Das musst du wissen

  • Im Abwasser sind RNA-Bruchstücke von Sars-CoV-2 nachgewiesen worden.
  • Wie lange infektiöse Sars-CoV-2-Viren im Abwasser überleben können, ist noch nicht bekannt.
  • Ob Abwasser im Einzelfall zu Übertragungen führen kann, ist ebenfalls noch unklar.

Jeden Tag reinigen die Kläranlagen in der Schweiz rund 1,7 Milliarden Kubikmeter Abwasser. Das gereinigte Abwasser fliesst zurück in die hiesigen Gewässer – und dann zum Beispiel über den Rhein in die Nordsee. Würde das neue Coronavirus über unsere Toiletten in das Abwasser gelangen und dort überleben, dann wären Kläranlagen zentral für die Eindämmung der Krankheitsausbreitung. Die gute Nachricht zuerst: Bisher konnten keine infektiösen Sars-CoV-2-Viren im Abwasser entdeckt werden. Die schlechte Nachricht: Solche infektiösen Viren im Abwasser und in menschlichen Ausscheidungen zu entdecken, ist extrem schwierig. Infektiöse Sars-CoV-2-Viren konnten erst in wenigen kleinen Studien im Urin oder im Kot nachgewiesen werden.

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Was im Abwasser hingegen breit zu finden ist, sind RNA-Bruchstücke von Sars-CoV-2. Diese Konzentrationen können Indizien für den Verlauf der Pandemie geben und damit für das Monitoring hilfreich sein. Ob übers Abwasser aber Ansteckungen passieren könnten, ist bisher unbekannt.

Das Risiko einer Ansteckung über Abwasser hat ein internationales Forscherteam unter der Leitung der Ben-Gurion-Universität in Israel und mit Beteiligung der Eawag (Wasserforschungs-Institut des ETH-Bereichs) nun genauer angeschaut. Ihre Übersichtstudie wurde im Fachmagazin Nature Sustainability publiziert. Die Studie kommt zum Schluss, dass bei den gegenwärtigen Abwasserreinigungssystemen nicht zu hundert Prozent ausgeschlossen werden kann, dass infektiöse Viren die Kläranlage passieren und so in den Wasserkreislauf geraten.

Science-Check ✓

Studie: Rethinking wastewater risks and monitoring in light of the COVID-19 pandemicKommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsDie Studie trägt Hinweise zusammen, wie gut infektiöse Viren im Abwasser überleben könnten. Es gibt aber noch Forschungslücken, viele Fragen können deshalb nicht abschliessend beurteilt werden.Mehr Infos zu dieser Studie...

Viren werden in der Kläranlage hauptsächlich während der biologischen Reinigung durch Mikroorganismen aus dem Wasser entfernt oder inaktiviert. Das Bundesamt für Umwelt schrieb dazu im April: «Die im Abwasser vorhandenen Viren werden generell um das mindestens zehn- bis hundertfache verringert.» Das neue Coronavirus könne zudem nur kurz im Abwasser überleben. Dies ist aber nicht vollständig sicher.

Denn die Überlebenszeit eines solchen Virus hängt stark von der Zusammensetzung des Wassers, der Wassertemperatur sowie dem pH-Wert ab. Das Sars-CoV-1-Virus überlebt in kaltem Abwasser von vier Grad beispielsweise 14 Tage, bei 25 Grad hingegen nur noch zwei Tage, wie eine Studie zeigte. Je mehr organische Stoffe es im Wasser hat, desto weniger lang überlebt das Virus zudem. In einem See überlebten andere, verwandte Coronaviren zehn Tage, in Abwasser nur zwei Tage.

Wie lange aber infektiöse Sars-CoV-2-Viren im Abwasser tatsächlich überleben können, ist im Moment schlicht nicht bekannt. «Wir brauchen ein besseres Verständnis über das Überleben von Sars-CoV-2 im Abwasser und über die minimale infektiöse Dosis», sagt der ETH-Professor Eberhard Morgenroth, Forscher bei der Eawag und Mitautor der Studie. Die Abwasserreinigung sei in der Schweiz zwar grundsätzlich ausreichend, trotzdem müsse man das Thema im Auge behalten und gegebenenfalls die Reinigung anpassen. Viren gezielt aus dem Abwasser zu entfernen, wäre möglich. Zum Beispiel mittels UV-Licht, Chlor oder sehr feinen Filtern, sogenannten Membranfiltern. Dies sei im Moment aber noch nicht nötig. Problematisch werde es erst dann, wenn sich herausstellt, dass eine Ansteckung mit Sars-CoV-2 über den Wasserpfad doch relevant sein kann. Dann müsste zum Beispiel Abwasser mit hohen Konzentrationen von infektiösen Viren, das in Badegewässer fliesst, besser gereinigt werden. Im Moment gibt es dafür aber keine belastbaren Hinweise.

Noch ein viel grösseres Problem haben Länder, die keine funktionierenden Abwassersysteme haben. Bereits jetzt ist die mangelnde Hygiene dort ein Problem: «Zwei Milliarden Menschen haben keine funktionierenden Toiletten und es fehlt an Möglichkeiten zum Händewaschen», so Morgenroth. Ohne adäquate Hygiene könne sich Covid-19 in solchen Ländern extrem schnell verbreiten.

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