Das musst du wissen

  • Bis 2050 will die Schweiz netto null Emissionen verursachen, den Atomausstieg hat sie bis 2034 beschlossen.
  • Das kann gelingen, indem die Haushalte elektrifiziert und mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen versorgt werden.
  • Es ist theoretisch möglich, dass künftig Haushalte ihren gesamten Strombedarf mit Photovoltaik-Anlagen selbst decken.

Stell dir vor, du produziert alle Energie, die du brauchst, selber. Der ganze Strom, den du beziehst, kommt von der Photovoltaik-Anlage auf deinem Dach und auch Heizung und Wasser werden über diesen Strom erwärmt. Du wärst energietechnisch autark.

Das könnte bis 2050 theoretisch Realität werden. Schweizer Ein- und Mehrfamilienhäuser könnten dann genügend Strom produzieren, um ihren Eigenbedarf vollständig zu decken. Nur: je nach dem wird das teuer. Zu dieser Erkenntnis kommen Ursin Gstöhl und Stefan Pfenninger von der ETH Zürich in ihrer Studie. Es ist die erste Studie, welche die Bedingungen von energieautarken Haushalten systematisch und in grossem Massstab prüft. Sie ist im Fachjournal Plos One veröffentlicht worden.

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Die Schweiz hat das Pariser Klimaübereinkommen unterschrieben, dessen Ziel es ist, eine globale Temperaturerhöhung von 2 Grad Celsius im Vergleich zu vorindustriellen Zeiten nicht zu überschreiten. Darüber hinaus will die Regierung bis 2050 unter dem Strich keine Treibhausgase mehr ausstossen. Der Atomausstieg soll bis 2034 vollzogen werden.

Um die Energieversorgung im Jahr 2050 trotzdem zu gewährleisten, ist die vollständige Elektrifizierung der Haushalte nötig. Das heisst, statt mit einer Ölheizung würde das Haus zum Beispiel elektrisch mit einer Wärmepumpe beheizt. Strom würde auch das Wasser erhitzen und die Fahrzeuge antreiben. Da Wind- und Wasserkraft in der Schweiz nur bedingt ausgebaut werden können, setzen die Autoren auf Photovoltaik.

Science-Check ✓

Studie: Energy self-sufficient households with photovoltaics and electric vehicles are feasible in temperate climateKommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsDie Modellierung basiert auf Annahmen zur Kostenentwicklung und zu technologischen Fortschritten. Die ökonomische Attraktivität der autarken Energieversorgung für das Jahr 2050 kann nicht exakt bestimmt werden. Weitere Forschung ist nötig, zum Beispiel zur Empfindlichkeit von Photovoltaik-Anlagen gegenüber Unwetter. Die Umweltkosten von Herstellung und Transport der Photovoltaik-Anlagen sind ebenfalls unklar. Die Resultate der Studie gelten nur für hochindustrialisierte Länder mit gemässigtem Klima, ähnliche Studien müssten für weitere Länder weltweit durchgeführt werden.Mehr Infos zu dieser Studie...

Damit die Elektrifizierung funktioniert, bräuchte jedes Haus einen eigenen Energiespeicher, weil auch nachts und bei längeren Perioden ohne Sonnenschein Strom fliessen soll. Sowohl Lithium-Ionen-Batterien für die kurzfristige Speicherung als auch langfristige Wasserstoffspeicher kämen zum Einsatz. Beim Wasserstoffspeicher wird überschüssige elektrische Energie dazu verwendet, Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff aufzuspalten. Der Wasserstoff wird gelagert und bei Bedarf mit einer Brennstoff-Zelle wieder in Strom umgewandelt. In der Speicherung liegt denn auch ein grosses Hindernis: Bis anhin sind die Speicherkosten für Solarstrom hoch.

Die Autoren berechneten, welche Häuser zu welchem Preis den prognostizierten Energiebedarf von 2050 decken könnten.
In den Energiebedarf haben die Autoren auch die wachsende Elektromobilität eingerechnet. Elektroautos könnten also in diesem Szenario zu Hause regelmässig aufgeladen werden.

Am leichtesten ist die Umsetzung bei Einfamilienhäusern, denn Platz für Photovoltaik-Module ist genügend vorhanden. Bei Mehrfamilienhäusern ist der Energiebedarf pro Person zwar leicht geringer, die zur Verfügung stehende Fläche allerdings auch. Die Photovoltaik-Technologie müsste noch effizienter werden, um auch für diese Gebäude genügend Strom zur vollen Selbstversorgung bereitzustellen. Bei Wohnblöcken mit mehr als fünf Stockwerken und 20 Bewohnern ist eine autarke Energieversorgung kaum mehr möglich. In ihrem Szenario gehen die Autoren davon aus, dass 70 bis 100 Prozent der Dach- und Fassadenfläche für Photovoltaik genutzt werden.

Bezieht man die Elektromobilität ein, spielt es zudem eine Rolle, wo man wohnt. Auf dem Land werden Autos öfter und für längere Fahrten genutzt als in der Stadt und müssen so mit mehr Strom versorgt werden.

Am günstigsten ist es, den Haushalt vollständig zu elektrifizieren und mit Solaranlagen auszustatten, dabei aber am öffentlichen Energieversorgungsnetz angeschlossen zu bleiben. Das wird voraussichtlich weniger kosten, als zum Heizen und Autofahren weiterhin auf fossile Brennstoffe zu setzen. Denn diese Preise werden ansteigen, so nehmen die Forscher an. Doch selbst wenn diese Preissteigerungen niedriger ausfallen als erwartet, werden alternative Energieträger künftig finanziell mit ihnen mithalten können. Dies gilt allerdings nicht, wenn der Haushalt vollumfänglich unabhängig vom Energieversorgungsnetz sein soll. Denn vor allem die benötigten Stromspeicher treiben die Kosten dafür in die Höhe – und dies führt zu höheren Kosten, als wenn fossile Brennstoffe genutzt werden: Für ein Einfamilienhaus mit vier Bewohnern würde eine solche Umstellung pro Person zwischen 33 000 und 48 000 Schweizer Franken kosten.

Absolut autarke Häuser sind also kostspielig. Doch autark muss man gar nicht werden, um nachhaltiger zu sein. «Eine hundertprozentige Selbstversorgung ist weniger wichtig als der Ausbau der Solarkraft und die Elektrifizierung an sich», sagt Stefan Pfenninger, Oberassistent an der Professur für Klimapolitik der ETH Zürich. Ein Übergang vom jetzigen Zustand hin zu landesweit elektrisch eigenständigen Häusern sei laut Pfenninger daher schon aus Kostengründen nicht zu erwarten. Die Nutzung verfügbarer Gebäudefläche für Photovoltaik-Module sei hingegen sehr wohl erstrebenswert.

Die Wissenschaftler stützten ihre Analyse auf bereits verfügbare Daten und Kostenstudien. Sie bauten daraus 16 Fälle, die sich in vier Punkten unterscheiden konnten: im Haushalttyp, in der Gebäudeart, im Energiebedarf und im Gebrauch des elektrischen Fahrzeugs. Dies taten sie auf monatlicher Basis, da die Verfügbarkeit von Sonnenenergie saisonal variiert.

Wie es mit dem Energiemarkt in der Schweiz tatsächlich weitergehen wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Je nach Kostenentwicklung der fossilen Treibstoffe und des Fortschritts bei Stromspeichern könnte sich die Kostenrechnung in Zukunft durchaus noch ändern. Dabei werden auch politische Regulierungen und Anreize einen Einfluss haben.

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