Das musst du wissen

  • Auf der ganzen Welt gehen Forschende auf die Strasse, um auf die Botschaft des Weltklimaberichts aufmerksam zu machen.
  • Sie sind Teil der Bewegung Scientist Rebellion, die aus Extinction Rebellion hervorgegangen ist.
  • Sie fordern die Regierung zum Handeln und die Bevölkerung und andere Forschende zum Mitmachen auf.
Den Text vorlesen lassen:

Frau Litzenburger, sie rufen zu gewaltlosem, zivilem Ungehorsam auf. Wie muss man sich das vorstellen?

Wir wollen die Regierung auffordern, endlich das Wissen, das wir als Forschende haben, zu nutzen. Offensichtlich reicht es nicht aus, nur zu demonstrieren, das wird von der Politik nicht ernst genug genommen. Darum rufen wir zum gewaltfreien Widerstand auf.

Alexandra Litzenburger

Alexandra Litzenburger studiert im Master Gesundheitswissenschaften an der Berner Fachhochschule.

Das ist ungewohnt, normalerweise liefert die Wissenschaft vor allem die Fakten für die Diskussion – wie passt das zusammen?

Wir liefern die ganzen Daten ja schon seit Jahrzehnten. Doch als Wissenschaftlerin oder Wissenschaftler hat man die Tendenz, eher zurückhaltend zu sein, weil es bei wissenschaftliche Daten nie eine hundertprozentige Sicherheit gibt. Und weil man immer zur Diskussion bereit ist und anerkennt, dass Daten auch Fehler haben können. Die Datenlage zur Klimakrise ist jedoch so erdrückend, dass wir da nicht mehr gross diskutieren können. Wie auch der soeben veröffentlichte Klimabericht zeigt, rennt uns die Zeit davon. Darum müssen wir hin stehen und sagen: Nehmt die Daten ernst und vor allem, handelt danach.

Was ist konkret geplant auf dem Bundesplatz?

Wir haben Plakate und Flyer gedruckt. Da steht zum Beispiel: Wenn wir so weiter machen, ist die Erde 2070 zwanzig Prozent für Menschen nicht mehr bewohnbar, weil es dort Jahresmitteltemperaturen von über 29 Grad geben wird. Oder, dass dann 3,5 Milliarden Menschen auf der Flucht sind. Wir zeigen also eindrückliche Zahlen, die die Menschen wirklich etwas angehen.

Sie sind zehn bis 15 Personen. Ist das eine kritische Masse, um etwas zu bewegen?

Natürlich sind wir nicht genug, um etwas aufzuhalten. Aber auch mit nur zehn Leuten kann man Aufmerksamkeit erregen, aufklären oder auffordern. Zum Beispiel, die fossilen Brennstoffe zu stoppen. Vielleicht haben Sie mitbekommen, dass die Klimastreikgruppe Bern am Montag ein Banner an die Kirchenfeldbrücke gehängt hat– das waren vier Personen. Aber das reicht aus, um den Alltag der Leute zu stören, sodass sie hinschauen.

Auch die Polizei dürfte aufmerksam werden, ist das Teil des Konzepts?

Da die Aktion nicht angemeldet und bewilligt ist, gehört das dazu, ja. Alles soll aber friedlich verlaufen. Wir haben keinen Spass an solchen Aktionen, sondern sehen sie als letztes Mittel, um noch etwas zu erreichen.

Der Name Scientist Rebellion erinnert stark an die Extinction Rebellion. Wieso brauchen die Forschenden ihre eigene Bewegung?

Weil es nochmals eine besondere Bedeutung hat, wenn es nur Forschende sind. Weil wir diejenigen sind, die die Daten produzieren und selber tagtäglich damit arbeiten. Darum haben wir eine andere Sichtweise und können den Ernst der Lage herausstreichen. Wir rufen andere Forschende auf, sich dafür einzusetzen, dass diese Daten auch wirklich genutzt werden und nicht nur einmal kurz in den Nachrichten kommen.

Extinction Rebellion ist sehr radikal unterwegs. Wie will sich Ihre Bewegung positionieren?

Radikal im Sinne von Forderungen grosser systemischer Veränderungen sind wir auch. Wie gesagt, es macht uns keinen Spass in den zivilen Ungehorsam zu gehen, aber der Irrsinn ist nicht unsere Aktion, sondern unser Alltag. In diesem tun wir einfach weiter so als wäre alles bestens, dabei haben wir akuten Handlungsbedarf und es geht nicht um irgendwas, sondern um die Zukunft aller Menschen. Und diese Veränderungen kann man nicht mehr aufschieben, das muss jetzt passieren. Ziviler gewaltfreier Widerstand ist das letzte Mittel, das uns geblieben ist.

Die Veröffentlichung des Weltklimaberichts ist der Auftakt für die erste global organisierte Aktion. Sind weitere Aktionen geplant?

Geplant ist es, ja. Im Rahmen der aktuellen Aktion finden beispielsweise an Universitäten auch sogenannte Teach-ins statt, also Diskussions- und Informationsveranstaltungen. Damit hoffen wir, mehr Leute zu mobilisieren, um in Zukunft grössere Aktionen starten zu können.

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