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Der Lockdown ist beendet. Wir sind erleichtert. Geniessen vieles, auf das wir verzichten mussten. Und prompt steigen die Zahlen der mit Sars-CoV-2-Infizierten wieder an. In der Schweiz wie in vielen anderen Ländern auch.
Vor einer Woche waren es noch 18 Neuinfizierte pro Tag. Am Wochenende über 60. Klar ist der Unterschied nicht enorm: 50 Personen mehr. Das waren im April noch die Schwankungen von Tag zu Tag – das statistische Rauschen sozusagen. Warum also warnt das Bundesamt für Gesundheit vor der zweiten Welle?
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Weil bei so tiefen Fallzahlen diese 50 Leute einem Zuwachs von täglich 50 bis 75 Prozent entsprechen. Und weil, wenn das so weitergeht, wir in einem Monat wieder bei 1000 Neuinfizierten pro Tag stehen. Und dann ist alles, was wir im Lockdown durch Entbehrung und Disziplin gewonnen haben, wieder verspielt. In Zahlen: dann hätten wir rund 30 Milliarden, welche die ganze Übung die Wirtschaft gekostet hat, verpulvert.
Dabei hätten wir es jetzt selber in der Hand. Denn die Regeln sind klar: Tracing-App verwenden. Allerdings: Auf die App alleine zu vertrauen wäre fatal, wie der Fall Singapur belegt. Dort hat man ganze Bevölkerungsgruppen nicht erreicht: die Wanderarbeiter. Das Resultat war eine zweite Welle, die mehr Todesopfer gefordert hat, als die erste.
Zum Vermeiden einer zweiten Welle gilt ausserdem: Hygiene, Abstand, und an Orten, wo man den Abstand nicht einhalten kann: Masken. Das sind Empfehlungen – wie wir es uns in einem freiheitlichen Land gewöhnt sind. Und was tun wir? Wir ignorieren sie.
In öffentlichen Verkehrsmitteln tragen – das haben mehrere Auswertungen ergeben – nicht mal zehn Prozent der Leute eine Maske. Obschon die Lautsprecherdurchsagen einen dauernd darauf aufmerksam machen. Die Leute ignorieren es.
Das ist ziemlich absurd, weil nämlich gemäss Umfragen bis zu drei Viertel der Leute das Maskentragen befürworten. Darum ist es Zeit für eine Maskenpflicht.
«Maskentragen ist unangenehm», sagte mir letzte Woche jemand. Im Fernsehen höre ich wissenschaftlich klingende Ausreden wie: «Das Erkennen des Gesichtsausdrucks ist essenziell für das soziale Zusammenleben zwischen Menschen.» Das stimmt natürlich. Stellt sich einfach die Frage, wie viel Schaden unsere Gesellschaft nimmt, wenn wir für die Dauer einer Bus- oder Bahnfahrt mal die emotionalen Feinheiten im Gesicht unseres Gegenübers nicht erkennen können.
Das dümmste Argument gegen Masken ist aber: «Es sieht doof aus.»
Tatsächlich: Der Stofffetzen mitten im Gesicht ist nicht besonders schick. Aber du hast die Wahl. Entweder die Atemschutzmaske in öffentlichen Verkehrsmitteln – oder die Beatmungsmaske auf der Intensivstation.