Das musst du wissen
- Joggen und Velofahren sind für viele Menschen Schönwetter-Aktivitäten. Beides ist aber auch im Winter möglich.
- Wichtig ist ein langsamer Start – damit sich die Atmung an die kalte Luft gewöhnt.
- Danach darf es aber gerne intensiv werden. Anstrengendes Training in der Kälte hat sogar Vorteile.
Du joggst gerne im Wald oder machst lange Velotouren? Und fragst dich jetzt im Winter: Ist das bei klirrender Kälte überhaupt gesund? Vielleicht hast du auch schon einen Rückzieher gemacht, als dir beim Türöffnen ein eisiger Wind entgegenschlug. Schnell zurück aufs Sofa, ist doch viel gemütlicher.
«Der Fitnesszustand hat nur einen sehr geringen Einfluss auf unsere Akzeptanz von Kälte.»Oliver Faude, Sportwissenschaftler
Dabei gibt es keinen Grund, in der kalten Jahreszeit zum Sportmuffel zu werden. So viel vorweg: Gesundheitliche Bedenken sind unbegründet. Wer gerne im Freien Sport treibt, kann das auch im Winter weiterhin tun. Grundsätzlich ist Sport an der frischen Luft erst ab minus 15 Grad nicht mehr zu empfehlen. «Dann finden selbst mit Athleten keine internationalen Wettkämpfe mehr statt», sagt der Sportwissenschaftler Oliver Faude von der Universität Basel. Denn bei zu tiefen Temperaturen kann es gefährlich werden, wie das Beispiel eines mehrtägigen Skilanglaufrennens in Kanada zeigt: Bei Temperaturen von minus 18 bis minus 28 Grad kamen lediglich sechs Prozent der Teilnehmenden ins Ziel. Viele brachen das Rennen wegen Unwohlsein, Unterkühlung und Erfrierungen ab. Von Unterkühlung – sogenannte Hypothermie – sprechen medizinische Fachpersonen übrigens ab einer Kerntemperatur von weniger als 35 Grad – ein Abfall der normalen Körpertemperatur von rund zwei Grad. Weniger als 32 Grad wird als mässige, weniger als 28 Grad als schwere Hypothermie definiert. Fällt die Körpertemperatur unter 31 Grad, versagen die natürlichen Schutzmechanismen des Körpers – etwa das Zittern der Muskeln – die uns helfen, die Körperkerntemperatur aufrechtzuerhalten.
Wer friert schneller?
Wie empfindlich wir auf Kälte reagieren, hat allerdings nicht nur mit der Zahl auf dem Thermometer zu tun: Weht beispielsweise ein kräftiger Wind, fühlt sich alles nochmals deutlich kälter an. Und auch wenn Schneeregen Hobbyläufern und Velofahrerinnen ins Gesicht peitscht, lässt sie das schneller frieren. Dies übrigens unabhängig davon, wie fit sie sind. Die Ausrede, Sport in der Kälte sei nur etwas für Profis, gilt nicht: «Der Fitnesszustand hat nur einen sehr geringen Einfluss auf unsere Akzeptanz von Kälte», sagt Oliver Faude. Hingegen spielt mehr eine Rolle, ob jemand gewohnt ist, sich in der Kälte aufzuhalten und zu bewegen. Wer zum Beispiel regelmässig mit dem Hund auch bei Kälte spazieren geht, ist beim Joggen im Winter wohl weniger empfindlich als ein Couch-Potato.
