Das musst du wissen

  • Im Jahr 2018 registrierte die Informationsstelle Tox Info Suisse 34 900 Vergiftungen.
  • Von den schweren Fällen wurden 72 Prozent durch Medikamente verursacht, 15 Prozent durch Genussmittel und Drogen.
  • Sechs Prozent der schweren Vergiftungen enstanden durch Haushaltprodukte – und betrafen meist Kinder.

_____________

📬 Das Neuste und Wichtigste aus der Wissenschaft, jeden Dienstag und Donnerstag per E-Mail:
Abonniere hier unseren Newsletter! ✉️

_____________

Mindestens 13 Personen starben 2018 in der Schweiz an einer Vergiftung – acht davon an einer Überdosis Medikamente. Dies zeigt eine neue Auswertung der Beratungen, die Tox Info Suisse in dem Jahr durchführte. Insgesamt analysierte die Informationsstelle 4387 Vergiftungen, bei denen der Stelle ärztliche Berichte vorliegen und zudem rund 38 000 Beratungen. Was auffällt: 54 Prozent der Vorfälle betrafen Kinder im Vorschulalter. Denn sobald Kinder greifen können, nehmen sie in die Finger, was sie ergattern können – und nicht selten verschwindet das Fundstück im Mund. Zum Glück geht das in der Mehrzahl der Fälle glimpflich aus. Tödliche Vergiftungen hingegen betreffen häufig Erwachsene – und geschehen in suizidaler Absicht. Doch wie entstehen Vergiftungen eigentlich? «Der grösste Teil der Vergiftungen passiert einfach deshalb, weil die Leute mit diesen Substanzen im Alltag hantieren», sagt Hugo Kupferschmidt von Tox Info Suisse.

Science-Check ✓

Studie: Zur Beratungstätigkeit 2018 von Tox Info Suisse: Vergiftungen in der Schweiz KommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsDer Bericht basiert auf der Beratungstätigkeit von Tox Info Suisse. In vielen Fällen berät die Stelle auch Ärzte und bittet diese, den weiteren Verlauf des Vergiftungsfalles zu rapportieren, was nicht immer geschieht. Der Bericht analysiert deshalb nur einen Bruchteil der Vergiftungen, zu denen die Stelle angefragt wurde. Zudem wird Tox Info Suisse nicht bei jeder Vergiftung beigezogen. Die Dunkelziffer der Vergiftungen ist also hoch. Der Bericht bildet deshalb vor allem Trends ab.Mehr Infos zu dieser Studie...

Medikamente verwechselt

Die Zahl der Vergiftungsfälle durch Medikamente ist seit 2010 von 9982 auf 11 543 im Jahr 2018 angestiegen. Solche Vergiftungen verlaufen überdurchschnittlich häufig schwer. Ein Teil davon resultiert aus Suizidabsichten. Aber es gibt auch Unfälle: häufig passiert es – vor allem älteren Leuten –, dass Fläschchen oder Verpackungen verwechselt werden. Ein Beispiel sind die braunen Fläschchen, in die das Schmerzmittel Metamizol und das Antidepressivum Trimipramin ebenso abgefüllt werden wie das Hustenmittel Codein oder Vitamin-D-Tropfen. Je nach Medikament, das verwechselt wird, werden die Patienten unter anderem schläfrig bis komatös, verwirrt oder sehr unruhig und haben einen zu raschen oder einen zu langsamen Puls.

Verschiedene Medikamentenfläschchenpixabay/WaltiGoehner

Häufig kommt es zu Vergiftungen, wenn Medikamente verwechselt werden.

Gelegentlich erhält Tox Info Suisse Anfragen zu Medikamenten, die abgelaufen sind. Ist es schlimm, wenn man diese einnimmt? «Das ist von Medikament zu Medikament unterschiedlich, aber in den meisten Fällen kein Problem», sagt Kupferschmidt. Es sei wie mit dem Essen: vieles könne man problemlos über das Haltbarkeitsdatum hinaus verwenden, von anderem lässt man lieber die Finger. Der Laie aber erkennt nicht, was gefährlich ist. Der präventive Ratschlag lautet deshalb: Keine abgelaufenen Medikamente einnehmen.

Haushaltprodukte – die versteckte Gefahr für Kinder

Zu 231 Vergiftungen durch Haushaltprodukte erhielt die Informationsstelle 2018 ärztliche Rückmeldungen. Fast 70 Prozent davon erlitten Kinder. Während nämlich die meisten Produkte im Haushalt nicht besonders giftig sind, gibt es auch solche, die ätzende Substanzen enthalten. Dazu gehören beispielsweise Backofen-, Grill-, Cheminéeglas- und Abflussreiniger. Diese Produkte können bereits bei der Einnahme von kleinen Mengen zu schweren Verätzungen im Magendarmtrakt und im Verlauf zu narbigen Verengungen der Speiseröhre führen. Es kann zu Spätfolgen wie Vernarbungen in der Speiseröhre und zu Schluckbeschwerden kommen, die intensiv behandelt werden müssen: Kinder, welche zum Beispiel Backofenreiniger gegessen haben, müssen zum Teil über Monate, wenn nicht Jahre behandelt werden.

