Würde das beim Limmat-Verlag erschienene Buch «Die illegale Pfarrerin» als Biopic verfilmt werden, dann würden sich wahrscheinlich die ersten 200 Seiten der Biographie am besten dazu eignen. Sie haben alles, was man sich für einen Film nur wünschen kann, der zwar spannend und seriös sein, einen letztlich aber mit gutem Gefühl zurücklassen soll. Das Buch enthält mächtige, böse Männer, aber auch sture Bäuer*innen, die sich ihnen entgegenstellen. Und vor allem: eine unerschrockene Heldin, die letztlich triumphiert.
Vom Volk abgelehnt
Im September 1931 haben im Prättigauer Bergdorf Furna 18 Männer eine Frau zu ihrem kirchlichen Oberhaupt gewählt: Greti Caprez-Roffler war 25-jährig, als sie damit zur ersten vollamtlichen Gemeindepfarrerin in der Geschichte der Schweiz wurde. Auf diesem Posten blieb sie während drei Jahren entgegen dem erbitterten Widerstand des Bündner Kirchenrates. Im Bergkanton waren Frauen damals zum Pfarramt eigentlich gar nicht zugelassen.
Während Caprez-Roffler hoch über dem Prättigau schon als Frau Pfarrerin waltete, liess der Kirchenrat doch noch über ihre Zulassung abstimmen. Das Volk lehnte sie ab. Caprez-Rofflers «illegale» Situation hätte allerdings auch eine Annahme nicht verändert: Die Vorlage sprach nur von ledigen Theologinnen. Caprez-Roffler war da schon verheiratet und Mutter. Das Schlussexamen an der Uni Zürich hatte sie im sechsten Monat schwanger abgelegt.
Das Bild bröckelt
Es wäre für Christina Caprez, Autorin und Enkelin der unerschrockenen Heldin, wohl ein Leichtes gewesen, diese fantastische Geschichte zu erzählen und den ganzen Rest in einer Art Epilog in als Schnellwäsche abzuhandeln.
Aber das tut Caprez nicht. Als Caprez-Roffler als Pfarrerin von Furna wieder abtritt, findet man sich gerade einmal auf Seite 242 von fast 400. Caprez erzählt das Leben ihrer Grossmutter zu Ende und lässt damit zu, dass das schöne Bild bröckelt. In jungen Jahren offenbar Feministin durch und durch, finden sich in späteren Jahren Texte von Caprez-Roffler, die einen aus heutiger feministischer Sicht nicht jubeln lassen. Die Autorin befragt eine Vielzahl von Zeitzeug*innen – vom ehemaligen Sonntagsschüler bis zu entfernten Verwandten – und lässt somit auch jenen Raum, die Caprez-Roffler und ihre Familie kritisch beleuchten.
Zu viel Zeit, zu viele Details
So berichtet etwa die ehemalige Angestellte, vom Vater Roffler sexuell belästigt und später im Dienst von Greti Caprez-Roffler von ihr entmutigt worden zu sein, als sie eine Ausbildung hätte machen wollen. Ebenso kommt ihre Tochter Margreth zu Wort, die ein offenkundig zwiespältiges Verhältnis zur Mutter hat.
Schon bevor es zum Kampf ums Pfarramt geht, lässt sich das Buch viel Zeit. An gewissen Stellen zu viel: Exkurse über die Bedeutung von Frauenfreundschaften in jener Zeit oder auch ein detaillierter Bericht über die Geburt des ersten Sohnes sind zwar interessant, aber für den Spannungsbogen des Buches nicht gerade eine Wohltat.
Kein Feelgood-Biopic
So recht lesen mag man auch den Teil nach Caprez-Rofflers Zeit als Pfarrerin nicht, hat sie sich als Heldin doch so gut gemacht. Aber dieser Abschnitt des Buches ermöglicht dafür, dass «Die illegale Pfarrerin» kein Feelgood-Biopic bleibt, sondern das Porträt einer vielschichtigen und widersprüchlichen Frau zeichnet.