Das musst du wissen

  • Seit 1850 hat sich die Erde um 1,1 Grad Celsius erwärmt, vermutlich wird das 1,5-Grad-Ziel überschritten.
  • Schon heute sehen wir Folgen des Klimawandels – der neue IPCC-Bericht zeigt, auf was wir uns gefasst machen müssen.
  • Vier Schlüsselrisiken bedrohen uns in Europa besonders – doch wir können uns jetzt darauf vorbereiten.
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Der Klimawandel ist in vollem Gange. Seit Beginn des industriellen Zeitalters ist die durchschnittliche Temperatur auf der Erde um 1,1 Grad Celsius gestiegen. Die Folgen zeigen sich bereits heute durch immer häufigere Extremwetterereignisse wie Hochwasser, Hitzewellen und Trockenheit. Um ein umfassendes Bild davon zu bekommen, was uns in der Zukunft noch blüht, hat das Intergovernmental Panel on Climate Change IPCC, kurz Weltklimarat, zum sechsten Mal einen Sachstandsbericht zum Klimawandel vorgelegt. Darin zeichnen die Klimaforschenden ein noch düstereres Bild des Wandels unserer Welt bis zum Ende des Jahrhunderts als zuvor. Doch gleichzeitig geht es im Bericht auch um die Wege, mit den Veränderungen umzugehen.

Der vorherige Report stammt aus dem Jahr 2013, doch seitdem ist ein Vielfaches an neuen Forschungsergebnissen hinzugekommen – in den aktuellen Teilbericht sind 30 000 Publikationen eingeflossen. Der Bericht wird gestaffelt veröffentlicht: Der erste Teil zu den physikalischen Grundlagen erschien im vergangenen August, der dritte und letzte Teil zum Abbremsen des Klimawandels wird wohl im kommenden April veröffentlicht.

Bereits im ersten Teilbericht machten die Forschenden klar: Selbst wenn die Menschheit sich auf einen nachhaltigen Weg mit wenig Material- und Energieverbrauch macht, wird mit fünfzigprozentiger Wahrscheinlichkeit zumindest zeitweise das vieldiskutierte 1,5-Grad-Ziel überschritten. Wenn die Menschheit weitermacht wie bisher, wird die Erderwärmung wohl eher auf drei Grad Celsius zusteuern. In jedem Fall also werden Mensch, Tier und Umwelt sich an veränderte Klimabedingungen anpassen müssen. Dieser Herausforderung widmeten sich die rund 300 Forschenden, welche den 4000 Seiten starken zweiten Teilbericht verfasst haben. Die Kernaussage: Der Klimawandel hat bereits bei den heutigen 1,1 Grad Erderwärmung verheerende Folgen – und es wird noch schlimmer. 127 Risikofaktoren für Mensch und Umwelt haben die Forschenden identifiziert. Für Europa werden vier Schlüsselrisiken genannt, für welche die Forschenden allerdings auch Ratschläge parat haben, um sich den geänderten Bedingungen anzupassen.

Höhere Sterblichkeit durch Hitze

Das erste Schlüsselrisiko: Es wird heiss. Andreas Fischlin, Klimaforscher an der ETH und Mitverfasser des neuen Berichts, erklärte an der Medienkonferenz der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz (SCNAT) zum neuen IPCC-Bericht, dass ein so heisser und trockener Sommer, wie wir ihn 2018 in der Schweiz erlebt haben, früher ein Jahrhundertereignis war.

«Bei der heutigen Erderwärmung kommt so ein Sommer alle zehn Jahre vor. Aber wenn sich sich die Erde auf 1,5 Grad erwärmt, haben wir einen mindestens so heissen Sommer alle drei Jahre – bei zwei Grad sogar jährlich.» Die Hitze schlägt auf die Gesundheit, was sie zum Risiko macht – jedes weitere heisse Jahr häufen sich die Berichte über Hitzetode.

