Das musst du wissen

  • Wie kann die Welt die Treibhausgase reduzieren? Damit befasst sich der dritte und letzte Teil des Weltklimaberichts.
  • Ernüchternd: Selbst das Pariser Klimaabkommen reicht nicht aus, um die Erderwärmung bei 1,5 Grad zu stabilisieren.
  • Die Schweiz muss ihren Bedarf an fossiler Energie beim Bau neuer Gebäude und in der Mobilität «massiv reduzieren».

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Dieser Mann findet deutliche Worte: «Der Klimawandel ist ernst, schlimmer als in den Jahren zuvor. Und wir tun nicht genug, um ihn aufzuhalten.» Das Statement stammt vom ETH-Umweltforscher Anthony Patt. Er ist einer der Hauptautoren des sechsten Berichts des Weltklimarates IPCC, der kürzlich veröffentlicht wurde. Und er gehört zu jenen Forschenden, die sich an der Medienkonferenz der Akademie für Naturwissenschaften Schweiz zu den jüngsten – alarmierenden – Erkenntnissen des Weltklimarats äussern.

«Die Treibhausgasemissionen müssen sehr schnell sinken, wenn wir katastrophale Folgen vermeiden wollen», sagt Patt – «bis 2030 auf etwa die Hälfte des jetzigen Niveaus und bis 2050 ganz auf null.»

Die Treibhausgase stehen im Mittelpunkt des dritten und letzten Teils des Weltklimaberichts. Es geht um nichts weniger als die Frage, wie wir den Klimawandel stoppen können. Doch die Prognosen sind wenig rosig. Das Kurzfazit des Weltklimarats dazu lautet: Mit der heutigen Klimapolitik ist die Welt nicht auf Kurs – auch nicht mit den in Aussicht gestellten Verschärfungen etwa des Pariser Klimaabkommens. Um die Klimaziele zu erreichen, müsste allein Europa jährlich zwei- bis viermal mehr in den Klimaschutz investieren. Noch viel mehr gefordert sind andere Länder – denn Europa befindet sich im globalen Mittelfeld, was den Ausstoss der Treibhausgase betrifft, skizziert Anthony Patt. So betragen die jährlichen Pro-Kopf-Emissionen in Europa aktuell halb so viel wie in Nordamerika.

«Die Gesellschaft muss hart arbeiten, um die drohende Klimakrise aufzuhalten. Es wird ein Marathon.»Anthony Patt, Umweltforscher und Mitautor des IPCC-Berichts

Emissionen gehen zurück – aber nicht genug

In ihrer Analyse haben die knapp 280 Forschenden die aktuellen Klimapolitiken unter die Lupe genommen, ebenso wie die Versprechen der Staaten, ihren Treibhausgasausstoss weiter zu reduzieren. Doch selbst wenn die Nationen ihre Vorsätze einhalten, sei es bei weitem nicht möglich, die Erderwärmung bei 1,5 Grad zu stabilisieren – selbst bei zwei Grad nicht, so das ernüchternde Fazit. Laut dem IPCC-Bericht hat die Menschheit in den Jahren 2010 bis 2019 rund einen Sechstel aller Kohlendioxid-Emissionen seit 1850 verursacht. Zwar sähen die Emissionstrends heute besser aus als noch vor zehn Jahren. Gar rückläufig seien die Emissionen in 24 Ländern, vor allem in Europa. Weltweit gesehen waren sie 2019 jedoch höher als je zuvor. Und laut den Forschenden müssten sie vor 2025 ihren Höhepunkt erreicht haben, um die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Darum ist für den ETH-Klimaexperten Anthony Patt klar: «Die Gesellschaft muss hart arbeiten, um die drohende Klimakrise aufzuhalten. Es wird ein Marathon – und die harte Arbeit, die Emissionen auf null zu bringen, liegt noch vor uns.» Immerhin: Vor zehn Jahren schien es, als sei die Gesellschaft nicht einmal in der Lage, diesen Marathon zu laufen, sagt Patt. «Die Erkenntnisse aus dem neuesten Klimabericht zeigen, dass sich dies geändert hat: Die Gesellschaft ist fit geworden für dieses Rennen, sie hat sich aufgewärmt und ist nun bereit loszulegen», ist er überzeugt.

Auf grüne Technologien setzen

Im Kern plädieren die Forschenden des Klimaberichts auf den raschen Ausstieg aus der fossilen Energie. Das Potenzial, um die Treibhausgas-Emissionen zu senken, sei bei der Wind- und Solarenergie «mit Abstand am grössten». So könnten die Emissionen damit um mehr als fünf Milliarden Tonnen gesenkt werden. Hier kann und muss auch die Schweiz ansetzen: Umweltforscher Anthony Patt betont, die Schweiz müsse die grünen Technologien stärker in den Mittelpunkt rücken – also nebst der erwähnten Wind- und Solarenergie auch Elektroautos. Dies sei aus wirtschaftlicher Sicht möglich: Denn die Kosten für diese Technologien seien seit 2010 kontinuierlich gesunken – gesamthaft um etwa 85 Prozent. Das mache sie konkurrenzfähig mit beispielsweise importiertem Gas. «Technische Klimaschutzoptionen sind bezahlbar – und einsatzbereit», fasst er zusammen. Doch Investitionen in diese Technologien müssten von der Politik noch stärker gefördert werden.

«Wir können Netto-Null-Emissionen erreichen, und es wird uns sogar wirtschaftlich und gesellschaftlich stärker machen, als wir es aktuell sind.»Anthony Patt

Zugegeben: In der Schweiz sei das Potenzial für Wind- und auch Solarenergie kleiner als in anderen europäischen Ländern, sagt Patt. Länder wie Dänemark seien hier schon viel weiter. Eine kostengünstige Lösung für die Schweiz würde laut dem ETH-Forscher heissen, mehr mit europäischen Nachbarn zusammenzuarbeiten. Und: Wind- und Solarenergie käme mittlerweile auch bei E-Mobilität sowie Wärmepumpen zum Einsatz – diese Alternativen seien nicht mehr rein auf den Elektrizitätssektor beschränkt.

Nicht mehr in fossile Energien investieren

Grundsätzlich müsse sich die Schweiz auf jene Sektoren konzentrieren, in denen rasch Änderungen möglich seien, sagt Patt. Das sind vor allem die Bereiche Mobilität, Stromerzeugung und Gebäudetechnik. «Wir müssen unseren fossilen Energiebedarf bei Gebäuden und Mobilität massiv reduzieren», betont er. Heisst konkret: Beim Bau von Gebäuden müsse man sich stets fragen, wie man energieeffizienter bauen, beispielsweise Neubauten besser isolieren könne. Im Bereich Mobilität bedeute es: Vermehrt auf den öffentlichen Verkehr oder Elektrofahrzeuge umsteigen. Nicht zuletzt sei es für die Schweiz wichtig, nicht mehr in neue fossile Energien – also etwa bei den Heizsystemen – zu investieren, und stattdessen nur noch in Wärmepumpen und andere erneuerbare Lösungen. Für die Bevölkerung bedeute das eine «sanfte Änderung des Lebensstils» – doch die Akzeptanz sei vorhanden. «Wir können Netto-Null-Emissionen erreichen, und es wird uns sogar wirtschaftlich und gesellschaftlich stärker machen, als wir es aktuell sind», sagt er abschliessend. «Es ist jetzt an der Zeit, loszulaufen.»

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