Putzmittel und Lappenpixabay/congerdesign

Reinigungsmittel sollten niemals in Kinderhände gelangen. Besonders gefährlich sind ätzende Reiniger.

Genussmittel bis zum Umfallen

«Die Vergiftungen durch Drogenmissbrauch sind jeweils ein Spiegel der Drogenszene», sagt Hugo Kufperschmidt. 2018 standen die meisten schweren Vergiftungen in Zusammenhang mit Alkohol, Amphetaminen, Opioiden, Ectasy oder Kokain. Oft waren mehrere Substanzen im Spiel.

Es gibt aber auch Vergiftungsgefahren, die weniger bekannt sind und häufig auch nur zu leichten Vergiftungen führen. Ein solcher Fall sind Vergiftungen durch das Rauchen von Wasserpfeifen. Viele hielten die Wasserpfeife als weniger gesundheitsschädlich als das Zigarettenrauchen, schreibt Tox Info Suisse. Dabei enthalte der Rauch dieselben gesundheitsschädigenden Substanzen und 45 bis 60 Minuten Wasserpfeifenrauchen entspreche etwa 100 Zigaretten. Beim Shisharauchen entstehen beim Verbrennungsprozess zudem grosse Mengen Kohlenmonoxid (CO). Deshalb kann übermässiges Rauchen zu einer Kohlenmonoxidvergiftung führen. Es kommt zu Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen, Schwindel und kurzzeitigem Bewussteinsverlust.

Glühende Kohle auf einer Wasserpfeifeunsplash/Wesley Balten

Beim Shisharauchen nimmt man extrem viel giftiges Nikotin auf, ausserdem kann man sich eine Kohlenmonoxidvergiftung zuziehen.

Nicht nur die Shisha, auch Koffeinkonsum kann in einer Vergiftung enden. Leichte Vergiftungserscheinungen treten bei empfindlichen Personen bereits ab 200 bis 500 mg Koffein auf, was rund zwei Tassen Kaffee oder sechs Dezilitern Energydrink entspricht. Nach Einnahme grösserer Mengen kommt es zu anhaltendem Erbrechen, schnellem Puls, Bluthochdruck und Agitiertheit. Die Wirkung setzt innerhalb von 15 Minuten ein und hält mehrere Stunden an, wie Tox Info Suisse schreibt. Besonders problematisch sind Koffeinpulver, die als Nahrungsergänzungsmittel für Sportler vermarktet werden. Denn durch diese können absichtlich oder unabsichtlich extrem hohe Koffeinmengen aufgenommen werden.

Giftige Pilze und Tiere

Pilzvergiftungen nehmen zu – vermutlich, weil immer mehr Leute dem Pilzsammeln frönen. Dass es zu schweren Unfällen kommt, ist aber immer noch selten: 2018 zeigten zwei Personen laut ärztlichen Rückmeldungen schwere Symptome. Sie hatten beide Fliegenpilze gegessen. Da Regen die weissen Flocken am Hut des Giftpilzes wegwaschen kann, ist eine Verwechslung mit Speisepilzen wie zum Beispiel dem Stäubling oder Kaiserling möglich.

In der Schweiz gibt es nicht nur giftige Pilze, sondern auch giftige Tiere. Insgesamt kam es 2018 in 19 Fällen zu mittelschweren und zweimal zu schweren Symptomen nach Bissen oder Stichen durch giftige Tiere – meistens durch einheimische Vipern. «Ein Schlangenbiss ergibt häufig eine Schwellung, Rötungen und Schmerzen wie bei einem schweren Insektenstich», sagt Hugo Kupferschmidt. In wenigen Fällen wird der Einsatz eines Schlangenserums nötig, wenn sich die Schwellung zum Beispiel rasch ausbreitet oder schwere Symptome auftreten wie Blutdruckabfall. Einen tödlichen Schlangenbiss habe es in der Schweiz schon seit mehreren Jahrzehnten nicht mehr gegeben. Das liege vor allem an der guten medizinischen Versorgung in der Schweiz.

Schokolade – das Gift für Hunde

Nicht nur Menschen vergiften sich, auch Tiere. In häuslichem Umfeld betroffen sind vor allem Hunde, die grosse Mengen herumliegender Lebensmittel auf einmal verschlingen. So bekommt ihnen Schokolade nicht gut: sie führt zu Erbrechen, Erregung, Krampfanfällen, Herzrhythmusstörungen und selten sogar zum Tod. Denn in der Schokolade ist Theobromin enthalten, eine dem Koffein verwandte Substanz. Je dunkler die Schokolade, desto mehr Theobromin ist enthalten. Auch Macadamianüsse, Trauben oder Rosinen sollten Hunde nicht fressen.

Ein Stapel dunkler Schokolade mit Nüssenunsplash/amirali mirhashemian

In der Anwesenheit von Hunden sollte man Schokolade nicht unbeaufsichtigt liegen lassen – je dunkler die Schokolade, desto giftiger ist sie für gierige Vierbeiner.

Diesen Beitrag teilen
Unterstütze uns

regelmässige Spende