Das musst du wissen

  • Schädliche Darmbakterien weichen dem Immunsystem oft aus, indem sie ihre Oberfläche verändern.
  • Forschende wollen diese Veränderungen, sogenannte Fluchtmutationen nun so steuern, dass die Bakterien weniger fit sind.
  • Dafür haben sie eine Salmonellen-Impfung in Mäuse-Experimenten entwickelt.
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Millionen von Bakterien bevölkern unseren Darm – und nicht selten nisten sich auch ungebetene Gäste wie Salmonellen ein. Dagegen helfen oft Antibiotika. Doch zunehmend sind Bakterien resistent gegen diese. Impfungen könnten eine Lösung sein. Aber gegen Darmbakterien gibt es bisher nur wenige Impfstoffe, denn die Bakterien verändern sich durch Mutationen häufig und bleiben so unter dem Radar des Immunsystems – auch bestehende Impfungen wirken so schlechter. Forschende zeigen nun aber eine Möglichkeit auf, wie Salmonellen-Bakterien durch eine neuartige Impfung in eine Mutationsrichtung gedrängt werden können, die sie schwächer werden lässt. Ihre Studie ist im Fachmagazin Nature Microbiology erschienen.

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Studie: A rationally designed oral vaccine induces immunoglobulin A in the murine gut that directs the evolution of attenuated Salmonella variantsKommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsEs handelt sich um Mäuseexperimente mit einem Stamm der Salmonella enterica. Ob die Effekte auch bei anderen Bakterien und im Menschen reproduzierbar sind, muss sich noch zeigen.Mehr Infos zu dieser Studie...

Immun-Flucht steuern

Dafür führten die Forschenden, darunter solche der ETH Zürich und der Universität Basel, verschiedene Mäuse-Experimente durch. Zunächst impften sie die Tiere mit einer Reihe von leicht unterschiedlichen Impfstoffen. So konnten sie das ganze Spektrum der möglichen sogenannten Immunflucht-Mutationen ermitteln. Schliesslich produzierten die Forschenden aus vier Salmonellen-​Stämmen einen Kombinationsimpfstoff, welcher das ganze Spektrum an Fluchtmutationen abdeckte.

Diesen Impfstoff bekamen weitere Mäusen via Schluckimpfung. Das erzeugte in den Tieren Antikörper, welche vor allem auf eine bestimmtes Oberflächenmolekül der Salmonellen anspringen. Dieses Molekül, das sogenannte O-Antigen, ist für die Salmonellen wichtig zur Abwehr gegen die Immunreaktion des Wirts aber auch gegen Gallensäuren oder gegen bakterienfressende Viren.

Bei jenen Mäusen, die einen Impfung bekommen hatten, reagierte das Immunsystem im Falle einer Salmonellen-Ansteckung daraufhin energischer gegen Stämme mit ausgeprägtem O-Antigen-Vorkommen. Nach wenigen Tagen fanden sich in deren Darm deshalb eher Stämme mit einer Fluchtmutation, die ein «abgeschwächtes» Oberflächenmolekül besassen. Dies machte die Salmonellen anfälliger auf andere Umweltfaktoren des Darms, sodass sie sich weniger gut ansiedeln konnten. Der neue Impfstoff verhinderte Salmonellenerkrankungen wirksamer als existierende und für den Einsatz in Schweinen und Hühnern zugelassene Impfstoffe.

Es sei deshalb zielführend, zu untersuchen, wie schädliche Darmbakterien ihre Oberflächenstrukturen verändern, um der Immunantwort des Körpers zu entkommen, schreiben die Forschenden in der Studie. Denn dann können diese Veränderungen dazu genutzt werden, die Bakterien in eine evolutionäre Falle zu treiben, also Mutationen zu begünstigen, die die Bakterien schwächen. Die Fähigkeit der Bakterien, Fluchtmutationen zu entwickeln, könnte also gezielt gesteuert werden. Eine allfällige Impfung würde dann nicht nur gegen eine Ansteckung helfen, sondern die Evolution der Krankheitserreger in eine Sackgasse lenken.

Tests mit E. Coli-Bakterien

Das könnte nicht nur bei Salmonellen funktionieren, sondern auch bei E. Coli-Bakterien. Hier führen die Forschenden bereits Tests bei Schweinen durch, denn in der Schweinemast sind antibiotikaresistente E. Coli-Bakterien ein grosses Problem. «Achtzig bis neunzig Prozent der E. Coli-Bakterien in Schweinen sind bereits gegen mindestens ein Antibiotikum resistent», sagt Emma Slack, Professorin für Ernährungsimmunologie an der ETH Zürich und Mit-Autorin der Studie. «Wir hoffen, dass eine Impfung für Schweine bereits innerhalb der nächsten fünf Jahre anwendbar sein wird.»

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Werden solche Impfungen gegen Darmbakterien auch beim Menschen kommen? «Wir sind daran präklinische Daten zu sammeln, die wir für eine Zulassung für Studien am Menschen brauchen», sagt Slack. Der orale Salmonellen-Impfstoff sei aber vergleichsweise unproblematisch, da er nur abgetötete Bakterien enthalte, also nichts Lebendiges und keine sonstigen Inhaltstoffe. «Bei der Cholera-Impfung wird das Prinzip der oralen Impfung schon seit hundert Jahren angewandt», sagt Slack. Die Chancen für Impfungen gegen schädliche Darmbakterien stehen also gut.

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