Das musst du wissen

  • Eine Mehrzahl der Kinder stimmt mit der politischen Orientierung ihrer Eltern überein.
  • Deutlich seltener übernehmen Schweizer Kinder jedoch Mitte-Haltungen ihrer Eltern.
  • Töchter übernehmen deutlich häufiger linke als rechte Positionen und sind insgesamt linksgerichteter als Söhne.
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Auch wenn unser früheres rebellisches Ich dies nicht gerne hören würde: Unsere Eltern sind wichtige Bezugspersonen und tragen massgeblich zu unserer Sozialisierung bei. Das gilt insbesondere für die politische Ausrichtung. Denn unsere eigene links-rechts-Positionierung stimmt mehrheitlich mit der unserer Eltern überein, wie frühere Studien zeigen. Diese Erkenntnis hat die Politikwissenschaftlerin Mathilde van Ditmars von der Universität Luzern nun genau unter die Lupe genommen. In ihrer Studie, die im European Journal of Political Research erschien, konnte sie deutliche Unterschiede im Verhalten von Töchtern und Söhnen sowie zwischen rechts- und linksorientierten Familien feststellen.

Science-Check ✓

Studie: Political socialization, political gender gaps and the intergenerational transmission of left-right ideologyKommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsDie Studie verwendet die Daten von deutschen und Schweizer Haushaltsstudien. Damit stehen grosse Datensätze zur Verfügung, die jedoch wenig detailliert sind: Die politische Haltung ist zwar bekannt, nicht aber Details zur politischen Gesprächskultur, dem Grad der Politisierung der Familien oder zur Anhängerschaft bestimmter Parteien – hierüber lässt die Studie also keine Aussagen zu.Mehr Infos zu dieser Studie...

Für ihre Studie untersuchte die Wissenschaftlerin die politische Ausrichtung von knapp 5000 Familien aus Deutschland und der Schweiz anhand von Daten aus Haushaltsumfragen. Das Resultat: Insgesamt stimmte die Orientierung – links, mitte oder rechts – bei einer Mehrheit der Kinder mit jener der Eltern überein – wobei die Übereinstimmung bei linken Eltern höher war als bei rechtsgerichteten. Bezüglich Mitte-Haltungen zeigte sich ein bedeutender Unterschied zwischen Deutschland und der Schweiz: Während sich hierbei mehr als die Hälfte der deutschen Kinder gleich positionierte wie die Eltern, war es nur rund ein Viertel der Schweizer Kinder.

Dies widerspiegle die deutlichen ideologischen Unterschiede zwischen den beiden Ländern, hält die Studie fest: Während Mitte-Positionen in Deutschland weit verbreitet sind, ist die Polarisierung zwischen links und rechts in der Schweiz besonders deutlich ausgeprägt. Das bedeutet, dass die Schweizer Links- und Rechts-Positionen weiter auseinanderliegen, eine Übereinstimmung in der Mitte ist damit weniger wahrscheinlich.

Doch wer ist nun wichtiger für die politische Meinungsbildung, Väter oder Mütter? Hier zeigte sich, dass die Übereinstimmungen bei beiden ähnlich gross waren. Deutlich unterschieden sich hingegen Töchter und Söhne: Während letztere etwa gleich häufig linke wie rechte Positionen von den Eltern übernahmen, stimmten Töchter deutlich häufiger als Söhne mit linken Elternteilen überein. Im Gegenzug übernahmen Töchter seltener rechte Haltungen von ihren Eltern.

Die Politikwissenschaftlerin Van Ditmars konnte hiermit einen Effekt beobachten, den bereits andere politikwissenschaftliche Studien fanden: Die politische Haltung von Männern und Frauen unterscheidet sich nicht nur, sondern sie verändert sich mit der Zeit unterschiedlich. Bis in die Achtzigerjahre waren Frauen in den post-industriellen Ländern des Westens konservativer als Männer, seitdem vertreten Frauen immer linkere Positionen. Dies erklärt sich dadurch, dass die Religiosität gesunken ist und die Gleichstellung an Bedeutung gewonnen hat. Dieser gesellschaftliche Wandel bedeutet, dass jüngere Frauen linksgerichteter sind als ältere – ein Phänomen, welches als «gender-generation gap» bekannt ist. Diesen Geschlechter- und Generationen-Unterschied konnte van Ditmars mit ihrer Studie im politisch-familiären Kontext nachweisen und zeigen, wie wichtig die Differenzierung zwischen Geschlechtern in der Forschung sein kann: Denn dass die jüngere Generation heute insgesamt etwas weiter links steht, ist hauptsächlich auf die Frauen zurückzuführen.

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