Das musst du wissen

  • Diese Woche öffnen Restaurants. Sie müssen spezielle Abstands- und Hygienemassnahmen umsetzen.
  • Es gibt aber Hinweise, dass nicht nur Tröpfchen oder Körperkontakt, sondern auch Raumluft infektiös sein kann.
  • Das Bundesamt für Gesundheit sieht dieses Risiko allerdings als gering an.

Ein schönes Steak oder einen gesunden Salat essen – und sich dabei mit dem Sars-CoV-2 infizieren. Das ist im Januar neun Gästen in China in einem Restaurant passiert. Und dies, obwohl diese nicht alle am selben Tisch sassen wie der Gast, welcher das Virus in das Restaurant einschleppte. Möglicherweise, weil sie winzige Tröpfchen, sogenannte Aerosole, mit Virus eingeatmeten hatten, die über die Klimaanlage verbreitet wurden. Zwar ist dies nicht zweifelsfrei bewiesen, doch es mehren sich Hinweise, dass die Übertragung des Virus über Aerosole im Luftstrom eine Rolle spielt. Auch von einem Call-Center in Seoul berichten Wissenschaftler, dass sich dort Angestellte wahrscheinlich über die Umgebungsluft ansteckten und nicht über Tröpfchen- oder Kontaktinfektion. Bei ersterer steckt man sich an, weil man infektiöse Tröpfchen einatmet, die durch Niesen oder Husten entstehen. Bei der Kontaktinfektion kommt es zur Übertragung durch Berührung von kontaminierten Oberflächen oder Körperteilen.

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Aerosole sind kleiner als die Tröpfchen, die man etwa beim Husten oder Niesen ausstösst, und entstehen beim Atmen, Sprechen oder Singen. Sie sinken nicht innerhalb kurzer Zeit im Abstand von zwei Metern zu Boden, sondern schweben noch länger in der Luft und können durch mechanisch erzeugte Luftströme weiter transportiert werden. Eine Studie ergab, dass das Virus in Aerosolen bis zu drei Stunden infektiös bleiben kann, allerdings wurde das nur unter Laborbedingungen getestet.

Aerosole nicht Teil des Schutzkonzepts

Auch bei uns öffnen diese Woche die Restaurants. Um dort Ansteckungen zu verhindern, haben die Branchenverbände HotellerieSuisse und GastroSuisse zusammen mit verschiedenen Bundesämtern ein Schutzkonzept entwickelt. Dieses basiert auf der Annahme, dass eine Aerosol-Übertragung kaum eine Rolle spielt und setzt deswegen hauptsächlich auf Distanz- und Hygienemassnahmen. Um Tröpfchen- und Kontaktinfektionen zu verhindern gelten deshalb zum Beispiel bestimmte Abstandsmassnahmen, sollte Geschirr und Besteck möglichst bei 60 Grad Celsius gewaschen werden und dürfen keine Salzstreuer von Gästen gemeinsam benutzt werden.

«Wir schliessen es nicht aus, dass das Virus auch durch Aerosole übertragen werden kann. Aber wir glauben nicht, dass dieser Übertragungsweg einen grossen Effekt hat», sagt der Leiter der Sektion Impfempfehlung und Bekämpfungsmassnahmen des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) Mark Witschi.

Zu dieser Auffassung kommt das BAG aufgrund von Seroprävalenz-Studien aus der Schweiz. Bei solchen Studien wird die Häufigkeit von Antikörpern gegen das Virus im Blut gemessen, die auf eine bestehende oder durchgemachte Infektion hindeuten. Erste Ergebnisse einer representativen Studie des Genfer Universitätsspitals zeigten eine Durchseuchung von 5,5 Prozent. Das heisst, dass dieser Anteil der Bevölkerung Antikörper im Blut hat. Laut BAG spricht dies gegen die Hypothese, dass die Übertragung massgeblich durch Aerosole geschehe. «Wenn das so wäre, würden wir eine höhere Durchseuchung erwarten», so Witschi.

Nicht alle kommen zu dieser Einschätzung. Kevin Van Den Wymelenberg ist Leiter des Instituts für Gesundheit in der bebauten Umwelt der University of Oregon und Autor einer kürzlich erschienenen Übersichtsstudie zur Verbreitung des Virus in Gebäuden. Er sagt: «Wir empfehlen, die Aerosolübertragung als ein wichtiges Risiko zu betrachten und Massnahmen zu ergreifen, um sie zu verhindern». Dazu präsentiere er und seine Kollegen zwei Strategien: Erstens könne man Klima- und Lüftungsanlagen mittels Abstrich regelmässig auf das Virus testen. Zweitens müsse man für eine hohe Luftfeuchtigkeit zwischen 40 und 60 Prozent sorgen. So würden Tröpfchen eher aus der Luft auf Oberflächen niedergehen und ausserdem wisse man von Influenzaviren und bereits bekannten Coronaviren-Typen, dass diese bei höherer Luftfeuchtigkeit eher inaktiviert würden. Eine höhere Luftfeuchtigkeit erreiche man in vielen Klimazonen während des Sommers am schnellsten und einfachsten durch das Öffnen der Fenster.

