Das musst du wissen
- Hydroxychloroquin ist ein Malariamedikament, dass zu Beginn der Pandemie auch bei Covid-19 Erfolg versprach.
- Doch bald wurde klar, kranken Patienten half es nicht. Mehrere Versuche wurde abgebrochen.
- Dennoch gibt es offene Fragen, ob das Medikament in bestimmten Situationen nicht doch wirkt.
Selten hat eine medizinische Kontroverse ein solches Ausmass angenommen. Hydroxychloroquin ist ein seit einem halben Jahrhundert bekanntes Malariamedikament, das für die Behandlung von Covid-19 eingesetzt wurde. Man spricht dabei von «Repurposing» eines Medikaments, also einer Anwendung für einen anderen als den ursprünglichen Zweck. Hydroxychloroquin steht im Zentrum einer endlosen Debatte, die von Persönlichkeiten wie dem französischen Forscher Didier Raoult und US-Präsident Donald Trump angeheizt wird. Das Medikament wird zwar mittlerweile nicht mehr zur Behandlung von Covid-19 eingesetzt, doch selbst bei anerkannten Experten gibt es noch Unsicherheiten hinsichtlich seiner Wirksamkeit.
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Warum Hydroxychloroquin immer noch ein Thema ist. Diskussionen über Hydroxychloroquin lassen wenig Raum für Nuancen. Sie sind sehr schnell polarisiert und vermischt mit politischen und persönlichen Erwägungen. Die Situation scheint klar: Hydroxychloroquin wirkt nicht. Aber es gibt Forscher, die dennoch die Möglichkeit sehen, dass das Medikament zur Prävention eingesetzt werden könnte, oder um eine Erkrankung frühzeitig zu behandeln. Diese Nutzungsmöglichkeiten zu erforschen ist nun erschwert, durch die Verbreitung unkoordinierter Initiativen und die Politisierung der Kontroverse.
Ein kurzer Überblick
- Hydroxychloroquin wirkt nicht bei hospitalisierten Covid-19-Patienten mit schweren Verläufen.
- in vitro scheint das Molekül nicht wirksam gegen Sars-CoV-2 zu sein.
- es wird immer noch debattiert, welche Schlussfolgerungen daraus zu ziehen sind.
- der Nutzen für die Prävention oder frühzeitige Behandlung ist kaum untersucht worden.
- die Lösung könnte aus Afrika kommen, wo die Initiative «Arzneimittel gegen vernachlässigte Krankheiten» in den kommenden Wochen einen grossangelegten Pilotversuch startet.
Ein Blick auf die Kontroverse. Die ersten Veröffentlichungen zu Hydroxychloroquin und die eingangs vielversprechenden in-vitro-Ergebnisse führten zu einer Fülle von klinischen Studien. Diese wurden oft in Eile geplant, und im Kontext der ersten Welle der Covid-19-Pandemie durchgeführt. Das Flaggschiff: eine randomisierte Studie namens «Recovery», die in einer Rekordzeit von drei Wochen von Oxford-Forschern eingerichtet und in mehr als 200 britischen Krankenhäusern durchgeführt wurde. Letzten Juni kamen die Ergebnisse:
- Hydroxychloroquin, das mehr als 1500 Patienten verabreicht wurde, senkte die Krankenhaussterblichkeit nicht, erhöhte sie aber auch nicht.
- Die hohen Sterblichkeitsraten in britischen Spitälern lassen vermuten, dass das Medikament vor allem bei Patienten mit schweren Verläufen nicht wirksam ist.
Nach diesen Resultaten fiel das Kartenhaus zusammen. In Spitälern weltweit gehört das Medikament seither nicht mehr zur Standardbehandlung bei Covid-19. In den Vereinigten Staaten nahm die Zulassungsbehörde FDA die einige Monate zuvor erteilte Notfallzulassung zurück. Das NIH, das amerikanischen Institute für Gesundheitsforschung, unterbrach bereits angelaufene klinischen Studien. Bei einer grossen klinischen Studie der WHO namens «Solidarität» wurde kurz danach der «Hydroxychloroquin-Arm» der Studie abgebrochen. Ebenso bei einer ähnlich ausgelegten Studie aus Frankreich. Vorläufige Daten, kombiniert mit den Schlussfolgerungen der britischen «Recovery»-Studie, scheinen die Forscher von der Sinnlosigkeit einer Fortsetzung der Versuche überzeugt zu haben. Die bisherigen Daten sind noch nicht veröffentlicht worden.
