Das musst du wissen

  • Nach einer furchteinflössenden Erfahrung sind unsere Gehirne deutlich weniger aktiv als vorher – wie heruntergefahren.
  • Darum fühlt man sich nach der Angst ruhiger und glücklicher als zuvor. Ähnlich wie nach einer Meditation.
  • Das haben US-Forschende herausgefunden, indem sie Besucher eines extremen Spukhauses untersucht haben.

In diesem Keller wird das Gruseln zur nackten Angst: In einer extremen Art von Spukhaus in der Nähe von Pittsburgh in Pennsylvania treffen Besucher während 35 Minuten nicht nur auf Spezialeffekte und bedrohliche Figuren, wie sie auch in Geisterbahnen üblich sind. Sie werden unter anderem auch von Menschen bedroht und festgehalten, bekommen einen Sack über den Kopf gestülpt und werden sogar mit milden Elektroschocks traktiert. «Das Ganze ist nichts für sanfte Gemüter», sagt dazu Margee Kerr, Soziologin und Angstforscherin an der Uni Pittsburgh. Sie erforscht, warum wir Menschen uns so gerne gruseln – ob in Horrorfilmen, finsteren Burgverliesen, Geisterbahnen oder eben solchen speziellen Horrorhäusern.

Klar ist, das ein Cocktail aus verschiedenen Hormonen wie Adrenalin, Dopamin und Endorphinen für den schön-schaurigen Mix aus Lust und Angst verantwortlich ist, den wir in solchen Momenten verspüren – wenn wir uns ängstigen, aber gleichzeitig wissen, dass das Erlebte nicht echt ist. Was dabei aber im Gehirn abläuft, wollte Margee Kerr genauer untersuchen.

Ist die unheimliche Braut eine Figur oder ein echter Mensch? Im Pittsburgher Horrorhaus kann man sich nie sicher sein.Flickr/ScarehouseScott

Ist die unheimliche Braut eine Figur oder ein echter Mensch? Im Pittsburgher Horrorhaus kann man sich nie sicher sein.

Dazu hat sie zusammen mit einem Kollegen, dem Neurowissenschaftler Greg Siegle, im Pittsburgher Horrorhaus ein mobiles Labor installiert. Die beiden Forschenden haben 262 Besucher des Horrorhauses befragt, jeweils bevor und nachdem sich diese hinein gewagt hatten. Zusätzlich führten sie bei 100 der Probandinnen und Probanden vorher und nachher kognitive Tests durch und zeichneten dabei die Gehirnaktivität mittels Elektroenzephalographie (EEG) auf.

Wie Meditation

Es stellte sich heraus: Nach der furchteinflössenden Erfahrung waren die Gehirne der Probanden deutlich weniger aktiv als vorher – und die Probanden viel entspannter. «Ihr Gehirn war zu einem gewissen Grad heruntergefahren», erklärt Margee Kerr. Im Vergleich sogar ähnlich stark, wie nach einer tiefen Meditation.
Das passt zu der subjektiven Empfindung der Probanden: Diese fühlten sich nach der Erfahrung ruhiger, glücklicher, selbstsicherer als zuvor – und je furchteinflössender das Erlebte, desto stärker empfanden sie die positiven Gefühle danach. «Das Gefühl, seine Angst überwunden und dabei auch etwas über sich selbst gelernt zu haben, kann extrem befriedigend sein», sagt Soziologin Margee Kerr.

Auch sie selbst setzt sich gern mit ihrer eigenen Angst auseinander – und zwar in der realen Welt. Zum Beispiel verbrachte sie eine Nacht in einem verlassenen Gefängnis oder liess sich vom höchsten Gebäude Nordamerikas baumeln, dem über 550 Meter hohen CN Tower in Toronto. «Da hatte ich dermassen Angst. Noch nie hat sich mein Körper so intensiv angefühlt.»

Als nächstes will Kerr sich ihrer Angst vor Spinnen stellen. Denn seitdem sie kürzlich von einer Spinne gebissen wurde, plagen sie regelmässig Albträume. Und ganz Angstforscherin will sie den Viechern nicht etwa aus dem Weg gehen, sondern ihnen stattdessen in einer Konfrontationstherapie ganz nah kommen.

Mehr über die Grusel-Erfahrungen von Margee Kerr und den Stand der Angstforschung findet sich in ihrem Buch. Erhältlich auf Englisch.
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