Das musst du wissen

  • Weltweit setzen verschiedene Polizeibehörden Körperkameras ein.
  • Diese führen aber nicht zu signifikant weniger Gewalt durch Polizisten oder Bürger.
  • Tragen die Polizisten Kameras, reichen Bürgerinnen und Bürger weniger Beschwerden gegen Beamte ein. Warum, ist unklar.
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Polizeigewalt macht immer wieder Schlagzeilen – nicht selten kommt es sogar zu Todesfällen. So kamen 2020 alleine in den USA knapp 1000 Personen durch Sicherheitskräfte ums Leben. Doch auch Polizistinnen und Polizisten sind vermehrt selber Opfer von Übergriffen. Grosse Hoffnungsträger im Kampf gegen Gewalt auf beiden Seiten sind Körperkameras, auch Bodycams genannt. Solche kommen etwa in den USA oder in England seit mehreren Jahren zum Einsatz.

Auch in der Schweiz werden sie punktuell verwendet – zum Beispiel bei einer Hausräumung, bei der gewaltsamer Widerstand zu erwarten ist. Doch nun ziehen amerikanische und australische Forschende eine nüchterne Bilanz: Die Kameras scheinen weder das Verhalten der Polizistinnen und Polizisten noch jenes der Bürgerinnen und Bürger eindeutig positiv oder negativ zu beeinflussen. Diese Resultate veröffentlichten sie kürzlich in der Fachzeitschrift Campbell Systematic Reviews.

Science-Check ✓

Studie: Body‐worn cameras’ effects on police officers and citizen behavior: A systematic reviewKommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsÜbersichtsstudien sind generell zuverlässiger als einzelne Studien. Jedoch gehen die Autorinnen und Autoren der Metaanalyse davon aus, dass mindestens 80 Prozent aller miteinbezogenen Studien eine Verzerrung aufweisen. Diese entsteht, wenn beispielsweise ein Polizist einmal eine Kamera trägt und mal nicht, je nach Schicht, in der er arbeitet. Oder wenn eine Einheit eine andere zu Hilfe ruft, wobei die einen Kameras tragen und die anderen nicht. Diese Verzerrung schwächt die Aussagekraft der Ergebnisse ab.Mehr Infos zu dieser Studie...

Für ihre Übersichtsstudie analysierten die Forschenden die Ergebnisse aus 30 bereits publizierten Studien. Gut die Hälfte davon stammten aus den USA. Alle Studien verglichen Polizeibeamte mit und ohne Kamera und untersuchten, wie sich die Kameras auf das Verhalten der beteiligten Personen auswirkte. Auf Seiten der Polizei gehörte dazu beispielsweise wie oft es zu Gewalt, Verhaftungen, Fussgängerkontrollen oder Vorladungen kam. Auf Seiten der Bürgerinnen und Bürger werteten sie die Anzahl Anrufe in der Zentrale sowie Angriffe oder Widerstand gegen die Beamten aus.

Die Analyse aller dieser Studien zeigte nun, dass Körperkameras keinen klaren Einfluss auf die oben genannten Verhaltensweisen haben. Einzige Ausnahme ist die Anzahl Beschwerden gegen Polizisten. Diese nahmen mit Kamera signifikant ab. Unklar bleibt hier aber, ob dies wirklich auf einen verbesserten Umgang miteinander zurückzuführen ist. Möglich wäre auch, dass die Beamten lediglich weniger Beschwerden meldeten oder sich die Bürger weniger trauten, Beschwerden einzureichen.

Polizeigewalt vermochten die Kameras nicht signifikant zu verringern. Vielmehr zeigte sich hier ein sehr gemischtes Bild: In einigen Studien nahm die Gewalt ab, in anderen zu oder veränderte sich nicht. Diese grosse Vielfalt könnte den Forschenden zufolge daher rühren, dass sich die einzelnen Studien in einigen Punkten unterscheiden, wie etwa in den offiziellen Regeln der Polizeibehörden im Umgang mit der Kamera. So waren beispielsweise in fast allen Fällen die Kameras standardmässig eingeschaltet.
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Doch nur rund die Hälfte aller Beamten mussten die Bürgerinnen und Bürger darüber informieren, dass die Kameras laufen. Die anderen mussten das entweder nicht tun, oder es ist unbekannt, ob sie informieren mussten. Auch unterschieden sich Regeln, unter welchen Umständen Beamte ihre Kameras aus und wieder anschalten durften. Doch genau diese Ermessensfreiheit beeinflusst, ob die Gewalt eher zu oder abnimmt, wie die Analysen andeuten: Je restriktiver die Polizeibehörden sind und damit je weniger frei die Polizisten ihre Kameras an- und ausschalten können, desto geringer scheint die Polizeigewalt. Die Gewalt scheint auch abzunehmen, je besser sich die Beamten an die Regeln halten.

Damit die Kameras ihre Erwartungen erfüllen können, scheint ein klar geregelter Umgang also zentral zu sein. Die gemischten positiven und negativen Effekte deuten aber auch darauf hin, dass die spezifischen Situationen eine Rolle spielen. Wann genau Bodycams Bürgerinnen und Polizisten nun aber vor Übergriffen schützen, wissen die Forschenden noch nicht.

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