Das musst du wissen

  • Selbst entfernte Verwandte teilen Abschnitte der DNA.
  • Kommerzielle Datenbanken bieten im Internet die Möglichkeit, über Genom-Sequenzierung Verwandte zu finden.
  • In Schweden bediente sich die Polizei solcher Datenbanken – und überführte so einen über Jahre gesuchten Mörder.
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Der Mord schreckte die Bewohner im schwedischen Linköping auf – und sollte über 15 Jahre ungeklärt bleiben: Am Morgen des 19. Oktobers 2004 erstach ein Unbekannter einen achtjährigen Jungen sowie eine 56-jährige Frau. Zurück blieb nur die Tatwaffe, ein Klappmesser, sowie eine Wollmütze mit blonden Haaren. Über 6000 DNA-Analysen und 9000 Verhöre mit Verdächtigen ergaben keinerlei Hinweise. Nun konnte der Mord aufgeklärt werden – mithilfe öffentlicher Gen-Datenbanken. Wie genau, das haben die schwedischen Forensiker in einer Studie im Fachmagazin Forensic Science International: Genetics publiziert.

Science-Check ✓

Studie: Getting the conclusive lead with investigative genetic genealogy – A successful case study of a 16 year old double murder in SwedenKommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsEs handelt sich um einen Einzelfall und um eine Pilot-Studie. Wie fehleranfällig die Methode ist, kann die Studie nicht klären. Es braucht also weiter Forschung.Mehr Infos zu dieser Studie...

Polizei findet Verwandte

Für das Pilotprojekt verglichen die Forschenden die am Tatort sicher gestellte DNA – die von schlechter Qualität war – mit den DNA-Daten in öffentlichen Datenbanken, die für die Ahnenforschung eingesetzt werden. Die Forschenden suchten nach ähnlichen DNA-Abschnitten – also eigentlich nach Verwandten des Mörders. Sie fanden 890 potenzielle Treffer. Aus den 28 ähnlichsten Kandidaten rekonstruierten sie dann einen Stammbaum, der bis ins 18. Jahrhundert zurückreichte. Am Ende kamen sie auf zwei Brüder. DNA-Proben ergaben bei einem der Brüder einen Volltreffer – er gestand den Mord schliesslich. Der Fall konnte im Juni 2020 endlich zu den Akten gelegt werden.

Es war das erste Mal, dass in Europa diese sogenannte investigative genetische Genealogie eingesetzt wurde. Vorher wurde sie nur einmal erfolgreich angewendet: 2018 fand die US-Polizei so den «Golden-State-Killer». Möglich ist die Methode durch die Fortschritte in der Genom-Sequenzierung geworden, die in den letzten Jahrzehnten gemacht wurden.

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Privatsphäre in Gefahr

Die neue Methode wirft jedoch prekären Fragen ethischer und rechtlicher Natur auf. «Es besteht hier ein Konflikt zwischen zwei wichtigen Prinzipien: Das Recht jedes einzelnen auf Privatsphäre und dem Bestreben der Gesellschaft, schwere Straftaten aufzudecken», sagt Andreas Tillmar, Genforscher beim schwedischen Justizministerium und Studienautor, in einer Mitteilung. Im Moment bewegten sich die Behörden in einem rechtlichen Graubereich, denn die Technik schreite dem Recht oft voraus. Der rechtliche Rahmen sollte also bald geregelt werden denn: Dass Schweden über Stammbaum-Analysen einen solchen Fall lösen konnte, habe das Interesse der Strafverfolgungsbehörden weltweit geweckt.

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