Wenn wir die Erderwärmung auf 1,5 Grad begrenzen können, würden die Todeszahlen um das Zwei- bis Dreifache niedriger liegen als bei den drei Grad, auf die wir aktuell zusteuern. Dennoch muss sich die Menschheit auf die Hitze gefasst machen. Raumkühlung und hitzeabsorbierende Städteplanung, zum Beispiel durch Stadtbegrünung und Schattenplätze, sollen eine Überhitzung verhindern. Doch auch die Ökosysteme werden sich der Hitze anpassen müssen. Und auch wenn einige Tier- und Pflanzenarten sich besser an veränderte Temperaturen anpassen können: Die Umweltsysteme brauchen besonderen Schutz und mehr Platz.

Trockenheit und Wasserknappheit gefährden unsere Ernährung

Die höheren Temperaturen haben noch weitere Folgen: Denn es fällt auch weniger Regen. Trockenheitsbedingt wird ein Grossteil Europas im Verlauf des Jahrhunderts an landwirtschaftlicher Fläche verlieren. Damit werden die Ernten zunehmend kleiner ausfallen. Ernteausfall, das zweite Schlüsselrisiko, wird die Ernährungslage auch in Europa verschlechtern und das Problem der Mangelernährung verschärfen. Verhindert werden soll dies beispielsweise durch mehr Artenvielfalt auf dem Feld – auch hier gibt es Nutzpflanzen, die sich besser an die klimatischen Bedingungen anpassen können. Ein weiterer Baustein könnte die Agroforstwirtschaft sein, also Mischformen zwischen Wald- und Nutzpflanzenflächen. Vor allem aber soll Bewässerung helfen, den Regenausfall zu kompensieren und die Erntemengen zu erhalten.

Bewässerung ist aber ebenfalls nur eine begrenzt verfügbare Anpassungsmöglichkeit – denn Wasserknappheit ist das dritte Schlüsselrisiko. Schon heute hat nur die Hälfte der Weltbevölkerung Zugang zu ausreichend Trinkwasser, ab zwei Grad Erderwärmung wäre ein Drittel der Menschen in Südeuropa ebenfalls betroffen. Darüber hinaus hat die Wasserknappheit auch Auswirkungen auf die Energieversorgung, bei drei Grad Erderwärmung würde in Teilen Europas die Stromversorgung aus Wasserkraft um vierzig Prozent sinken. Diesem Problem könnte die Menschheit durch die effektivere Speicherung und Wiederverwendung von Wasser, also zum Beispiel durch das Auffangen von Regenwasser, entgegentreten.

Obdachlosigkeit durch steigende Meeresspiegel und Hochwasser

Doch nicht nur zu wenig Wasser wird zum Problem werden, sondern auch zu viel. Bis zum Ende des Jahrhunderts könnten sich die Flutschäden in Küstenregionen verzehnfachen. Schon bis 2050 werden eine Milliarde Menschen vom Anstieg des Meeresspiegels durch das Abschmelzen der Eiskappen an den Polen betroffen sein, viele von ihnen könnten obdachlos werden. Der IPCC rät dazu, sich auf Umsiedlungen vorzubereiten und auch informelle Siedlungsprojekte zu ermöglichen. Doch nicht nur den Küsten drohen Überschwemmungen: Auch in der Schweiz müssen wir zukünftig mit häufigeren Hochwassern und Starkregenereignissen rechnen. Siedlungen müssen also flutresistenter werden: Das kann durch Drainagensysteme, Wasserauffangbecken oder schwammartige Bausubstanzen passieren. Auch Frühwarnsysteme müssen zuverlässig funktionieren, um im Notfall auf Hochwasser zu reagieren.

Einige dieser Massnahmen wurden mitunter auch in der Schweiz diskutiert, nachdem es im Sommer 2021 zu heftigen Starkregenfällen und Überschwemmungen gab, die in ganz Mitteleuropa starke Schäden anrichten. «Das ist eben das Problem: Oftmals bereiten wir uns nicht vorausschauend auf den Klimawandel vor, sondern reagieren erst im Nachhinein. Auch die Schweiz ist leider bislang geprägt von reaktiver Anpassung», sagt Klimaforscher Andreas Fischlin. Die Forschenden erklären zudem, dass die vorgeschlagenen Anpassungsmassnahmen keinen Ersatz für die notwendige Reduktion von Treibhausgasen sein können. Mit dieser Baustelle soll sich dann aber der dritte und letzte Teil des IPCC-Berichts beschäftigen, der voraussichtlich am 4. April veröffentlicht wird.

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