Das musst du wissen

  • Die Technologie Crispr/Cas9 kam laut einem chinesischen Forscher bereits bei Menschen zum Einsatz.
  • In der Schweiz wären solche Experimente verboten.
  • Doch Verbote allein reichen noch nicht. Es braucht eine klare öffentliche Haltung der Wissenschaft.

Die Gentechbabys sind da.

Zumindest behauptet das der chinesische Forscher Jiankui He. Zwei Mädchen sollen dank der erst sechs Jahre alten Technologie Crispr/Cas9 vor HIV geschützt sein.

Falls die Behauptung stimmt, hat He damit gleich dreifach Grenzen überschritten: Er hat nicht nur die beiden Babys den noch nicht geklärten Risiken einer neuen Technologie ausgesetzt, sondern auch deren Nachfahren. Er hat seine Forschung nicht wissenschaftlich publiziert, sondern in einer PR-Aktion breit geschlagen.
Und ob er die Eltern der Babys darüber informiert hat, was er mit den Embryonen getan hat, wird bezweifelt.

Jiankui He spricht über die Gentechbabys Lulu und Nana

Der chinesische Wissenschaftler Jiankui He behauptet auf seinem eigenen Youtube-Channel, die ersten menschlichen Babys genetisch verändert zu haben, damit sie gegen HIV geschützt sind.

Gefängnis und Geldstrafe

Was würde bei uns in der Schweiz passieren, wenn ein Forscher dasselbe Experiment durchgeführt hätte? Das Bundesgesetz über die Forschung an embryonalen Stammzellen gibt eine klare Antwort: Bis zu fünf Jahre Gefängnis, und bis zu 500’000 Franken Busse. Oder mehr, denn der Forscher hätte gleich mehrere Straftatbestände erfüllt.

Auch in vielen anderen europäischen Ländern ist der Eingriff in die Keimbahn des Menschen – also das Erbgut in Spermien, Eizellen und frühen Embryonen, das auch alle Nachkommen erben – verboten. Die Staaten folgen damit der Verordnung der Europäischen Union, die solche Experimente am Menschen untersagt.

Und im Oktober 2015 publizierte das Internationale Bioethik-Komitee der Unesco einen Aufruf, der sagt: Alle Staaten der Welt sollen die Veränderung der menschlichen Keimbahn mit Crispr/Cas9 einem Moratorium unterstellen, und zwar, bis die Risiken geklärt sind.

Jetzt ist es aber passiert. Was ist zu tun?

Sanktionsmöglichkeiten hat die Unesco keine. Aber auch in anderen Bereichen erfolgen Sanktionen auf Ebene der Nationen, allenfalls im Verbund – zum Beispiel bei Menschenrechtsverletzungen oder einer Verletzung des Atomsperrvertrags.

Also müssen auch hier die Nationen aktiv werden. Wenn ich sage, die Nationen müssen aktiv werden, meine ich als Erstes die wissenschaftlichen Institutionen.
Die Fachgesellschaften, die Akademien der Medizinischen Wissenschaften, der Naturwissenschaften, das Dach der Akademien, sie können eine Erklärung abgeben. Man kann fehlbare Forscher von Konferenzen ausschliessen, oder ihnen die Zusammenarbeit verwehren. Aber auch eine Regierung kann ein Statement veröffentlichen, so wie sie es bei anderen Verstössen tut.

Und das in allen Ländern, wo solche Experimente verboten sind. Also auch in China, wo bereits erste Proteste aus der Wissenschaft zu hören sind.

Nicht wegschauen

Wer das Experiment nicht verurteilt, schützt die Fehlbaren und fördert weitere Fälle.

Jetzt aber nur mit dem Finger auf die «bösen Chinesen» zu zeigen, wäre völlig fehl am Platz. Wichtig ist, zu beweisen, dass auch hierzulande wissenschaftliches Fehlverhalten nicht toleriert wird.

Hochschulen dürfen nicht wegschauen oder vernebeln, wenn sich Wissenschaftler Fehler erlauben. Den andern auf die Finger schauen darf nur, wer bei sich selbst Ordnung hat.

Und nicht zuletzt soll jeder einzelne Biologe, jede Medizinerin die Stimme erheben und sagen: Stopp – ich habe höhere wissenschaftliche Standards.

Der Faktist

Der Faktist schaut ganz genau hin. Im Dschungel der wissenschaftlichen Studienresultate behält er den Überblick. Zeigt, was zusammenhängt. Und was einfach nicht aufgeht. Der Faktist ist Beat Glogger, Gründer und Chefredaktor von higgs. Jeden Dienstag als Sendung auf Radio 1 und als Video auf higgs.
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