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Aktuell sind von den über 18-Jährigen gut 71 Prozent vollständig geimpft. Und darum hat der Bundesrat auch ein klares Ziel gesetzt: Wenn bei den 18- bis 65-Jährigen achtzig Prozent geimpft sind – und bei den über 65-Jährigen 93 Prozent, dann werden die geltenden Pandemie-Massnahmen aufgehoben.
Die vom 8. bis zum 14. November dauernde Impfwoche darf auch etwas kosten: 96,2 Millionen Franken wirft der Bund für die Impfoffensive auf.
Ziel ist es, «möglichst viele Menschen über den Nutzen einer Impfung zu informieren, indem verlässliche Fakten zur Impfung auf verständliche Art und Weise vermittelt werden, etwa zur Wirksamkeit, zur Sicherheit, zu den Nebenwirkungen, zu den gesundheitlichen Risiken einer Infektion oder zu den Impfmöglichkeiten.»
Das in mehreren Sprachen. Wow!
Jetzt verschlägt es mir gerade mal die Sprache. Aber nicht vor Begeisterung, sondern vor Verwunderung. Da hat man die Information ein Jahr lang den Impfskeptikern und Corona-Verharmlosern überlassen. Hat dabei mehrere engagierte und kompetente Fachleute aus Wissenschaft und Medizin bis zum Burn-out verheizt. Hat die Kommunikation den Medien überlassen. Information in Fremdsprachen hat Blick schon vor Monaten geleistet, Expertengespräche, Telefonhotlines Factchecking, alles haben die Medien geleistet – nicht selten trotz der schleppenden Informationspraxis des Bundesamtes für Gesundheit.
Diese Kampagne wäre genau vor einem Jahr nötig gewesen, denn man hat ja gewusst, dass die Impfung kommt und dass sie das effizienteste Mittel ist, die Pandemie zu beenden. Hier müssen sich Bundesrat und Bundesamt die Frage gefallen lassen. Warum hat man das Feld den Skeptikern überlassen, die mit falschen Behauptungen geschickt Zweifel gesät haben? Hat man nicht erkannt, wie viele Falschmeldungen kursieren? War man sich zu fein, darauf zu reagieren?
Aber ich sollte da ja nicht nur über das BAG lästern, sondern auch noch Konstruktives aus der Forschung beitragen. Da gibt es nun ein neues Tool zur Erkennung von Falschmeldungen. Entwickelt von einem Informatikteam der University of Illinois. Ein Algorithmus, der auf Künstlicher Intelligenz beruht.
Dazu haben die Forschenden rund 300 000 Tweets gesammelt, die zwischen 2013 und 2017 zum Thema HPV-Impfung veröffentlicht wurden. Die Impfung also, die vor Gebärmutterhalskrebs schützt.
Ein Teil dieser Tweets wurde bezüglich ihres Wahrheitsgehalts untersucht und dann eine Wortanalyse erstellt. Insgesamt ist ein Vokabular zusammengekommen, das 4098 Begriffe enthält. Diese wurden gewichtet je nachdem, wie oft sie in richtigen und falschen Meldungen auftreten.
In korrekten Meldungen findet man viel öfters Wörter, die stark auf die Wirksamkeit der Impfung hinweisen: Zum Beispiel «verhindern», «schützen» oder «wirksam». Falschmeldungen enthalten Begriffe wie «Gefahr», «schädlich» oder «tödlich» und konzentrieren sich mehr auf die negativen Auswirkungen.
Die Forschenden zeigen, dass falsche Botschaften einerseits sehr viele verschiedene Themen abdecken, und andererseits auch ein vielfältigeres Vokabular beinhalten. In echten Botschaften hingegen kommen weniger Themen vor und das Vokabular ist relativ begrenzt. Eine mögliche Erklärung für diese Diskrepanz ist, dass echte Informationen einen beweiskräftigen Konsens voraussetzen und damit die Themen enger sind und die verwendeten Phrasen beschränkt. Bei Fehlinformationen gibt es keine solche Beschränkung auf Begriffe oder Ergebnisse. Sie verwenden eine erzählende Sprache und bringen immer wieder neue Themen, um die Aufmerksamkeit neu zu erregen.
Insgesamt wurden fünf verschiedene digitale Tools getestet, die auf neuronalen Netzwerken basierten. Das Resultat ist erstaunlich: Das beste Tool hatte eine Zuverlässigkeit von über neunzig Prozent.
Das ist vorerst erst mal Forschung. Aber wer weiss, vielleicht gibt es diesen Fake-News-Detektor dereinst auch einmal für das Publikum. Oder für das Bundesamt für Gesundheit, um früher zu erkennen, was für eine gewaltige Desinformationswelle gerade über das Land fegt. Und um schneller reagieren zu können.