Das musst du wissen

  • Stammzellen produzieren regelmässig Melanozyten, die den Farbstoff für unsere Haare herstellen.
  • Bei Stress verlieren diese Stammzellen an Schaffenskraft – die Haare werden weiss.
  • Forschende wissen nun wieso: Ein von Nervenzellen ausgeschüttetes Stresshormon deaktiviert die Pigmentzellen.

Barack Obama, so besagt eine mediale Legende, bekam bereits nach 44 Tagen im Amt graue Haare.

Dass dies gut möglich ist, zeigt nun eine neue Studie. Ein Forschungsteam der Harvard University belegte in einem Experiment, dass Stress tatsächlich zum Verlust von Pigmenten in der Haarpracht führt. Die Studie ist in der Fachzeitschrift Nature erschienen.

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Studie: Hyperactivation of Sympathetic Nerves Drives Melanocyte Stem Cell DepletionKommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsEs waren Forschende aus diversen Disziplinen beteiligt, um im Zuge derselben Studie verschiedene Körpersysteme betrachten zu können. Allerdings konnten nur Mäuse untersucht werden. Inwiefern sich die Resultate auf Menschen übertragen lassen, wurde nicht abschliessend geklärt. Aber Versuche mit menschlichen, kultivierten Melanozyten zeigten, dass diese ähnlich auf Noradrenalin reagierten wie die Mäuse-Zellen. Erwähnenswert ist auch, dass sieben der siebzehn Forschenden freiwillig angaben, mit verschiedenen Pharma- und Medizinalunternehmen verbunden zu sein.Mehr Infos zu dieser Studie...

Grundsätzlich verlieren unsere Haare immer mehr Pigmente, je älter wir werden. Das geschieht folgendermassen: Haare wachsen in den Haarfollikeln, einer Art Sack in der Kopfhaut. An den Follikeln befinden sich Stammzellen, aus denen pigment-produzierende Zellen entstehen können. Wenn ein neues Haar wächst, teilen sich die Stammzellen und schaffen so die sogenannten Melanozyten, also Zellen, die für die färbenden Melanine sorgen. Diese Zellen wandern dann unter die Haarwurzel und versorgen das Haar mit Farbpigmenten. Wenn das Wachstum endet und das Haar schliesslich ausfällt, sterben auch die Melanozyten. Dann beginnt ein neuer Haarwuchszyklus, und neue Melanozyten müssen produziert werden. Wenn wir alt werden, verlieren die Stammzellen an Schaffenskraft, und es gibt zu wenige Melanozyten, welche die Haare mit Pigmenten beliefern. Wenn kein Melanin mehr produziert wird, bleiben die Haare weiss. Weil das Melanin üblicherweise nicht an jedem Haarfollikel gleichzeitig ausgeht, werden unsere Haare grau, bevor sie ganz weiss werden.

Das ist ein gut dokumentierter Prozess, erklärt aber nicht, wieso die Zellen auch bei Stress – und nicht nur bei Alter – erlahmen. Um das herauszufinden, haben die Forschenden nun mehrere Tests an schwarzhaarigen Mäusen durchgeführt.

Dazu wurden die Mäuse über mehrere Wochen hinweg unter Stress gesetzt: Entweder wurden sie fünf Tage lang während vier Stunden in einem kleinen Käfig eingesperrt oder aber mindestens zweimal täglich unterschiedlichen Stressfaktoren wie Isolation, schnellen Lichtwechseln oder feuchtem Nistmaterial ausgesetzt. Sowohl das Festhalten im Käfig wie auch die wechselnden schlechten Bedingungen stressten die Mäuse derart, dass ihnen weisse Haare wuchsen.

Dann überprüften die Forschenden verschiedene Hypothesen, um herauszufinden, wodurch die Ergrauung während der Stresssituation genau ausgelöst wurde: Beispielsweise die Annahme, dass Stress zu einer Immunattacke auf die Melanozyten führe. Doch auch Mäuse, die keine Immunzellen besassen, produzierten nach Stress graue Haare. Dann wurde untersucht, ob erhöhte Konzentrationen des Stresshormons Kortisol zur Ergrauung führt. Auch das bewahrheitete sich nicht: Mäuse, denen die Kortisoldrüsen entfernt wurden, bekamen trotzdem weisse Haare.

Schliesslich prüften sie, ob möglicherweise das sympathische Nervensystem, das in Stresssituationen eine wichtige Funktion übernimmt, für die Veränderung der Haarfarbe verantwortlich sein könnte. Und tatsächlich stellten die Forschenden bei den Mäusen fest, dass die Nervenzellen in der Kopfhaut das Stresshormon Noradrenalin ausschütten.

Noradrenalin führte bei den Mäusen zum Verlust von produktiven Stammzellen: Diese Stammzellen beginnen in Kontakt mit dem Hormon übermässig viele Melanozyten zu produzieren, die unter die Haarwurzel abwandern, und stellen daraufhin ihre Produktivität ein oder wandern in die Kopfhaut ab. Und das mit einer beeindruckenden Geschwindigkeit: «Nach nur wenigen Tagen waren alle der pigment-regenerierenden Stammzellen weg. Und wenn sie einmal inaktiv sind, dann lassen sie sich diese Stammzellen nicht mehr regenerieren», kommentiert Co-Autor Hsu das Ergrauen der gestressten Mäuse.

Diese Resultate zeigen, dass das sympathische Nervensystem auch Auswirkungen auf Stammzellen haben kann, wie Co-Autor Hsu in der Mitteilung sagt: «Wir wissen nun, dass Nervenzellen auch Stammzellen kontrollieren können.» Die Forschenden vermuten daher, dass Stress nicht nur das Weisswerden von Haaren, sondern auch zum Beispiel Gewebeveränderungen in Gang setzt, die bisher unerforscht blieben.

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