Das musst du wissen

  • Der Klimabericht ist die wissenschaftliche Hauptinformationsquelle für die internationalen Klimaverhandlungen.
  • Er bildet das aktuellste physikalische Verständnis des Klimasystems und des Klimawandels ab.
  • Anders als der letzte Bericht von 2013, hat der neue einen stärkeren Fokus auf regionale Aspekte des Klimawandels.
Den Text vorlesen lassen:

Herr Plattner, 2013 erschien der letzte Bericht des Weltklimarats (IPCC) zu den naturwissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels. Wieso braucht es jetzt schon wieder einen neuen?
Der Weltklimarat wurde 1988 von den Ländern gegründet, die Mitglieder der Vereinten Nationen oder der Weltorganisation für Meteorologie sind. Die Regierungen dieser Länder bestimmen, wie häufig sie Updates zum Klimawandel und seinen Folgen haben wollen. 2015 haben sie sich im Rahmen einer Versammlung darauf geeinigt, dass man nach dem fünften einen weiteren Klimazustandsbericht möchte. Denn dieser bildet zusammen mit den IPCC-Sonderberichten, die ebenfalls von den Regierungen in Auftrag gegeben werden und es zu verschiedenen Themen gibt, die wissenschaftliche Hauptinformationsquelle für die internationalen Klimaverhandlungen. Der IPCC-Bericht ist nicht das einzige, aber ein zentrales Element.

Gian-Kasper Plattner

Der Klimawissenschaftler ist Senior Scientist an der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL in Birmensdorf und leitet das Umwelt-Datenportal EnviDat. Als Mitglied des Direktionsstabs der WSL ist der zudem für die Strategieplanung und Koordination übergeordneter wissenschaftlicher Projekte zuständig. Seit dem 3. IPCC Sachstandsbericht hat er in immer anderen Rollen an insgesamt vier Bericht-Zyklen mitgearbeitet. Aktuell ist er als Autor des ersten Teils zu den physikalisch wissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels beteiligt.

Wo fliesst der Bericht sonst noch ein, beispielsweise in der Schweiz?
Wie alle anderen Regierungen braucht auch die Schweiz den Bericht als Basis für ihre nationale Planung und Gesetzgebung. Zudem liefert er die Grundlagen für verfeinerte Analysen für die Schweiz. Anhand der im Bericht untersuchten Szenarien lässt sich erforschen, was der Klimawandel für die Alpen oder das Mittelland bedeutet. 2018 kam beispielsweise ein grosser Bericht zu Schweizer Klimaszenarien raus, der sich auch auf Informationen aus dem IPCC-Bericht stützt.

Der Bericht ist ein Update des physikalischen Verständnisses des Klimawandels, wie Sie sagen. Was ist neu oder speziell daran?
In den Bericht neu eingeflossen ist alles, was in der Forschung seit 2012 passiert ist. Das sind ganz viele neue Informationen, bessere Klimamodelle und auch viel längere Beobachtungsdaten. Die letzten neun Jahre waren besonders relevant, denn die vergangene Dekade war die wärmste seit Messbeginn 1864. Die Themen im Bericht bleiben aber immer etwa die gleichen. Wie und warum ändert sich das Klima auf der Welt insgesamt und in verschiedenen Regionen? Was passiert mit den Gletschern, was passiert im Ozean oder in der Atmosphäre? Es gibt aber im Vergleich zum letzten Bericht neu einen stärkeren Fokus auf regionale Aspekte des Klimawandels. Und auch ein eigenes Kapitel zu Extremereignissen, wie sich diese in der Vergangenheit verändert haben und wie sie sich zukünftig entwickeln könnten.

Extremereignisse sind ja gerade ein sehr aktuelles Beispiel…
Das stimmt, die Starkniederschläge, die wir in der Schweiz, Deutschland und Belgien im Juli beobachtet haben, können wir aber nicht direkt dem Klimawandel zuordnen. Was wir in den Klimamodellen aber sehen, ist, dass der Trend in der Schweiz zu trockneren Sommern und vermehrten und stärkeren Extremniederschlägen geht. Von dem her sind die jüngsten Ereignisse kompatibel mit dem, was wir vom theoretischen Verständnis her erwarten.

6. Weltklimabericht

Am 9. August ist der sechste Bericht des Weltklimarats IPCC veröffentlicht worden. 234 Expertinnen und Experten aus 66 Ländern waren daran beteiligt. Eine Kernaussage: Eine Erwärmung von unter 1,5 Grad Celsius ist bis Mitte des Jahrhunderts kaum noch erreichbar. Im Extremfall kann sich die Temperatur bis 2050 um bis zu 5,7 Grad erhöhen. Die zunehmende Erwärmung führt laut dem Weltklimabericht zu mehr und heftigeren Hitzewellen, Starkregen und Dürren. Auch arktisches Eis, Gletscher und Permafrost werden durch eine anhaltende Temperaturerhöhung weiter schmelzen. Dadurch wird die Schneebedeckung abnehmen und der Meeresspiegel ansteigen. Ausserdem haben die Forschenden mehr Fokus auf regionale Analysen gelegt: Diese Klimadaten sind in einem interaktiven Atlas visualisiert. Das Team des IPCC hatte für diese Analyse mehr Daten, überarbeitete Modelle und ein besseres Verständnis der physikalischen Prozesse. Deshalb ist die Sicherheit der Ergebnisse im Vergleich zum letzten Bericht von 2013 gestiegen.

Wird es auch einen 7. Klimabericht geben?
Das ist eine Frage, die die Regierungen beantworten müssen, sobald der 6. Bericht auf dem Tisch liegt. Es würde mich aber sehr überraschen, wenn sie keinen 7. Bericht in Auftrag geben würden. Denn viele Länder, die hier dabei sind, können sich keine eigenen Klimazentren leisten, die solche Klima-Assessments für die durchführen. Sie sind sehr darauf angewiesen, dass sie diese Informationen vom IPCC bekommen.

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Wer finanziert denn diese Berichte?
Jede Regierung definiert selber, wie viel sie beitragen will oder kann. Es gibt einige sehr grosszügige Länder, wie beispielsweise die USA – auch wenn die Zahlungen unter Donald Trump temporär eingestellt wurden. Auch die Schweiz trägt substanziell bei, seit der Gründung des IPCC sind es über vier Millionen Schweizerfranken. Entwicklungsländer- und Schwellenländer zahlen in der Regel keine Beiträge. Auch die Reisespesen für die Experten aus diesen Ländern sind durch die Beiträge der anderen gedeckt, sodass niemand aufgrund von wirtschaftlicher Tragfähigkeit ausgeschlossen wird. Das ist für die Anerkennung der Berichte wichtig. Denn für viele Länder haben diese Berichte so ein ganz anderes Gewicht, wenn sie selber daran beteiligt sind. Sie können Experten nominieren, kommentieren und mitreden.

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