fünfjahreszeitraum wärmer wird als die vorherigen fünf Jahre – ein eindeutiges Zeichen für die rasante Erderwärmung. Ebenso hoch ist die Chance, dass zwischen 2022 und 2026 das wärmste Jahr der jüngeren Menschheitsgeschichte bevorsteht. Damit würde das Rekordjahr 2016 entthront – damals lag die Temperatur 1,1 Grad über dem vorindustriellen Wert.

Pariser Klimagrenzwert in gefährlicher Nähe

Gerade einmal sieben Jahre ist es her, dass sich die Staaten der Erde an der Klimakonferenz in Paris auf die Eindämmung des Klimawandels geeignet haben: Bis zum Ende des Jahrhunderts soll die globale Temperatur deutlich unter 2 Grad über dem vorindustriellen Wert bleiben, möglichst unter 1,5 Grad. Wie nahe wir der ambitionierten Erwärmungsgrenze bereits jetzt sind, zeigt die aktuelle Prognose der WMO: Die Wahrscheinlichkeit, dass die 1,5-Grad-Marke in einem der kommenden fünf Jahre erstmals erreicht wird, liegt bei knapp fünfzig Prozent. Das bedeutet aber nicht, dass sich das Klima bereits um 1,5 Grad erwärmt hat, wie es einige Medien dargestellt haben: «Hier wird ein einzelnes Jahr mit einem langjährigen Mittel vermischt», führt Klimaforscher und ETH-Professor Reto Knutti aus. «Fakt ist, dass wir nahe am 1,5-Grad-Ziel sind, aber als langfristiges Klimaziel werden wir es noch eine Weile nicht überschreiten.»

«Die bisherigen Schritte waren zu zögerlich. Entscheidend ist, dass wir wirklich anfangen.»Reto Knutti, Klimaforscher

Die Folgen der Temperaturerhöhung fürs Wetter werden bereits in den kommenden Jahren spürbar sein, prognostiziert die WMO. Regional sieht es dabei ganz unterschiedlich aus: Während Südwesteuropa und der Südwesten Nordamerikas trockener werden, wird das Wetter in Nordeuropa, der Sahelzone oder Australien feuchter. In den arktischen Regionen erhöhen sich die Temperaturen besonders stark. Auch in der Schweiz wird sich das Klima ändern: Neben dem Temperaturanstieg sind höhere Niederschlagsmengen im Winter und trockenere Sommer zu erwarten, Extremwetterereignisse wie Hitzewellen und Starkniederschlag werden häufiger.

«Jede Tonne CO₂ zählt»

Das grösste Problem seien allerdings nicht die Klimaveränderungen in der Schweiz, sondern die weltweiten Konsequenzen, sagt Knutti: «Geht es dem Rest der Welt schlecht, dann trifft uns das auch.» Gerade die tropischen Länder im globalen Süden würden schwerer von den Folgen des Klimawandels getroffen. Daher sei die Schweiz wohl mehr von den Auswirkungen im Ausland betroffen als von den inländischen.

Für Reto Knutti bedeuten diese Prognosen, dass die Bemühungen im Kampf gegen den Klimawandel weiter intensiviert werden müssen. «Steigt die globale Erwärmung von einem Grad auf 1,5, nehmen die Schäden wesentlich weniger zu als von 1,5 auf zwei Grad», so der Klimawissenschaftler. Noch bestünde die Chance, den Klimawandel zumindest einzudämmen: «Jedes Jahr zählt, jede Tonne CO₂, jedes Zehntelgrad.» Knutti sieht das zwei-Grad-Ziel aus Paris noch in greifbarer Nähe. Aber: «Die bisherigen Schritte waren zu zögerlich. Entscheidend ist, dass wir wirklich anfangen.» Die nötigen Mittel um den Klimawandel aufzuhalten, seien bereits vorhanden – was es jetzt noch braucht, sei der gesellschaftliche Wille.

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