Das musst du wissen

  • Nur einige wenige Menschen können schweizweit aufgrund von Allergien nicht geimpft werden.
  • Personen mit Immunschwäche, Autoimmunerkrankungen oder Krebs wird die Impfung mittlerweile explizit empfohlen.
  • Seit Neuestem wird die Impfung auch Schwangeren empfohlen – nur Kinder unter 12 können nun noch nicht geimpft werden.

Allergien, Vorerkrankungen, Schwangerschaft – zu Beginn der Impfkampagne gegen das Coronavirus wurden viele mögliche Ausschlusskriterien diskutiert. Doch je länger die vorhandenen Impfstoffe im Einsatz sind, desto mehr offene Fragen lassen sich beantworten. Inzwischen erachten Mediziner die Impfung für fast alle als sicher – Ausnahmen werden zu Einzelfällen. Ein Überblick.

Ist die Corona-Impfung für Allergiker möglich?

Eine Allergie kann potenziell lebensbedrohlich sein. Doch das Risiko einer allergischen Reaktion auf Inhaltsstoffe der mRNA-Impfstoffe sei wohl überschätzt worden, erklärt Thomas Hauser, Facharzt für Allergologie und Immunologie am Immunologie-Zentrum in Zürich: «Allergische Reaktionen wurden in den Zulassungsstudien nur selten beobachtet. Einige Allergie-Fälle zu Beginn der Impfkampagne führten bei den britischen Behörden zu einer Überreaktion: Sie setzten die Impfungen im Dezember 2020 für zweieinhalb Wochen aus. Die Folge war eine verzerrte Wahrnehmung, und auch in der Schweiz wurde deshalb die 15-minütige Wartezeit nach dem Pieks empfohlen.»

Thomas HauserzVg

Thomas Hauser, Facharzt für Allergologie und Immunologie am Immunologie-Zentrum Zürich.

Mittlerweile hätten Umfragen in den allergologischen Zentren der Schweiz jedoch ergeben, dass es sich bei den allergischen Reaktionen auf die Inhaltsstoffe der Impfung um äusserst seltene Einzelfälle handelt, so Hauser. Mit tatsächlichen schweren Allergien würde in der gesamten Schweizer Bevölkerung wohl «eine höhere zweistellige Zahl von Personen» auf die Impfstoffe reagieren, so Hauser – genaue Zahlen fehlen leider noch. Die allergieauslösenden Inhaltsstoffe Polyethylenglykol und Tromethamin sind in Medikamenten und Kosmetikprodukten weit verbreitet. Allergien auf diese Stoffe können meist mit wenigen gezielten Fragen ausgeschlossen werden. Personen mit einer nachgewiesenen Allergie können sich aber unter klinischer Beobachtung von Fachärzten für Allergologie impfen lassen, meint Hauser. Kommt es bei Personen mit bisher unerkannter Allergie zu einer Reaktion, trete diese zudem sehr schnell auf.

Impfschutz bei Autoimmunerkrankungen nicht immer vorhanden

Eine Allergie ist also in den wenigsten Fällen ein Grund, nicht zu impfen. Ähnliches gilt auch für Vorerkrankungen: «Das Bundesamt für Gesundheit BAG spricht immer wieder von nicht impfbaren Personen», sagt Hauser. Diese gebe es seiner Einschätzung nach allerdings fast nicht. Das Problem sei viel eher, dass unter Umständen kein genügender Impfschutz entstehe. Davon sind laut Hauser in der Schweiz mehrere hunderttausend Menschen mit Immunschwächen betroffen. Auslöser dafür können Krankheiten wie Aids oder angeborene Immunschwächen sein, aber auch die Behandlung mit Medikamenten, die die Immunantwort einschränken. Diese Behandlung spielt bei Organtransplantationen und Autoimmunerkrankungen wie Multipler Sklerose, rheumatoider Arthritis oder Morbus Crohn eine grosse Rolle. Krebserkrankungen und vor allem Krebstherapien schwächen ebenfalls das Immunsystem.

«Ein Teilschutz ist noch immer besser als kein Schutz»Thomas Hauser, Immunologe

Eine Immunschwäche ist jedoch keinesfalls ein Ausschlusskriterium für die Impfung – im Gegenteil: Zwar bilden Menschen mit Immunschwäche oft nur einen Teilschutz aus. Dies zeigt beispielsweise eine von Genfer Onkologen durchgeführte Studie mit Krebspatienten. «Aber ein Teilschutz ist noch immer besser als kein Schutz», betont Immunologe Hauser. Dementsprechend empfehlen die eidgenössische Impfkommission und viele Betroffenenverbände, darunter die Krebsliga oder die Schweizerische Multiple Sklerose Gesellschaft, eine Impfung in Absprache mit dem Arzt.

