«80 Jahre und statistisch noch 12 Lebensjahre», dachte Elisabeth gerade, als sich der Sprachassistent meldet: «Hallo Elisabeth, möchtest du über deine Gesundheit informiert werden? »

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Viele Babyboomer sind inzwischen in Rente, Alterssiedlungen haben sich durchgesetzt. Elisabeth Brönnimann hat eine solche Wohnung. Diese hat neben baulichen barrierefreien Alltagsdetails und digitaler Grundfunktionen, wie zum Beispiel einem Sprach-Bot, weitere «intelligente Assistenten» eingebaut, die ihren Bewohnerinnen und Bewohnern auf Wunsch zur Verfügung stehen.

Lukas Rohr

Prof. Dr. Lukas Rohr ist der Direktor für Technik und Informatik der Berner Fachhochschule.

Jürgen Holm

Prof. Dr. Jürgen Holm ist Leiter der Abteilung für Medizininformatik an der Berner Fachhochschule.

«Ich fühle mich gut», sagt sie. «Dann legen wir los», fährt der Assistent fort und schaltet den Bildschirm in der Tischplatte ein: «Es sieht in der Tat ganz gut aus. Allerdings hast du mehr Schmerzmedikamente genommen. Wie fühlt sich deine Hüfte an?» – «Die hat bereits in der Nacht geschmerzt», antwortet Elisabeth. «Bei der Ganganalyse fiel auf, dass du etwas schleppender gehst. Ich empfehle, dies abklären zu lassen.»

Es ist nun fast zehn Jahre her, seit sich in der Schweiz 2020 die Spitäler aufgrund des Bundesgesetzes über das elektronische Patientendossier Stammgemeinschaften angeschlossen haben und ein elektronisches Patientendossier (EPD) anbieten. Seitdem hat sich viel getan im Gesundheitswesen.

2020 war auch der Start in die Digitalisierung des Schweizer Gesundheitswesens. Erst schleppend, da zunächst nur die technische Basis des EPDs zum Laufen gebracht wurde. Dann aber fingen die Gesundheitsfachpersonen an, sich vermehrt den zusätzlichen Diensten zuzuwenden. Die Anbindung der Klinischen-, Praxis- und Apothekersysteme an die EPD-Infrastruktur erlaubte Daten schweizweit auch B2B – business to business, also zwischen den Gesundheitsfachpersonen – direkt auszutauschen.

Ein grosser Schub bekamen auch mit dem EPD verknüpfte Gesundheits-Apps: Die Menschen konnten in den Behandlungsprozess eingebunden werden und ihre Daten hochladen. Zusätzlich konnten die Daten mittels einer dynamischen Zustimmung der Patienten der Forschung zur Verfügung werden. Zusammen mit den Daten aus den Biodatenbanken ergibt sich ein zusätzlicher Mehrwert. Nicht zuletzt durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen setzte die personalisierte Medizin zu einem eigentlichen Höhenflug an.

«Soll ich dich anmelden und Doktor Wenger die Ganganalyse schon zukommen lassen?» Elisabeth schreckt aus ihren Gedanken auf. «Wenn ja, dann brauche ich noch kurz deinen Fingerabdruck», meint der Tischassistent.

Elisabeth Brönimann lässt ihren Gang durch die Wohnung technisch überwachenBerner Fachhochschule

Elisabeth Brönnimanns Gang durch die Wohnung lässt sich am Bildschirm verfolgen. Das System kann so einen Sturz oder die Veränderung des Gangs im Hintergrund feststellen.

Diese Geschichte kann hier beliebig weitererzählt werden. Dass Elisabeth von einem selbstfahrenden Auto abgeholt wird und dass Doktor Wenger Zugriff auf das EPD hat. Das eine oder andere wird so kommen. Die Erfahrung zeigt, dass der Fortschritt oft anders kommt, als man glaubt. Allerdings: Die Technologien, um solche Szenarien Wirklichkeit werden zu lassen, sind bereits heute vorhanden. Dies ist aber nicht ausreichend: Sollen diese Techniken ihr Potenzial entfalten, braucht es dringend – bereits heute – die Zusammenarbeit zwischen Medizininformatikerinnen und Leistungserbringern. Denn «digitale Transformation» sind zwei Begriffe: Digital steht für die technische Basis, Transformation für das, was wir in interprofessioneller Kollaboration daraus machen.

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