Langsam an die kalte Luft gewöhnen
Ein paar Dinge gilt es aber für alle zu beachten. Zum Beispiel sollten Jogger oder auch Langläuferinnen ihre Trainingsrunde in der Kälte sachte angehen und das Tempo anfangs langsam steigern. Dies, damit sich ihre Atmung an die Kälte gewöhnen kann und sie die kalte Luft nicht direkt tief einatmen. «Gerade, wenn wir durch den Mund atmen, können die Schleimhäute austrocknen, die Bronchien sich verengen und zu Hustenreiz oder sogar Schmerzen in der Brust führen», sagt Oliver Faude. Atemwegsprobleme werden darum bei Personen, die regelmässig auf hohem Niveau Sport in der Kälte machen, häufiger beobachtet – dies hat zum Beispiel eine norwegische Studie unter Athleten in Skandinavien festgestellt. Oliver Faude empfiehlt darum, besser erst durch die Nase zu atmen, – dabei wird die Luft angewärmt und angefeuchtet – oder ein leichtes Tuch über den Mund zu ziehen.
Kleider machen Sportler
Wichtig beim Sport in der Kälte ist zudem schützende und isolierende Kleidung. Sie hilft laut Forschenden am einfachsten, um die Leistung von Athletinnen und Athleten in der Kälte zu verbessern.
Hoch im Kurs ist das klassische Zwiebelschalenprinzip. Heisst: Lieber mehrere dünne Schichten als nur eine dicke. Und direkt auf der Haut etwas, das die Feuchtigkeit vom Schwitzen gut aufnimmt und nach aussen transportiert. Wolle ist zum Beispiel besser als Polyester, wie Forschende an der Universität Innsbruck herausgefunden haben. Als oberste Schicht empfiehlt sich eine Jacke, die Wind und Regen abweist und trotzdem den Feuchtigkeitstransport nach aussen nicht ganz unterbindet. Zudem legt Oliver Faude Sporttreibenden nahe, offene Hautpartien zu bedecken: Wangen, Ohren, die Hände und den Kopf – insbesondere bei Wind sowie wenn es kälter als minus zehn Grad ist. Wenn aber trotz Handschuhen und dicken Socken die Finger- oder Fussspitzen vor Kälte taub werden, sei das ein Warnzeichen, sagt Oliver Faude: «Dann sollte man besser aufhören.»
«Je schneller wir beispielsweise joggen, desto mehr Wärme produziert unser Körper – folglich kühlt er trotz der kalten Aussentemperaturen weniger rasch ab.»Oliver Faude
Was die richtige Kleidung betrifft, weist der Sportwissenschaftler zudem auf die drei Kältephasen hin: Jene vor dem Sport – zum Beispiel die Velo- oder Autofahrt zum Waldrand – jene während des Sports und die Zeit danach, wenn man verschwitzt wieder nach Hause fährt oder spaziert. Während des Sports brauchen wir eine Schicht weniger als davor, da uns durch die Bewegung warm wird. Zu viel Kleidung zu tragen ist ein häufiger Anfängerfehler. Direkt nach dem Sport empfiehlt Oliver Faude, wenn möglich die verschwitzte unterste Schicht zu wechseln. Oder sich alternativ ein zusätzliches Oberteil überzuziehen. «Wie die Fussballprofis, die für das Fernsehinterview nach dem Spiel eine dicke Jacke tragen.»
Grosse Menschen frieren schneller
Wie warm wir uns für Sport in der Winterlandschaft einpacken müssen, hängt auch mit der Körperstatur zusammen. Fachleute sprechen von sogenannten anthropometrischen Faktoren. «Sehr grosse Menschen haben eine grössere Körperoberfläche und verlieren dadurch schneller an Wärme», veranschaulicht Oliver Faude. Dieses Problem haben übergewichtige Personen weniger, denn die Fettschicht unter der Haut und um die inneren Organe hält die Wärme länger im Körper. Und Frauen fröstelt es schneller, weil sie in der Regel weniger Muskelmasse haben. Muskeln wärmen uns nämlich von innen. Darum kann auch Krafttraining helfen, dass wir beim Sport in der Kälte weniger empfindlich sind – auch wenn der Effekt laut Oliver Faude nicht besonders gross sein dürfte.
