Das musst du wissen

  • Eine neue Studie der Universität Zürich beschäftigt sich mit der Wahrnehmung reisserisch aufgemachter Falschmeldungen.
  • Ob wir Desinformation Glauben schenken, hängt stark vom individuellen Medienkonsum ab.
  • Studienleiterin Anna Staender rät, die Meinungsbildung nicht von Emotionen abhängig zu machen.

ACHTUNG! Unsicherheit macht uns ANFÄLLIGER für FAKE NEWS! Welcher Überzeile schenkst du mehr Glauben, dieser reisserischen oder der neutral formulierten Version im Titel dieses Artikels? Wenn du dem neutralen Titel mehr zustimmst, geht es dir wie vielen. Zu diesem Schluss kommt eine neue Studie, die im Fachmagazin Digital Journalist erschienen ist. Darin wurde erforscht, ob sensationslüsterne Desinformation anders wahrgenommen wird als nüchterne.

Um dies zu untersuchen, setzten Forschende rund siebentausend Personen je eine von zwei Versionen einer Falschmeldung vor, die in einen Facebook-Post eingebettet war. Die Teilnehmenden stammten aus sechs Ländern, darunter die Schweiz. «Achtung! Das Coronavirus könnte eine BIOWAFFE aus China sein» hiess es in der einen Version, die andere Variante formulierte nüchtern: «Das Coronavirus könnte eine Biowaffe aus China sein». Die Daten, welcher Version die Befragten Vertrauen schenkten, verglichen die Forschenden mit verschiedenen Faktoren: Dem individuellen Medienkonsum der Teilnehmenden, der Unsicherheit bezüglich des Wahrheitsgehalts und der Art der medialen Rhetorik in verschiedenen Ländern.

Science-Check ✓

Studie: Is Sensationalist Disinformation More Effective? Three Facilitating Factors at the National, Individual, and Situational LevelKommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsDie Studie beschränkte sich auf die Wahrnehmung von reisserisch verkaufter Desinformation in den sozialen Medien, was die Aussagekraft auf die Wahrnehmung in anderen Kontexten einschränkt. Auf die Fragestellung nach dem Einfluss visueller Reize auf die Wahrnehmung von Falschinformationen wurde im Studiendesign verzichtet. Da die Studie in sechs Ländern, darunter der Schweiz, durchgeführt wurde, besitzt sie zudem eine limitierte geographische Aussagekraft.Mehr Infos zu dieser Studie...

Dabei zeigte sich: In allen untersuchten Ländern wurde der nüchternen Version öfter Glauben geschenkt als der reisserischen. Boulevardjournalismus, einhergehend mit Sensationsmacherei und einer tendenziell weniger faktenbasierten Berichterstattung, ist in Grossbritannien und den USA deutlich weiter verbreitet als in Deutschland und der Schweiz. Dennoch zeigten sich Teilnehmende der Studie aus den englischsprachigen Ländern überraschenderweise nur wenig empfänglicher für reisserisch aufgemachte Falschmeldungen als im deutschsprachigen Raum. Den Grund dafür sieht Erstautorin Anna Staender vom Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich im untersuchten Medium: «Wir haben uns in der Studie auf Menschen beschränkt, die regelmässig soziale Medien nutzen. Wer dort Inhalte konsumiert, ist wohl unabhängig vom Land einer Kommunikationskultur ausgesetzt, die stärker von Sensationalismus geprägt ist.»

Deutlicher als die Differenzen zwischen den Ländern zeigten sich Unterschiede abhängig vom individuellen Medienkonsum: Wer mehr Boulevardmedien konsumiert, hielt reisserische Meldungen häufiger für wahr. Brisanter noch: Menschen, die sich besonders um das Coronavirus sorgten, fielen besonders häufig auf Fake News herein, unabhängig von der Formulierung. Und wer unsicher bezüglich des Wahrheitsgehalts von Nachrichten war, erachtete reisserisch formulierte Meldungen besonders häufig für wahr.

Was können wir also tun, um nicht in die Fake-News-Falle zu tappen? Die Kommunikationsforscherin Anna Staender empfiehlt: Fragen an den Text zu stellen helfe bei der Einschätzung der Glaubhaftigkeit. Wer verbreitet die Information, mit welcher Absicht? Soll der Text polarisieren? Mit welchen Quellen wird sie belegt und sagen andere Quellen das gleiche? Den Wahrheitsgehalt zu prüfen sei besonders wichtig, so die Forscherin – auch wenn es Eigenaufwand erfordere. Ganz im Gegensatz zu den Emotionen in einem reisserischen Titel: «Die nimmt man auf den ersten Blick wahr». Wenn eine Nachricht Emotionen auslöse, solle man daher kurz innehalten, ehe man den Inhalt beurteilt, rät Staender. Damit sind wir auch packender Desinformation nicht schutzlos ausgeliefert.

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