Nicholas White ist Spezialist für Tropenmedizin an der Mahidol-Universität in Thailand und an der Universität Oxford. Er arbeitet eng zusammen mit dem Forscherteam der «Recovery»-Studie und ist Mitautor der Arbeit. Auf der Grundlage klinischer Daten am Menschen, die er für die einzigen wirklich schlüssigen Daten hält, kommentiert er für Heidi.news:
«Es ist keine offene Frage mehr, ob Hydroxychloroquin oder Chloroquin bei hospitalisierten Patienten einen Nutzen hat. Die «Recovery»-Studie hat diese Frage beantwortet.»
Die Spitäler geben auf. Tatsächlich bestätigten die Ergebnisse von «Recovery» eine Entwicklung: Angesichts der sich häufenden widersprüchlichen Daten hatte die Begeisterung für das Malariamedikament bereits nachgelassen. Schon im Mai hatte das Universitätsspital in Genf seine Anwendung ausserhalb klinischer Studien aufgegeben, wie uns die für das Dossier verantwortliche klinische Pharmakologin Caroline Samer erklärte.
Es besteht nun ein überwältigender Konsens darüber, dass Hydroxychloroquin in Spitälern unwirksam ist. Keiner der Ärzte oder Forscher, mit denen wir in den letzten Monaten – in der Schweiz oder in Frankreich – gesprochen haben, verteidigt die Verwendung von Hydroxychloroquin noch. Tatsächlich wird es in praktisch keinem Spital mehr routinemässig verschrieben.
Der französische Infektiologe Nathan Peiffer-Smadja vom Spital Bichat in Paris, hat die nationalen Empfehlungen zu Hydroxychloroquin weltweit zusammengestellt. Die Zusammenstellung spricht Bände:
«Das Soufflé ist in sich zusammengefallen», bestätigt Blaise Genton, Infektiologe und Chefarzt am Universitätsspital Unisanté in Lausanne, der zunächst ein Befürworter des Malariamedikaments war, das er wie alle Spezialisten der Tropenmedizin gut kennt.
Die Argumente bröckeln. Arbeiten, die im immunologischen Labor des Forschungszentrums «CEA Paris-Saclay» durchgeführt wurden, haben weitgehend dazu beigetragen, die Begeisterung für Hydroxychloroquin zu dämpfen. Sie zeigten bereits im Mai:
- das Molekül hat keine nachweisbare antivirale Wirkung auf infizierte Makaken;
- die in-vitro-Neutralisierung des Coronavirus, die ursprünglich in Nierenzellen von Affen nachgewiesen wurde, tritt bei menschlichen Epithelzellen – den gleichen Zellen, die das Virus im wirklichen Leben angreift – nicht auf.
Die fehlende in-vitro-Wirksamkeit von Hydroxychloroquin in menschlichen Schleimhautzellen wurde kurz darauf von deutschen Virologen bestätigt. Die französische Studie und die deutsche Studie, die am selben Tag in der Zeitschrift Nature veröffentlicht wurden, untergraben die Begründung für das «Repurposing» von Hydroxychloroquin gegen Covid-19 erheblich.
Die Dosis-Kontroverse. Obwohl niemand mehr die Verwendung von Hydroxychloroquin in Spitälern verteidigt, geben einige Ärzte zu, dass sie immer noch Zweifel haben. Ein kritischer Punkt ist die Dosis. Forscher der britischen «Recovery»-Studie verwendeten eine hohe Dosis Hydroxychloroquin, um die Chancen zu maximieren, eine wirksame Konzentration in den Atemwegen zu erreichen.
Hydroxychloroquin ist in niedrigen Dosen gut verträglich ist. Aber es wirkt sich auch auf den Herzrhythmus aus. Ist es möglich, dass Toxizitäten bei seltenen, gefährdeten Patienten den Gesamtnutzen von Hydroxychloroquin ohne das Wissen der Forscher überlagert haben? Nicolas Dauby, ein Infektiologe am Spital Saint-Pierre in Brüssel, schliesst dies nicht aus:
«Wir müssen die enorme Arbeit der Briten würdigen, sie haben das Spiel eindeutig verändert. Aber sie wählten extrem hohe Dosen, um eine optimale antivirale Aktivität zu erreichen. Sie gaben in 24 Stunden das, was wir in Belgien über fünf Tage empfehlen, und führten kein systematisches EKG durch. Die Toxizität ist dosisabhängig. Ich glaube, sie gaben zu hohe Dosen.»
