Das musst du wissen

  • Freiwilligenengagement bedeutet, dass Bürgerinnen und Bürger sich weitgehend unbezahlt für andere engagieren.
  • In finanziellen Krisen geht das freiwillige Engagement zurück – vor allem bei Freizeitaktivitäten.
  • Je gebildeter die Bürger und Bürgerinnen aber sind, desto eher engagieren sie sich trotz Krise weiter.

Seit geraumer Zeit wird in der Forschung diskutiert, ob Wirtschaftskrisen den Zusammenhalt einer Gesellschaft gefährden können. Einige wissenschaftliche Studien haben argumentiert, dass finanzielle Notlagen die dafür notwendigen Ressourcen aushöhlen und den sozialen Kitt durchlöchern. Andere Analysen haben dagegen gezeigt, dass die Bevölkerung gerade in finanziell schwierigen Zeiten zusammensteht.

Offenbar ist der Zusammenhang zwischen einer finanziellen Notlage und dem sozialen Miteinander komplexer als dies bisherige Studien angenommen haben. Aus diesem Grund haben wir in einer empirisch vergleichenden Studie das freiwillige Engagement in 27 europäischen Staaten analysiert und nach Erklärungsfaktoren gesucht.

Science-Check ✓

Studie: Economic Hardship and Social Capital in Europe. KommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsDie Studie untersucht den Zusammenhang zwischen finanzieller Not und abnehmender Freiwilligenarbeit unter Berücksichtigung alternativer Erklärungsfaktoren. Ob das Engagement aber wegen der Krise abnimmt oder aus anderen Gründen, weil zum Beispiel informelle Freiwilligenarbeit zunimmt, kann die Studie nicht klären.Mehr Infos zu dieser Studie...

Freiwilliges Engagement untergraben

Freiwilligenengagement meint, dass Bürgerinnen und Bürger aus freien Stücken und weitgehend unbezahlt Zeit, Geld und Energie aufbringen, sich für andere Menschen und Organisationen einzusetzen und einen Beitrag zum gesellschaftlichen Sozialkapital zu leisten. Doch warum gefährden finanzielle Nöte freiwillige Tätigkeiten? Das sogenannte «voluntarism model» argumentiert, dass Bürgerinnen und Bürger aufgrund begrenzter Ressourcen wie Zeit, Geld und Fähigkeiten weniger häufig einem freiwilligen Engagement nachgehen.

In wirtschaftlich schwierigen Zeiten fühlen sich Menschen finanziell unsicherer. Zum Schutz ihres Arbeitsplatzes arbeiten sie härter, was zu Lasten ihres gesellschaftlichen Engagements geht. Während insbesondere das Engagement in Freizeitorganisation nachlässt, bleiben die freiwilligen Tätigkeiten in Verbänden, die ihren Mitgliedern ökonomische Vorteile versprechen, wie zum Beispiel Gewerkschaften, in wirtschaftlich schwierigen Zeiten unberührt.

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Bildung vermag finanzielle Notlagen zu kompensieren

Zudem reagieren die Menschen in wirtschaftliche Notlagen unterschiedlich. Insbesondere der individuelle Bildungsgrad scheint eine wichtige Rolle für die Freiwilligenarbeit zu spielen, da dieser das Bewusstsein für soziale Probleme und für die Bedeutung des bürgerschaftlichen Engagements schärft. Bildung belebt die Motivation, sich aus wertorientierten Gründen freiwillig zu engagieren. Obwohl auch gut ausgebildete Bürgerinnen und Bürger in finanzielle Schwierigkeiten geraten könnten, wollen sie sich weiter freiwillig engagieren, weil sie durch gemeinwohlorientierte Normen wie auch altruistische Motive und nicht durch Erwartungen zukünftiger Belohnungen mobilisiert werden.

Bildung ist unerlässlich für die Gewinnung von Sozialkapital

Die Dynamik der wirtschaftlichen Ressourcen und des Humankapitals sind entscheidend für das Verständnis der Entwicklung von Freiwilligenarbeit während finanzieller Krisen. In dieser Hinsicht dürften sowohl das Wirtschafts- als auch das Humankapital gleichermassen ineinandergreifende Auswirkungen auf andere Bereiche der Gesellschaft haben. Unsere Ergebnisse legen hierbei offensichtliche Konsequenzen für das Sozialgefüge dar: Freiwillige reagieren auf wirtschaftliche Schwierigkeiten anfälliger, wenn ihnen das Humankapital fehlt.

Mit anderen Worten: Investitionen in das Bildungssystem sollten sich für ein Land langfristig lohnen, um in wirtschaftlich schwierigen Zeiten das Gleichgewicht des sozialen Miteinanders zu erhalten. Diese Nachricht verdient eine besondere Erwähnung, da auch der Bildungssektor in wirtschaftlich schwierigen Zeiten oftmals Federn lassen muss.

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