Das musst du wissen

  • Kontinuierliches Gesundheits-Monitoring ist schwierig, weil es viel Disziplin verlangt und aufwändig ist.
  • Nun wurde ein WC-Aufsatz entwickelt, der beim alltäglichen Gang auf die Toilette gewisse Gesundheitsparameter misst.
  • Die Daten dienen zur Früherkennung einiger Krankheiten und zur Kontrolle des Gesundheitszustands.

Es gibt jetzt nicht nur ein «Smart Phone» oder eine «Smart Watch» sondern auch eine «Smart Toilet»: Diese Toilette kann nämlich mehr, als menschliche Verdauungsreste einfach nur diskret entsorgen. Sie untersucht die Ausscheidungen auf Krankheitssignale. So soll die Präzisionsmedizin – eine personalisierte Therapie und Prävention – vorangetrieben werden. Mit ihrer Pilotstudie zeigen Mediziner der Universität Stanford, wie das funktioniert. Die Studie ist im Wissenschaftsmagazin Nature Biomedical Engineering erschienen.
_____________

📬 Das Neuste und Wichtigste aus der Wissenschaft, jeden Dienstag und Donnerstag per E-Mail:
Abonniere hier unseren Newsletter! ✉️

_____________

«Die Smart Toilet ist die perfekte Möglichkeit, eine Datenquelle zu nutzen, die in der Regel ignoriert wird – und der Benutzer muss nichts dafür tun», sagt Sanjiv Sam Gambhir, Professor für klinische Untersuchungen in der Krebsforschung an der Stanford Universität und Mitautor der Studie, in einer Mitteilung.

Verschiedene Darmerkrankungen, Blasen-, Prostata- und Nierenkrebs sowie Nierenversagen kann die intelligente Toilette entdecken. Zudem überwacht sie den Zustand von Patienten mit Lebererkrankungen oder Diabetes. Das WC sendet die Daten automatisch an einen Cloud-Speicher zur sicheren Aufbewahrung. Gerade für Patienten, die ein erhöhtes Risiko haben, einer dieser Krankheiten zu erliegen, berge die Technologie grosses Potential, so die Autoren.

Science-Check ✓

Studie: A mountable toilet system for personalized health monitoring via the analysis of excretaKommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsBei der Studie handelt es sich um einen Proof-of-Concept, das heisst, die Autoren belegen anhand von wenigen Probanden, dass eine Durchführung theoretisch machbar ist. Sie haben einen Prototypen geschaffen. Für die praktische Anwendung muss das Produkt jedoch noch weiterentwickelt werden. So sind Urinmessungen bis jetzt erst für männliche Probanden verfügbar, wegen des unterschiedlichen Urinstrahls von Frauen und Männern. Ausserdem muss ein Selbstreinigungssystem eingebaut werden, um falschpositive Biomarkertests zu verhindern.Mehr Infos zu dieser Studie...
.

Die Toilette sieht aus, wie eine Toilette halt so aussieht. Allerding ist sie mit allerhand zusätzlichen Geräten ausgestattet. Auf dreifache Weise werden die Gesundheitsparameter erfasst: Als erstes erfolgt die biochemische Analyse des Urins. Dafür wird auf einen Teststreifen uriniert, der sich bei der Benetzung verfärbt. Er reagiert auf zehn Biomarker, die im Urin zum Beispiel als Hormone oder Eiweisse auftreten und die auf den Gesundheitszustand schliessen lassen. Noch in der Schüssel wird ein Foto des Teststreifens gemacht und an den Cloud-Speicher geschickt.

Zweitens werden die physikalischen Eigenschaften des Urinstrahls gemessen. Eine Kamera filmt den Strahl und ein Algorithmus prüft anschliessend, ob sich Grössen wie die Flussrate, die Strömungszeit und das Gesamtvolumen in einem gesunden Bereich befinden.

Ähnlich wird drittens die Stuhlprobe geprüft. Auch hier setzten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler maschinelles Lernen ein. Zwei Fachärzte trainierten ein Computerprogramm so, dass es die Aufnahmen des Stuhls schliesslich richtig einstufen konnte. Drei Arten kann das Programm nun unterscheiden: Stuhl aus Verstopfungen, normaler Stuhl und Durchfall.

Damit die Forschenden die Daten eindeutig einer Person zuordnen können, haben sie ausserdem die Spülung mit einem Fingerabdruckscanner ausgestattet. So ist auch in einem Mehrpersonenhaushalt klar, zu welchem Probanden die Daten gehören. Doch was, wenn jemand zu spülen vergisst und jemand anders für ihn die Spülung betätigt? Der erfasste Fingerabdruck würde in diesem Fall nicht von der gleichen Person stammen wie die Gesundheitsdaten und diese würden auf einem falschen Konto landen.

Um dies zu verhindern, ging das Forscherteam einen ungewöhnlichen Schritt. Sie identifizieren Personen nicht nur über ein Abbild des Fingers, sondern auch über jenes des Afters. Denn dieses ist genauso individuell wie ein Fingerabdruck und kann leicht durch einen Scanner im WC abgebildet werden.

Unter keinen Umständen sei diese Toilette ein Ersatz für einen Arzt und käme nicht einer Diagnose gleich, unterstreicht Gambhir. Im Idealfall würde eine App unter entsprechendem Schutz der Privatsphäre ein Team der Gesundheitsfürsorge benachrichtigen, sollte beim Monitoring etwas Fragwürdiges auftauchen – wie etwa Blut im Urin. Die Fachleute könnten dann über das weitere Vorgehen für eine richtige Diagnose entscheiden.

Ideen, wie sie ihr Produkt in Zukunft noch verbessern können, haben die Autoren genug. Vor allem möchten sie die Bandbreite an detektierbaren Krankheiten erweitern, die Messungen auf persönliche Bedürfnisse abstimmen und gleichzeitig die Kosten senken. Ihre Vision ist, dass sich die Smart Toilet zu einem verbreitet eingesetzten Instrument entwickelt, welches künftig die Gesundheitsdaten einfach zugänglich macht für Spitäler und Krankenkassen. Das WC-Selfie könnte so in Zukunft genauso alltäglich werden wie der WC-Besuch an sich.

Diesen Beitrag teilen
Unterstütze uns

regelmässige Spende