Astrid Tomczak: Warum sollten junge Menschen angesichts der vielzitierten Medienkrise überhaupt noch in den Journalismus einsteigen?

Franca Siegfried: Das Wort Krise ist in meinen Augen nicht richtig. Ich würde eher von einer Revolution sprechen. Die Digitalisierung hat unser Berufsbild komplett verändert. Jahrzehnte hatten Journalistinnen und Journalisten das Informationsmonopol. Diese Gatekeeperfunktion ist weggefallen. Auch Massenmedien prägen nicht mehr massgeblich die öffentliche Meinung, sondern verschiedene andere Kanäle, etwa soziale Medien. Junge Leute wissen aber ganz genau, dass unsere Demokratie die Medien, also die 4. Gewalt, braucht, etwa um Missstände oder Korruption aufzudecken. Nicht zuletzt deshalb ist Journalismus immer noch ein Traumberuf. Die jungen Menschen sind hochmotiviert und haben grosse Lust, in den Medien zu arbeiten. Ihnen geht es um die Inhalte, sie wollen was Spannendes erzählen, und das kann man heute noch genau so wie früher.

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Welchen «Mehrwert» bringen junge Journalistinnen und Journalisten den Medien und dem Publikum?

Sie sind viel technikaffiner. Und das ist heute sehr gefragt, beispielsweise im Datenjournalismus. Das ist ein hochspannendes neues Feld, gerade im Investigativjournalismus. Auch im Newsroom hat eine Industrialisierung stattgefunden: Es geht darum, gute Informationen schnell zu beschaffen, und zwar nicht unbedingt immer, indem man Reporter auf die Strasse schickt. Auch diesbezüglich sind die jungen Menschen fit. Ausserdem sollte eine Redaktion ein Abbild der Gesellschaft sein, deshalb ist die Durchmischung der Generationen sehr wichtig. Ich habe im Newsroom von Blick gearbeitet und es immer sehr geschätzt, wenn ich Praktikantinnen und Praktikanten betreuen durfte. Ich konnte viel von ihnen lernen.

Der Prix Média fördert ja wissenschaftsjournalistische Rechercheprojekte, in einem zweiten Schritt wird dann die beste Story zusätzlich prämiert. Was zeichnet denn eine preiswürdige Idee aus?

Einerseits geht es um den Nachrichtenwert: Es sollte ein wissenschaftliches Thema aufgegriffen werden, das für die Gesellschaft relevant ist. Zweitens soll rund um dieses Thema eine schöne Geschichte erzählt werden. Letztlich geht es darum, klare Fakten als Geschichten zu erzählen. Menschen wollen Geschichten hören. Und eine Geschichte hat einen Anfang, einen Höhepunkt, dann flacht sie etwas ab – und am Ende schliesst sich der Kreis zum Anfang. Wenn man sowas erzählt, möglichst auch mit neuen Gefässen, ist das preiswürdig. Im Idealfall sind das Gefässe, welche die Leserinnen und Leser oder user dazu animieren, zu interagieren. Damit kann man auch in der Flut von Bildern und Texten Aufmerksamkeit erzeugen.

Warum sollen junge Journalistinnen und Journalisten speziell gefördert werden? Sie können sich doch auch auf andere Preise bewerben…

Die anderen Preise basieren auf einem traditionellen, konservativeren Verständnis von Journalismus. Ich finde es auch besser, wenn junge Leute in ihrer peer group gemessen werden und nicht mit erfahrenen Wissenschaftsjournalistinnen konkurrieren müssen.

Welchen Tipp geben Sie Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteigern mit?

Sie sollten über eine gute Bildung verfügen, ein Studium oder ähnliches, das muss nicht unbedingt im Journalismus sein. Richtig gutes Fachwissen ist genauso viel wert. Dann können sie sich am MAZ oder anderen Schulen weiterbilden. Mit dieser Basis können sie vielleicht ein Praktikum machen, damit sie merken, ob ihnen der Beruf überhaupt gefällt. Wichtig finde ich auch die Einbindung in eine Berufsorganisation, da kann man ein Netzwerk aufbauen und sich austauschen. Und wenn es dann doch nicht klappt mit dem Journalismus, hat man mit einer guten Grundausbildung ja immer noch Alternativen. Schliesslich kann heute keine Jungjournalistin damit rechnen, mit 60 immer noch im Journalismus zu sein. Aber das gilt ja für alle Berufe.

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