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Heute möchte ich über einen Roman reden. Nein, ich mache jetzt nicht plötzlich Kulturberichte. Es geht um Wissenschaft und ein faszinierendes Gedankenexperiment. «Maschinen wie ich» heisst der aktuelle Roman des britischen Autors Ian McEwan. McEwan ist ein Meister, der es schafft, die grossen Fragen der Menschheit in einer kleinen Szenerie abzuhandeln. Diesmal vorwiegend am Küchentisch des jungen Londoners Charlie.
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Charlie hat ein Exemplar der ersten Serie von Robotern gekauft, die man praktisch nicht mehr von Menschen unterscheiden kann. Sie sehen aus wie wir, haben Pulsschlag und atmen – obschon die Maschinen das ja eigentlich nicht müssten. Sie sind also fast wie wir. Nur ist ihre Intelligenz eine künstliche. Und hier beginnt die Geschichte so spannend wie philosophisch zu werden.
Denn plötzlich begehen erste Roboter – es gibt davon 25 Adams und 25 Eves – Selbstmord zu machen, oder sie stürzen sich freiwillig in die Demenz. Nur der Adam von Charlie ist in guter Verfassung. Denn er ist verliebt. Und zwar ausgerechnet in Miranda, die Freundin von Charlie. Die Liebe ist einseitig, denn Adam ist ja eine Maschine. Aber sie ist die Kraft, die ihn am Leben hält.
Für die anderen Roboter, die sich nicht verliebt haben, ist die Welt der Menschen unerträglich. Sie sind nach den Regeln programmiert, die wir an künstliche Intelligenz stellen: sie sind gerecht, handeln rational, verhalten sich ethisch. Und das kontrastiert aufs Krasseste mit dem, wie wir Menschen leben.
Der Mensch verbreitet Ungerechtigkeit, Hass, Gier. Er führt Krieg und zerstört die Umwelt. Alles Dinge, die eine künstliche Intelligenz nicht machen würde. Weil wir sie eben intelligent, empathisch, rücksichtsvoll und ethisch programmiert haben.
In der Geschichte geht es so weit, dass Adam seine geliebte Miranda sogar der Justiz ausliefert, für eine Straftat, die sie viele Jahre zuvor begangen hat und die niemals aufgeflogen wäre, hätte nicht die künstliche Intelligenz recherchiert. Miranda will Adam überreden, dies nicht der Polizei zu melden, weil er sie doch liebe. Er sagt, ja, ich liebe dich. Aber Gerechtigkeit muss sein.
Das heisst, Roboter sind die besseren Menschen.
Das ist die Erkenntnis, zu der einen Ian McEwan in seinem Roman bringt. Und man fragt sich dann, warum haben wir Menschen eigentlich Angst vor den Robotern?