Wegen der hohen Dosis, lehnte Belgien auch die Teilnahme an der «Solidarität»-Studie der WHO und and der «Discovery»-Studie Frankreichs ab. Nach Angaben der belgischen Tageszeitung L’Écho, die über die Äusserungen des damaligen Gesundheitsministers berichtete, haben die Ethikkommissionen mehrerer Spitäler des Landes Vorbehalte zum Ausdruck gebracht.
Nicolas Dauby ist einer der Hauptforscher einer belgischen nationalen Studie, an der mehr als 8000 Teilnehmer in etwa 100 Krankenhäusern mit Hydroxychloroquin in niedrigen Dosen behandelt werden. Sie zeigt eine um ein Drittel reduzierte Mortalität bei Patienten, die mit Hydroxychloroquin behandelt wurden, im Vergleich zur Standardbehandlung.
Die Ergebnisse der belgischen Studie wurden im Oktober im «International Journal of Antimicrobial Agents» veröffentlicht. Dieses Fachmagazin hatte die erste seither stark kritisierte Studie von Didier Raoult veröffentlicht. Die belgische Studie bemüht sich ihrerseits um die Kontrolle der wichtigsten Störfaktoren, wie Alter, Geschlecht und Komorbiditäten, die sich auf das Überleben der Patienten auswirken, und versucht, die Wirkung des Medikaments zu isolieren. Eine ähnliche italienische Studie mit etwa 2600 Patienten, die im August veröffentlicht wurde, berichtete ebenfalls über eine vergleichbare Wirkung.
Beide Studien haben beobachtenden und retrospektiven Charakter und sind nicht in der Lage, eine Kausalität nachzuweisen – nur randomisierte Studien verfügen über ausreichende Evidenz dafür. Aber in Ermangelung besserer Versuche mit niedrig dosiertem Hydroxychloroquin könnten sie ausreichen, um Zweifel aufkommen zu lassen.
Nicolas Dauby:
«Man muss die Dinge ins rechte Licht rücken, sie sind nicht schwarz-weiss. Nehmen wir an, wir haben einen Cluster, das auf einen potenziellen Nutzen bei der Krankheit hindeutet, und wir [das belgische Team] haben den Eindruck, dass das mit der entzündungshemmenden Wirkung von Hydroxychloroquin in Verbindung gebracht werden könnte. Tiermodelle sind gute Modelle, um die antivirale Aktivität einer Substanz zu untersuchen, aber nicht für die entzündungshemmende Aktivität.»
Wird dieser Aspekt weiter untersucht? Das ist äusserst unsicher.
Der grösste Erfolg der «Recovery»-Studie besteht darin, dass sie gezeigt hat, dass Dexamethason, ein starker Entzündungshemmer, die Covid-19-Sterblichkeit deutlich um etwa ein Drittel reduziert. Billig, generisch und jahrzehntelang in Gebrauch, wurde «Dexa» sofort zur Standardbehandlung für intubierte Covid-19-Patienten im Krankenhaus.
Es ist daher unwahrscheinlich, dass niedrig dosiertes Hydroxychloroquin zur Anwendung kommen wird. Und dass eine Institution einen Prozess mit einem so ungewissen Ausgang finanzieren möchte. «Ich glaube, unsere Studie bringt mehr Fragen als Antworten» gibt Nicolas Dauby zu.
Die richtige Dosis zur richtigen Zeit. Für die meisten Spezialisten betreffen die verbleibenden Unsicherheiten über den Nutzen von Hydroxychloroquin nicht seine Verwendung zur Behandlung im Spital. Dies gilt als durch die «Recovery»-Studie und die neuesten präklinischen Daten geregelt. Der eigentliche blinde Fleck betrifft die Verabreichung zu einem früheren Zeitpunkt des Krankheitsverlaufs. Nick White:
«Die Viruslast erreicht ihren Höhepunkt bei oder kurz nach einer Erkrankung. Dann geht sie zurück, und wenn Sie im Krankenhaus sind, sieben oder zehn Tage nach dem Auftreten der Symptome, scheint das Virus verschwunden zu sein, und es ist die Entzündungsreaktion, die die Überlebenschancen wirklich beeinträchtigt. Was darauf hindeutet, dass Immunmodulatoren gegen Ende der Krankheit nützen, während das Zeitfenster für eine Wirksamkeit von antiviralen Medikamenten eher stromaufwärts liegt.»
