Das musst du wissen

  • 407 Personen warteten 2018 auf eine Spenderleber – 251 von ihnen vergeblich.
  • Ein Zürcher Forschungsteam hat nun eine Maschine entwickelt, die Lebern bis zu einer Woche überleben liessen.
  • Mit der Maschine konnte die Qualität der Lebern so verbessert werden, dass sie für eine Spende geeignet gewesen wären.

Wenn die Leber erkrankt, ist das ein Schicksalsschlag. Denn sie ist das zentrale Stoffwechselorgan des Körpers und übernimmt lebenswichtige Funktionen: Die Leber verarbeitet und speichert Stoffe aus der Nahrung für den Körper, produziert Gallenflüssigkeit für die Fettverdauung und entgiftet. Bei einem akuten Leberversagen, einer schweren chronischen Erkrankung oder einem Tumor ist eine Transplantation oft die letzte Behandlungsmöglichkeit. Gesunde Spenderorgane, die zur Transplantation zugelassen werden, sind jedoch selten. 2018 standen 407 Personen auf der Warteliste für eine gesunde Leber. Nur 156 von ihnen bekamen eine neue Leber transplantiert. Dies liegt auch daran, dass Lebern ausserhalb des Körpers bisher nur maximal 24 Stunden überleben konnten.

Maschine ahmt Körper nach

Doch dies könnte sich bald ändern, denn in Zürich ist Forschenden ein Meilenstein in der Transplantationsmedizin gelungen: Ein Team aus Biologen, Medizinern und Ingenieuren des Zürcher Universitätsspital und der ETH hat es nach fast fünfjähriger Forschung geschafft, menschliche Lebern bis zu sieben Tage ausserhalb des menschlichen Körpers am Leben zu erhalten. Dies gelang ihnen mit einer neu entwickelten Maschine, welche die Bedingungen im lebenden Körper so genau wie möglich nachahmt. Die Resultate dieses Experimentes sind nun im Fachmagazin Nature Biotechnology veröffentlicht worden.

Science-Check ✓

Studie: An integrated perfusion machine preserves injured human livers for 1 weekKommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsDie Tests wurden an Schweinelebern und menschlichen Lebern durchgeführt. Bei den menschlichen Lebern handelte es sich um unterschiedlich geschädigte Lebern. Ob die so am Leben erhaltenen Organe auch im menschlichen Körper einwandfrei funktionieren, muss sich erst zeigen – die Chancen stehen aber gut. Die Anzahl Versuche ist mit zehn menschlichen Lebern klein, was an der geringen Verfügbarkeit von Spendelebern liegt.Mehr Infos zu dieser Studie...

Über Jahre hinweg entwickelten die Forschenden eine Maschine, welche die Blutzufuhr in das Organ sowie weitere Umgebungsfaktoren reguliert. Diese Perfusionsmaschine wurde an gesunden Schweinelebern getestet und optimiert. Hierfür wurden sie auch lebenden Schweinen implantiert – dieser Test musste aus Tierschutzgründen aber drei Stunden nach der Transplantation, also bevor die Tiere aus der Betäubung erwachten, beendet werden. Die Perfusionsmaschine ahmt die Körperfunktionen nach: Eine Pumpe dient als Herzersatz, ein Oxygenator ersetzt die Lungen und eine Dialyseeinheit die Nieren. Die Funktionen von Darm und Bauchspeicheldrüse wurden durch Hormon- und Nährstoffinfusionen imitiert. Sogar die Bewegung des Zwerchfells ist integriert: Die Perfusionsmaschine bewegt die Leber im Rhythmus des menschlichen Atems.

USZ

Die Maschine wurde schliesslich an zehn menschlichen Lebern während einer Woche getestet – denn in dieser Zeit, so zeigt die Forschung, kann sich eine beschädigte Leber regenerieren. Diese Regeneration ist wichtig, denn Leberschäden, welche im lebenden Menschen entstehen sowie Schäden, welche beim Transport zugefügt werden, machen Spenderlebern unbrauchbar.

Lebern regenerieren sich

Die Tests ergaben: sechs Organe hielten ihre Funktion während sieben Tag aufrecht. Vier Lebern schieden aus dem Experiment frühzeitig wegen Versagen aus – die Forschenden führen dies auf die bereits bestehenden Leberschäden zurück. Die sechs überlebenden Lebern aber blieben nicht nur funktionstüchtig, sondern regenerierten sich gar und verbesserten so ihre Qualität. Denn: Da Lebern für Transplantationen in der Schweiz so selten sind, verwendeten die Forschenden zehn beschädigte oder beeinträchtigte Lebern, welche von allen Europäischen Transplantationszentren abgelehnt worden waren.

«Das eröffnet viele neue Möglichkeiten, Spenderlebern ausserhalb des Körpers zu überprüfen und zu behandeln und so den Patientinnen und Patienten mit schweren Leberkrankheiten zu helfen», erklärt Co-Projektleiter Pierre-Alain Clavien in einer Mitteilung. Und diese Möglichkeiten dürften schon bald ausgetestet werden: Die Forschenden gehen davon aus, dass die ersten so behandelten Lebern noch in diesem Jahr transplantiert werden können. Erweisen sich die Lebern auch in Transplantationen als zuverlässig, wird die neue Methode die Transplantationsmedizin revolutionieren. In Zukunft könnte es laut den Forschenden vielleicht sogar möglich sein, eine halbe Leber mittels der Maschine zu ernähren und diese zu einer ganzen Leber regenerieren zu lassen. So könnte das Warten der Leberpatienten vielleicht bald ein Ende finden.

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