Science-Check ✓

Studie: COVID-19 Outbreak Associated with Air Conditioning in Restaurant, Guangzhou, China, 2020KommentarDies ist ein Kommentar der Autorin / des AutorsDie Forschenden schlussfolgern zwar, dass die Ansteckung im Restaurant über die Luft durch eine Klimaanlage passiert sei. Allerdings können die Wissenschaftler nicht ausschliessen, dass sich die Gäste nicht durch eine Kontaktinfektion, etwa beim Benutzen des selben Wasserhahns auf der Toilette, angesteckt haben. Ausserdem konnte auf Abstrichproben der Klimaanlage kein Virus nachgewiesen werden.Mehr Infos zu dieser Studie...

Grösse und Höhe der Räume ausschlaggebend

Das Schutzkonzept für Gastrobetriebe sieht «einen regelmässigen und ausreichenden Luftaustausch in Arbeits- und Gasträumen» vor. Auch der Arbeitshygeniker Michael Riediker vom Schweizerischen Zentrum für Arbeits- und Umweltgesundheit GmbH in Winterthur betrachtet den Luftwechsel als wichtige Massnahme, um eine Verbreitung des Virus durch Aerosole zu verhindern.

Riediker hat berechnet, wieviel Viren eine infizierte Person in Form von Aerosolen und Tröpfchen in einen Raum entlässt. Seine Studie ist allerdings noch unveröffentlicht und wird derzeit bei einer Fachzeitschrift von Experten begutachtet. «Wenn man lange Zeit mit einer infizierten Person in einem Raum ist, die laut spricht oder singt, kann man sich durchaus infizieren, auch wenn man den Sicherheitsabstand von zwei Metern einhält», sagt Riediker. Wie hoch dieses Risiko ist, hänge davon ab, wie gross und wie hoch der Raum ist, wieviele Personen darin sind, wie lange man sich dort aufhalte und wie gut er belüftet werden könnte. Nach Riedikers Meinung könnten Restaurants anhand des Volumens ihres Gastraumes abschätzen, wie sie lüften müssten und wieviel Personen sich darin aufhalten könnten. Ausserdem sollten die Angestellten grundsätzlich Masken tragen, damit sie durch Atmen und sprechen weniger Aerosole ausstiessen.

Solche dezidierten Massnahmen sind bisher nicht Teil des Schutzkonzeptes für Restaurants. Für das BAG sind die Übertragung durch Tröpfchen- oder Kontaktinfektion die vordergründigen Risiken und Distanz und Handhygiene die wichtigsten Schutzmassnahmen. «Diese Haltung müssen wir unter Umständen revidieren, wenn sich neue Evidenz ergibt, etwa wenn sich zeigt, dass die Aerosol-Übertragung eine wichtigere Rolle spielt», sagt Witschi vom BAG. «Dann müssten wir unsere Schutzkonzepte anpassen und dazu wären wir uns dann auch nicht zu schade.»

Die wichtigsten Punkte des Schutzkonzepts für Restaurants:

  • An einem Tisch dürfen Gästegruppen mit maximal 4 miteinander bekannten Menschen sitzen.
  • Zwischen den Gästegruppen muss zwei Meter Abstand (Schulter-zu-Schulter und Rücken-zu-Rücken) gewährleistet sein.
  • Ist der Abstand nicht möglich, ist eine Trennwand vorgeschrieben.
  • Im Service sollte der 2-Meter-Abstand eingehalten werden, ist das nicht möglich, sind Masken empfohlen. Diese müssen mindestens alle vier Stunden gewechselt werden. Es besteht keine Tragepflicht.
  • Gäste und Personal müssen auf Handhygiene durch Waschen und Desinfizieren achten.
  • Personendaten der Gäste werden erfasst, um eine Kontaktnachverfolgung zu gewährleisten.
  • Verzicht auf gemeinsam genutzte Utensilien, zum Beispiel Salzstreuer oder Brotkörbe. Verzicht auf Touch-Screens und gemeinsam genutzte Snacks oder Zeitschriften.
  • Nach dem Abräumen von Tischen müssen Angestellte die Hände reinigen, bevor sauberes Geschirr und Besteck angefasst wird.
  • Geschirr und Besteck ist möglichst im Geschirrspüler bei 60 Grad Celsius zu reinigen.
  • Kein Körperkontakt zwischen Gast und Personal; kein Händeschütteln.
  • Regelmässiger Luftaustausch, z.B. 4 Mal täglich für ca. 10 Minuten. Bei Klima- und Lüftungsanlagen ist auf Luftrückführung zu verzichten.

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