Das musst du wissen

  • Über die Luft verbreiten sich Viren einerseits über Tröpfchen.
  • Andererseits verteilen sie sich über Aerosole, also mikroskopisch kleine Partikel.
  • Diese gelangen über Husten, Niesen aber auch über das Sprechen und das Atmen in die Luft.

Das Virus Sars-CoV-2 findet verschiedenste Wege in den Körper des Menschen. Nicht alle Wege aber sind gleich gut erforscht. Das liegt unter anderem daran, dass es nicht möglich ist, mit absoluter Sicherheit zu sagen, wie sich Infizierte ansteckten. Das Nachverfolgen möglicher Risikokontakte kann zwar Aufschluss darüber geben, wer einen Infizierten angesteckt hat. Aber nicht darüber, wie.
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Vor allem ist unsicher, wie einfach sich das neue Coronavirus über die Luft verteilt. Diese Übertragung kann man in zwei unterschiedliche Gruppen einteilen. Einerseits die Infektion per Tröpfchen, die aus Atemwegsflüssigkeiten bestehen und grösser als fünf Mikrometer sind. Diese werden durch Husten oder Niesen ausgestossen.

Andererseits könnten auch sogenannte Aerosole Viren übertragen. Aerosole, das sind mikroskopische Partikel, kleiner als fünf Mikrometer, die dadurch entstehen, dass klassische Atemwegströpfchen zum Teil verdampfen und dadurch schrumpfen. Diese Aerosole können aufgrund ihrer Grösse sehr viel länger in der Luft verbleiben.

Die bisherige Forschung hat sich vor allem darauf konzentriert, wie Krankheiten über das Husten oder Niesen übertragen werden. Viele der Corona-Infizierten haben allerdings nur sehr milde oder gar keine Symptome. Das heisst, wenn asymptomatisch Infizierte ansteckend sind, dann am ehesten über direkten und indirekten Kontakt oder eben: über Aerosole. Ob man sich aber ansteckt, wenn man zum Beispiel mit asymptomatischen Infizierten spricht, ist bisher unklar.

Die Argumente dafür und dagegen wurden jüngst in einem Editorial der Fachzeitschrift Aerosol Science and Technology zusammengefasst.

Argumente, die für eine Ansteckung sprechen

Eine experimentelle Studie hat kürzlich herausgefunden, dass Aerosolpartikel, die das Virus Sars-CoV-2 tragen, mit einer Halbwertszeit von bis zu einer Stunde in der Luft verbleiben können. Ähnliche Beobachtungen hat man bereits bei der Untersuchung von Luftproben in Krankenhäusern 2003 bei Sars-Cov-1 gemacht.
Schon relativ alte Publikationen von 1946 und 1997 zeigten, dass Atmen und normales Sprechen grosse Mengen an Aerosolen erzeugen. Typischerweise sind diese Partikel etwa einen Mikrometer gross und damit gross genug, um das Virus zu tragen und eingeatmet zu werden – aber unsichtbar. Neuere Arbeiten mit Influenza zeigten, dass ein Infizierter allein durch Atmen oder Reden das Virus in der Umgebungsluft verbreiten kann.

In einer neuen Studie haben nun Forschende der University of California Davis herausgefunden, dass Reden mehr Partikel erzeugt als Atmen. Dabei sprechen sie von einem Ausstoss zwischen einem und fünfzig Partikeln pro Sekunde. Je lauter man redet, desto mehr Partikel entstehen. Die Sprache macht dabei keinen Unterschied: Die Probanden im Experiment sprachen Englisch, Spanisch, Mandarin oder Arabisch. Auch gibt es eine kleine Gruppe der Probanden, sogenannte Superemitter, die beim Reden bis zu zehnmal mehr Partikel ausstiessen als andere Personen. Dieses Phänomen konnten sie nicht mit den Eigenarten der gesprochenen Sprache oder der Lautstärke erklären. Sie gehen davon aus, dass es dafür andere, bisher unbekannte, zwischen den Menschen sehr variable physiologische Faktoren gibt.

Science-Check ✓

Studie: Aerosol emission and superemission during human speech increase with voice loudness KommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsDie Anzahl Probanden ist klein, weshalb die Studie nur als Hinweis dienen kann. Weiter Forschung muss die Funde bestätigen. Ausserdem kann auch die Zusammensetzung der Luft, beziehungsweise deren Verschmutzung, eine Rolle spielen. Das wurde in der Studie nicht berücksichtigt.Mehr Infos zu dieser Studie...

Bei einem zehnminütigen Gespräch, könnte so ein Superemitter eine Wolke aus bis zu 30 000 Aerosolpartikeln erzeugen, die den Gesprächspartner eventuell anstecken könnten. Ein normaler Sprecher, würde je nachdem in der gleichen Zeit nur etwa 2400 Partikel in die Luft abgeben. Wie viele Partikel es zur Ansteckung braucht, weiss man bisher nicht.

Argumente, die gegen eine Ansteckung sprechen

Damit ansteckende Aerosolpartikel in den Lungenbläschen oder durch die Vibration der Stimmbänder entstehen können, muss Schleim vorhanden sein, der das Virus enthält. Vor allem bei asymptomatischen und dadurch unbekannten Fällen ist noch nicht klar, ob es dieses in ihrem Rachen überhaupt in ausreichender Menge gibt. Auch ist noch nicht bekannt, wie hoch die virale Dosis von Sars-CoV-2 in den Partikeln sein muss, damit es zu einer Infektion kommt. Das ist von Erreger zu Erreger sehr unterschiedlich.

Und: In der Regel werden Aerosole in Schwaden ausgestossen, die sich in der allgemeinen Luftrichtung bewegen. Deshalb spielt es eine Rolle, wie weit entfernt Sender und potentieller Empfänger der virusbeladenen Partikel sind. Mit zunehmender Luftbewegung steigt nämlich auch die Wahrscheinlichkeit, dass die Partikel verwirbelt und dadurch verdünnt werden. Deshalb wird ein Abstand von zwei Metern empfohlen. Es könnte aber auch sein, dass die Partikel in der Regel so schnell absinken, dass sie überhaupt niemanden anstecken können.

Was wir nicht wissen

Aktuell sind das nur Hypothesen, denn es fehlen genauere Informationen. Folgende Fragen müssten in Zusammenarbeit von Virologen Epidemiologen und Aerosolwissenschaftlern beantwortet werden, damit man ein genaueres Bild der Aerosol-Übertragung von Sars-CoV-2 zeichnen kann:

  • Stossen angesteckte aber asymptomatische Personen mehr Aerosolpartikel aus, als gesunde?
  • Wie viele Viren sind in den Aerosolpartikeln enthalten und wie verändert sich diese Menge mit der Zeit im Infektionsverlauf?
  • Wie sammelt man am besten Luftproben für Untersuchungen und wie bestimmt man, wie gross die Virusmenge für eine Infektion sein muss?
  • Welche Einflüsse haben Umweltfaktoren, wie Temperatur oder Feuchtigkeit auf das Aerosolverhalten?

Die Forschung hat also noch viel zu tun. Solange diese Fragen nicht geklärt ist, gilt: je vorsichtiger man ist, desto geringer das Risiko, sich anzustecken. Also: Abstand halten.

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