Hydroxychloroquin könnte sich noch in drei Situationen bewähren:
- als Prophylaxe vor der Exposition, zur Verringerung des Risikos einer Infektion mit dem Virus oder zur Verringerung des Schweregrades der Symptome;
- in der Post-Expositions-Prävention bei Personen mit hohem Infektionsrisiko, typischerweise Pflegepersonal, nach risikoreichem Kontakt mit einer kranken Person;
- in der Frühbehandlung, bei Menschen im Frühstadium der Krankheit, deren Symptome noch keine Krankenhauseinweisung rechtfertigen.
Es besteht kein Konsens darüber, ob es sich lohnt, dies zu untersuchen. Gibt es eine begründete Erwartung eines Nutzens in einem frühen Stadium des Krankheitsverlaufs, wenn ein Grossteil der klinischen Beweise nicht schlüssig ist und präklinische Tests eher eine eindeutige antivirale Wirkung widerlegen? Dr. Oriol Manuel, Infektiologe an den Genfer Universitätsspitälern (CHUV) und Hauptforscher der Schweizer Komponente der von der WHO geleiteten Megastudie ist skeptisch:
«Ich denke, in Bezug auf Hydroxychloroquin bleiben viele offene Fragen. Es gab zwei negative klinische Studien zur Postexpositionsprophylaxe, zwei negative zur Frühbehandlung. Nun… ich wüsste nicht, was wir sonst noch in Betracht ziehen könnten: Frühzeitige Behandlung vielleicht, aber ehrlich gesagt, ich glaube nicht, dass es viel Sinn macht!»
Als Massnahme zur Prävention. Andere Spezialisten sind optimistischer oder hartnäckiger. Der Infektionloge Blaise Genton von Unisanté glaubt, dass «die Geschichte noch nicht ganz zu Ende ist»:
«Ich denke, dass die Frage einer frühzeitigen Behandlung mit Hydroxychloroquin noch offen ist. Ohne eine grössere Wirkung zu erwarten, könnten wir immer noch auf eine Verringerung der Krankenhauseinweisungen um 20 bis 30 Prozent hoffen. In-vitro- und Tierstudien liefern keine wirklichen Antworten. Sie geben natürlich ein Leitfaden, aber die Hauptantwort wird von klinischen Studien kommen.»
Sein britischer Kollege Nick White ist der gleichen Meinung. Der Tropenmediziner erkennt die Möglichkeit, ein billiges Medikament, das zu seiner Zeit Wunder in der Malariaprävention bewirkte, auch anders einzusetzen. Zumal das bisher einzige zugelassene Antivirenmittel bei Covid-19-Patienten, Remdesivir, nicht überwältigend wirksam zu sein scheint – und sein Preis ist ein grosser Nachteil.
Nick White:
«Wenn man sich die bisher veröffentlichten Studien zur Prävention ansieht und die Daten für sich selbst sprechen lässt, kann man einen Nutzen von etwa 20 Prozent feststellen, der marginal signifikant ist. Ich denke, das bedeutet, dass wir nicht ausschliessen können, dass das Medikament wirkt.»
Für Nick White und das Team in Oxford – einem der Tempel der evidenzbasierten Medizin – kennen klinische Forschungsfragen nur einen Friedensrichter: die grosse randomisierte kontrollierte Studie. Die Copcov-Studie, die er leitet, ist eine davon. Für diese Studie sollen 40000 Gesundheitsfachleute, die täglich mit Covid-19 zu tun haben, auf vier Kontinenten rekrutiert werden. Die Studie hätte daher das Potenzial, die Kontroverse beizulegen, indem sie die Wirksamkeit von Hydroxychloroquin in der Prävention bewertet und dies mit gigantischer statistischer Macht.
Doch Forschung in Corona-Zeiten ist turbulent. Im vergangenen Juni hatte ein Artikel von Harvard-Kardiologen, der in der Fachzeitschrift «The Lancet» veröffentlicht wurde und der die Menschen vor der Toxizität von Hydroxychloroquin warnte, weltweite Auswirkungen. Er führte dazu, dass alle Tests zu dem Medikament vorübergehend gestoppt wurden. Einige Tage später wurde die Studie dann wieder zurückgezogen. Die Daten, die die Forscher nutzten, waren wahrscheinlich von der privaten Firma Surgisphere fabriziert worden.