Und wie anstrengend darf die Sportroutine in der Kälte sein? Müssen wir uns vorsichtshalber etwas zurücknehmen? Nicht zwingend, sagt Oliver Faude: «Eine hohe Intensität beim Training ist nicht per se problematisch.» Sie hat sogar Vorteile: «Je schneller wir beispielsweise joggen, desto mehr Wärme produziert unser Körper – folglich kühlt er trotz der kalten Aussentemperaturen weniger rasch ab», führt er aus. Der Nachteil: Wir kommen bei intensivem Training eher aus der Puste und atmen mehr kalte Luft tief ein. Dann wird wiederum das Tuch vor dem Mund wichtig. Letztlich müsse jeder Läufer ein Mass finden, bei dem er oder sie sich noch wohl fühle.
Abnehmen in der Kälte?
Hochintensives Training in der Kälte könnte besonders für Menschen mit Übergewicht interessant sein: Forschende aus Kanada verglichen eine anstrengende Sporteinheit von Personen mit Body-Mass-Index zwischen 25 und dreissig bei einer Temperatur von null Grad mit dem gleichen Intensivtraining bei 21 Grad Celsius. Das Resultat: Die Fettverbrennung der Teilnehmenden war bei null Grad mehr als dreimal so hoch. Die Untersuchung betraf allerdings nur eine kleine Gruppe von Probanden – und fand ohne Vergleich zu normalgewichtigen Menschen statt. Ausserdem wird nur der kurzzeitige Effekt beschrieben. Denn die Vergleichsgruppe, die im Warmen trainiert hatte, zeigte nach dem anschliessenden Frühstück günstigere Stoffwechselreaktionen, um langfristig Fett im Körper abzubauen.
Science-Check ✓
Studie: High-intensity interval exercise in the cold regulates acute and postprandial metabolismKommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsDie Studie untersuchte den Stoffwechsel und die Fettverbrennung von übergewichtigen, durchschnittlich fitten Personen nach intensivem Radfahrtraining bei Kälte und bei Raumtemperatur. Das Ergebnis ist aufgrund der kleinen Teilnehmerzahl nur bedingt aussagekräftig. Ausserdem bleibt offen, welche Langzeiteffekte Kältetraining hat, wie das Ergebnis bei schlanken Personen aussieht sowie bei anderen Sportarten. Auch Geschlechtsunterschiede konnten aufgrund der kleinen Teilnehmerzahl keine gemacht werden.Mehr Infos zu dieser Studie...Keine statischen Übungen
Und wie sieht es mit Kraftübungen im Freien aus – Stichwort Vitaparcours? Lässt man diese bei klirrender Kälte lieber weg? «Wenn Sie dabei immer in Bewegung bleiben und das Joggen nicht allzu lang unterbrechen, liegt das durchaus drin», sagt Oliver Faude. Wichtig sei, die nicht dynamischen Phasen kurz zu halten, um eine Unterkühlung zu vermeiden. Also die rein statischen Übungen an den Fitness-Stationen lieber mal weglassen.
«Wer sich angeschlagen fühlt und merkt, da ist eine Erkältung im Anflug, sollte es lieber bleiben lassen mit dem Sport.»Oliver Faude
Tatsächlich nicht zu empfehlen ist Sport in der Kälte, wenn jemand gerade unter viel Stress steht, erschöpft ist oder wenig geschlafen hat. «Dann sind wir viel anfälliger für Kälteinfekte», sagt Oliver Faude. Er rät, auf den eigenen Körper zu hören: «Wer sich angeschlagen fühlt und merkt, da ist eine Erkältung im Anflug, sollte es lieber bleiben lassen mit dem Sport.» Denn auch wenn regelmässige körperliche Aktivität gut ist für das Immunsystem: Kurzfristig sei es eine leichte Schwächung, sagt Oliver Faude. Der langfristige, positive Effekt komme erst später. Eine triefende Nase sei zwar kein Problem, ein akuter Infekt jedoch ein stichhaltiger Grund, erst mal auf Sport zu verzichten.