Das musst du wissen

  • Forschende untersuchten, wie die Persönlichkeit mit emotionalen und kognitiven Reaktionen auf die Krise zusammenhängt.
  • In allen sechs untersuchten europäischen Ländern schätzte sich die Mehrheit der Befragten selbst als gewissenhaft ein.
  • Gewissenhaftigkeit fördert Intoleranz gegenüber Personen, die Coronaregeln ignorieren.

An Corona scheiden sich die Geister, keine Woche vergeht ohne Demonstration. Inwieweit die Gesellschaft jene Personen, die sich nicht an Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie halten, toleriert, ist unter anderem in der Persönlichkeit verankert. Dies legt eine neue Studie der Universität Bern nahe, deren Ergebnisse im Fachmagazin Current Psychology erschienen sind.

Science-Check ✓

Studie: Pandemic personality: Emotional reactions, political and social preferences across personality traits in times of CoronaKommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsDie Studie basiert auf einem relativ grossen Datensatz, was sie zuverlässig macht. Sie kann jedoch keine kausalen Zusammenhänge herstellen. Zudem zeigen sich grosse Unterschiede zwischen Ländern und Phasen in der Pandemie. Die Resultate lassen sich damit nicht verallgemeinern und können aufgrund kultureller Unterschiede im Speziellen nicht auf Länder ausserhalb Westeuropas übertragen werden. Zudem untersucht die Studie den Einfluss der fünf Persönlichkeitsmerkmale sogenannt additiv. Sie erfasst also keine Interaktionen zwischen Merkmalen. Zum Beispiel kann jemand sehr offen und verträglich zugleich sein und sich damit durch verschiedene Merkmale auszeichnen, die unterschiedlich auf unser Denken und Verhalten wirken können.Mehr Infos zu dieser Studie...

Unsere Persönlichkeit lässt sich grob anhand von fünf Merkmalen beschreiben – in der Psychologie spricht man von den sogenannten «Big Five». Das sind: Offenheit für Erfahrungen, Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Verträglichkeit und Neurotizismus. Wir alle tragen diese Merkmale in uns, aber in unterschiedlicher Ausprägung. Sie leiten unser Denken und Handeln über verschiedene Situationen hinweg und bleiben in ihrer Ausprägung über unser Leben hinweg relativ stabil.

In der Studie untersuchten die Forschenden nun, wie sich die Persönlichkeit auf die Denk- und Verhaltensweisen während der Pandemie auswirkt. Dafür befragten sie mehrere tausend Personen aus Italien, Frankreich, Deutschland, Spanien, Grossbritannien und der Schweiz zu drei verschiedenen Zeitpunkten während der Pandemie: der ersten Corona-Welle im Frühjahr 2020, der zweiten Pandemie-Eskalation im Winter 2020/2021 sowie der breiten Impfphase im Frühjahr 2021. Die Teilnehmenden mussten ihre Persönlichkeit anhand eines Fragebogens selber einschätzen und angeben, wie stark sie sich beispielsweise bedroht fühlten oder wie sie Coronamassnahmen bewerteten.

Dabei zeigte sich: Emotional eher instabile Personen empfanden die Pandemie als grössere Bedrohung als andere. Gewissenhafte Menschen schützten sich besser vor dem Virus und hatten damit ein geringeres Risiko für eine Infektion. Sie waren zudem intoleranter gegenüber epidemiologisch unerwünschtem Verhalten – sie duldeten keine Massnahmenverweigerer als Lehrpersonen oder in öffentlichen Ämtern. Insbesondere in der Schweiz zeigte sich dieser Zusammenhang sehr deutlich. Auch sonst gebe es in der Schweiz einige Besonderheiten, sagt Nathalie Hofstetter, Politikwissenschaftlerin und Mitautorin der Studie. So stimmte die Schweizer Bevölkerung Grenzschliessungen tendenziell weniger zu und empfand die Pandemie als weniger bedrohlich als andere Länder. Die Entwicklung verlief dabei in allen Ländern aber etwa gleich: Die Angst vor dem Virus nahm im Laufe der Pandemie ab. Das widerspiegele sich nun auch in der jüngsten Abstimmung zum Covid-Gesetz, sagt Hofstetter. «Bei einigen ist noch immer nicht angekommen, wie bedrohlich das Virus ist und wie wichtig es wäre, den Wunsch nach individueller Freiheit zugunsten der allgemeinen Sicherheit zurückzustecken.»

Doch das sei nur eine Minderheit – wenn auch eine sehr laute. Denn generell zeigte sich, dass bis zu achtzig Prozent der Menschen Personen, die Coronaregeln ignorieren, nicht tolerieren. «Dass dieser Anteil an Intoleranz so hoch ist, hat uns sehr überrascht», sagt die Politikwissenschaftlerin. Für die Eindämmung der Pandemie könnte dies zwar von Vorteil sein. Das heisst aber auch: soziale Konflikte, wie wir sie heute beinahe täglich sehen, sind aufgrund unserer persönlichen Neigung quasi vorprogrammiert.

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