Nick White ist immer noch wütend angesichts dieses Vorfalls, der zu Recht oder zu Unrecht «Lancet-gate» getauft wurde:
«Wir waren gerade dabei, mit den Tests an mehreren Standorten zu beginnen, als der Artikel von Mehra und Kollegen herauskam und die MHRA (medizinische Zulassungs- und Aufsichtsbehörde für Arzneimittel in Großbritannien, Anm. d. Red) unsere Versuche in nur wenigen Stunden stoppte. Diese hatte offensichtlich keine Zeit, den Artikel richtig zu lesen. Als sich herausstellte, dass die Daten gefälscht worden waren, hat die MHRA aber ihre Entscheidung nicht rückgängig gemacht. Es dauerte sechs Wochen, bis sie ihre Meinung änderte. Und als wir unsere Versuche endlich wiederaufnehmen konnten, hatten die meisten Leute eine schlechte Meinung von diesem Medikament.»
Heute ist die weltweit grösste Studie zur Prävention durch Hydroxychloroquin ins Stocken geraten: Von 40000 Teilnehmern konnten nur ein paar Hundert rekrutiert werden. Der Ausgang der Studie ist mehr als ungewiss, und Nick White ist nicht übermässig optimistisch:
«Das finde ich wirklich aussergewöhnlich: Man kann nicht wirklich sagen, dass es (Hydroxychloroquin, Anm. d. Red.) nicht wirkt. Und es könnte sein, dass wir darauf vielleicht nie die Antwort finden.»
Die Lage in der Schweiz. Der britische Fall ist kein Einzelfall. In der Schweiz gibt es die «Coprep»-Studie, die in Genf initiiert wurde, um die Wirkung von Molekülen in der Post-Expositions-Prävention bei Gesundheitsfachpersonen zu untersuchen. Bei dieser Studie musste der «Hydroxychloroquin-Arm» unterbrochen werden. Die Leiterin der Studie, die Virologin Alexandra Calmy (HUG), bestätigt dies, möchte aber nicht ins Detail gehen.
Gleiches gilt für die «StayHome»-Studie, die bei Unisanté gestartet wurde, um den Nutzen des Malariamedikaments in ambulanten Einrichtungen bei Patienten mit gutartigem bis mittelschwerem Covid-19 zu untersuchen. Ihr Leiter Blaise Genton deutet an, dass sie nicht wieder aufgenommen wird.
Die Lage auf der anderen Seite des Mittelmeers. Die Antwort auf den Nutzen von Hydroxychloroquin in der frühen Behandlung könnte durchaus aus Afrika kommen. Die Initiative «Medikamente für vernachlässigte Krankheiten» (DNDi), eine unabhängige Forschungsorganisation mit Sitz in Genf, schliesst gerade die Durchführung einer panafrikanischen randomisierten klinischen Studie (genannt Anticov) ab:
- die Studie wird mehrere Therapien untersuchen, die ambulant verabreicht werden, darunter Hydroxychloroquin
- sie wird mindestens zehn afrikanische Länder umfassen
- etwa 700 Patienten werden niedrig dosiertes Hydroxychloroquin erhalten
- es werden Patienten mit einer leichten oder mittelschweren Form der Krankheit rekrutiert
- es wird untersucht, ob das Medikament das Fortschreiten von Covid-19 oder die Verschlechterung des Gesundheitszustands der Patienten verlangsamen kann
Die Studie wird offiziell nicht vor Ende Oktober angekündigt, da die Verhandlungen mit einigen afrikanischen Ländern noch andauern, heisst es von Seiten der DNDi. Die Rekrutierung wird voraussichtlich kurz danach beginnen. Dies mit der Hoffnung, endlich solide Fakten zu erhalten, zu dem am meisten diskutierten «Repurposing» eines Medikamentes in der Geschichte der Medizin.
Zum Schluss. Obwohl Hydroxychloroquin nicht mehr in Spitälern verwendet wird, es aus den meisten klinischen Versuchen mit schweren oder kritisch kranken Patienten verbannt wurde und auch die biologischen Argumente für die Anwendung bei Covid-19 stark nicht mehr haltbar sind, könnte Hydroxychloroquin doch in der Prävention und frühen Behandlung noch eine Zukunft haben. Aber dies muss erst noch bewiesen werden. Die Erfolgsaussichten schätzen Ärzte und Forscher, die sich mit diesem Thema befassen, sehr unterschiedlich ein.