Science-Check ✓

Studie: Immunogenicity of SARS-CoV-2 messenger RNA vaccines in patients with cancerKommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsDa die untersuchten Patienten in unterschiedlichen Ländern gegen unterschiedliche Krebsformen behandelt wurden, ist das Teilnehmerfeld sehr heterogen und eignet sich angesichts der relativ kleinen Teilnehmerzahl nur bedingt für eine abschliessende Beurteilung.Mehr Infos zu dieser Studie...

Kinder bleiben noch aussen vor

Doch nicht bei allen Gruppen konnten bisher genug Erfahrungen und Daten gesammelt werden, um Unsicherheiten aus dem Weg zu räumen.
So etwa bei Kindern unter zwölf Jahren, wovon es hierzulande rund eine Million gibt. Sie sind damit die mit Abstand grösste Gruppe, die in der Schweiz bislang noch nicht geimpft werden darf. Biontech/Pfizer kündigte vergangene Woche an, die für die Zulassung nötige Studie mit Fünf- bis Elfjährigen in Kürze einzureichen, wie der «Spiegel» berichtete. Wie lange es bis zur Zulassung des Pfizer-Impfstoffs für Kinder dann dauert, ist aber noch offen. Christoph Berger, Präsident der Eidgenössischen Impfkommission und Infektiologe am Kinderspital Zürich glaubt jedenfalls nicht, dass die Impfstoffe für kleinere Kinder in der Schweiz vor 2022 zugelassen und empfohlen sind, wie er gegenüber der «NZZ am Sonntag» sagte.

Auch Schwangeren wird die Impfung jetzt empfohlen

Mit Schwangeren verhielt es sich ähnlich wie mit den Kindern: Auch sie waren in den anfänglichen Zulassungsstudien nicht miteingeschlossen. Dementsprechend empfahl der Schweizer Gynäkologie-Verband SGGG grundsätzlich nur Schwangeren aus der Risikogruppe die Impfung – bei ihnen überwiegen die Vorteile. Andere Schwangere konnten sich lediglich im Rahmen des «off-label use» impfen lassen: Die Nutzung ohne explizite Empfehlung ist laut BAG erlaubt, sofern die Geimpfte im Beratungsgespräch mit dem Arzt über die möglichen Risiken einer solchen nicht wissenschaftlich belegten Behandlung aufgeklärt wird.

Wie das BAG am Point de Presse am 14. September 2021 mitteilte, wird die Empfehlung nun aber angepasst. Mittlerweile konnten verschiedene Studien die Unbedenklichkeit der Impfung für Schwangere belegen. Eine Grossstudie aus den USA wertete beispielsweise Daten von 35 000 Schwangeren aus, die eine oder zwei Dosen eines mRNA-Impfstoffe erhalten hatten. Die Frauen gaben per Smartphone-App Auskunft über Impf-Nebenwirkungen und im Falle einer Geburt auch über das Kindeswohl. Dabei bestätigte sich das aus den Zulassungsstudien bekannte Nebenwirkungsprofil. Damit hat die Impfkommission eine Grundlage, um die Impfempfehlung auf alle Schwangeren auszuweiten, ohne dass die Impfung noch eine ärztliche Abklärung erfordert. Ausgeschlossen bleiben lediglich Schwangere im ersten Trimester. Das sind rund 20 000 Personen, die die Impfung ab dem vierten Monat nachholen können. Auch Frauen, die schwanger werden wollen, und stillenden Müttern werde die Impfung empfohlen, erläuterte Impfkommissionspräsident Christoph Berger am Point de Presse. «Frauen haben ein erhöhtes Risiko für eine schwere Covid-Erkrankung inklusive Krankenhausaufenthalt», so Berger. Zudem steige mit einer Covid-Infektion das Risiko einer Frühgeburt.

«Die zunehmende Evidenz zeigt, dass der Nutzen der Impfung die möglichen Risiken deutlich und klar überwiegt», begründet Berger die neue Empfehlung. Diese Aussage lässt sich auch auf Personen mit Immunschwäche oder Allergien übertragen. Je grösser der Erfahrungsschatz wird, desto mehr Unsicherheiten können aus dem Weg geräumt werden – und desto mehr Menschen werden für die Impfung als geeignet erachtet.

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